Beim Couchsurfing stellt der Gastgeber dem Gast das eigene Sofa als Bett zur Verfügung. Umsonst.
Sommer 2007 in der Wohngemeinschaft meiner damaligen Freundin in Berlin. Eines Morgens sitzt eine junge Finnin mit uns am Küchentisch. Lumi erzählt, dass sie auf der Durchreise sei und im Wohnzimmer auf dem Sofa geschlafen habe. Couchsurfing eben. Eingeladen hat sie die Mitbewohnerin meiner Freundin, doch auch die kennt Lumi erst seit gestern. Wir erfahren von einer international vernetzten Gemeinschaft – Globetrotter und Tramper –, die sich gegenseitig ihre Wohnungen, Betten, Teppiche und Sofas zur Verfügung stellt. Umsonst. Fantastisch, denke ich – seither bin ich Mitglied.
Es war in Hannover zwei Jahre später, als ich zum ersten Mal von meiner Mitgliedschaft Gebrauch machte. Ein Kumpel und ich hatten unsere Schlafsäcke in der Wohnung eines Jungunternehmers ausgerollt, der darauf spezialisiert war, Bauern den Mist auszufahren. Ich meine, wo lernt man solche Leute kennen!? Wir quatschten die ganze Nacht an seinem Küchentisch. Am nächsten Morgen war mir klar, dass ich eine Fotoreportage über Couchsurfer machen wollte. Zwischen 2009 und 2010 reiste ich von Deutschland nach Westafrika. Von New York nach Los Angeles. In die Hochgebirge Zentralasiens, die Mangrovenwälder Brasiliens und nach Indien. Ich schlief bei Menschen mit unterschiedlichsten Lebensentwürfen aus verschiedensten Kulturkreisen. Allen gemeinsam ist die Leidenschaft, zu teilen statt für sich zu behalten. 2005 zählte Couchsurfing.org 45 000 Mitglieder, 2008 waren es eine Million, heute sind es über drei Millionen.
Würde ich es wieder tun? Vielleicht, vielleicht auch nicht. Ich war jünger und unabhängig. Ich hatte meine Kamera und ein Projekt, das mich antrieb. Man muss das wollen, den pausenlosen Austausch mit den Menschen, den Verzicht auf Privatsphäre. Aber dank Couchsurfing taten sich mir Türen auf, die mir kein Hotel hätte öffnen können.
Malte Jäger: Couchsurfin’ the World. Edition Braus, 207 Seiten, ca. 40 Franken