Fashion
Caprihose: Das ist dran am Sommertrend
- Text: Leandra Nef
- Bild: Launchmetrics Spotlight; Collage: annabelle
Der Trend der Nullerjahre ist zurück: Caprihosen werden wieder auf Laufstegen und im Alltag gesichtet. Albtraum oder Sommerferientraum?
Capri, das ist eine italienische Kalksteininsel eine Fährstunde südlich von Napoli. Capris, das sind auch diese unsäglichen Leggins, die südlich der Knie nicht mehr allzu viel zu bieten haben.
Erstmals seit den Nullerjahren sind sie im Herbst an der Kopenhagener Fashion Week in unübersehbarer Geballtheit an Influencerinnen, Moderedaktorinnen und auf dem Laufsteg aufgefallen. Spätestens, seit sie es an die Schauen in Paris geschafft haben und sogar in Zürich gesichtet wurden, können wir es nicht mehr leugnen: Die Caprileggins sind zurück. Und ja, manche schliessen mit Spitzenborte ab.
«Es kommt selten gut, wenn die Mode halbe Sachen macht»
Dabei kommt es selten gut, wenn die Mode halbe Sachen macht: Als Gilets verklausulierte halbe Jacken entlarven die halbwegs verkrampften Zugehörigkeitsversuche der Finance Bros, als Bolerojäckchen beworbene halbe Cardigans das modische Halbwissen von Hochzeitsgästinnen.
Halbhohe Knöchelsocken in Turnschuhen demaskieren Millennials, deren Styling-Künste vor einer halben Dekade steckengeblieben sind, bauchfreie Croptops unvernünftige Halbwüchsige mit Verdacht auf chronische Blasenentzündung. Und Sonnenschilde mit ausgespartem Oberkopf Sommertouris, die das Konzept Hut nur so halb verstanden haben.
Im Gegensatz dazu kann die Caprihose – in Jacquemus’ Denim-Version etwa an Gigi Hadid, mit Leopardenprint an Nullerjahre-Ikone Alexa Chung gesehen –, man muss es einräumen, ganz schön viel. Die verdankt ihren Namen nicht nur der Mittelmeerinsel, sondern auch einer Dame, die definitiv keine halben Sachen macht: Die deutsche Modedesignerin Sonja de Lennart soll in den späten Vierzigerjahren am Strand von Capri entlanggeschlendert sein, als sie das Wasser um ihre Waden spüren wollte und ihre lange Hose kurzerhand entzweischnitt.
Die Geschichte scheint zwar nur halb der Wahrheit zu entsprechen, erfunden hat de Lennart die Caprihose, die später von Ikonen wie Audrey Hepburn und Marilyn Monroe getragen wurde, aber wahrhaftig – und sonnentrunken durch lauwarmes Salzwasser stapfen kann man damit allemal.
«Mein ganz persönlicher Albtraum wird zum italienischen Sommerferientraum»
Und die Vorstellung ist nun tatsächlich wohltuender als die Erinnerung an die zu Stilettos, Gürtel mit Schmetterlingsschnalle und Arschgeweih kombinierte Low-Waist-Capris der Nullerjahre. Alles gleich nur noch halb so schlimm.
Da verstehe ich sogar plötzlich die psychedelisch gemusterten Caprileggins in Donatellas und Dua Lipas gemeinsamer La-Vacanza-Kollektion für Versace – mein ganz persönlicher Albtraum wird zum italienischen Sommerferientraum.
Just nachdem diese Zeilen publiziert werden, befinde ich mich auf halbem Weg nach Italien, nicht via Napoli nach Capri zwar, aber immerhin nach Apulien. Und weil man sich in den Ferien, weit weg von allgegenwärtigen Argusaugen, ein paar Dutzend Gezeiten lang wunderbar neu erfinden kann – wer weiss: Vielleicht mach ich einfach mal halblang.