Stil
Brennnessel-Ravioli
- Redaktion: Anna Pearson; Fotos: Daniel Valance; Assistenz: Salome Schwitter; Models: Fiamma, Louis, Max
Ein kulinarisches Erlebnis, das nicht erst in der Küche beginnt: Unsere Brennnessel-Ravioli sind von der Butter bis zum Pastateig selber gemacht – ein Spass für Gross und Klein!
Kinder kochen gern, und sie interessieren sich auch dafür, wo ihr Essen herkommt. Deshalb haben wir einen kleinen Kochworkshop zusammengestellt, bei dem Gross und Klein auf ihre Kosten kommen. Das Erlebnis beginnt lang vor der Küche, auf dem Bauernhof und im Wald, wo die Zutaten für feine Ravioli zusammengesucht werden: Eier, Milch, Rahm, Brennnesseln. Vielleicht kann man dabei beim Melken zusehen oder ein Huhn auf den Arm nehmen?
Und dann werden in der Küche als Erstes all die Sachen zubereitet, die man normalerweise nicht selber macht: Butter, Frischkäse, Pastateig, Pesto. Als krönender Abschluss entsteht ein Gericht daraus, das nicht nur Kinder glücklich macht: Ravioli, hausgemacht von A bis Z! Das Kochprogramm ist im Baukastensystem gehalten, so können alle das machen, worauf sie Lust haben und wofür die Zeit reicht.
FRISCHKÄSE
Wann: spätestens 3 Tage vorher
Zuhause kann man ganz einfach wunderbaren Frischkäse zubereiten. Dazu eignet sich jede Milch: von Kuh, Schaf, Ziege, Büffel … Das benötigte Labpulver findet man in Apotheken oder Reformhäusern – eventuell muss es vorbestellt werden.
Für ca. 400 g Frischkäse
2 l Vollmilch
1 TL Joghurt nature
1⁄8 TL (0.05 g) Labpulver
Salz
Olivenöl
Tag 1, morgens:
In einer grossen Pfanne 2 l Milch auf 32 Grad erwärmen. Die Pfanne vom Herd nehmen, 1 TL Joghurt zur Milch und gut verrühren, so kommen die Milchsäurebakterien in die Milch. 1⁄8 TL Labpulver (dafür 1 TL achteln) in 1 l Wasser auflösen. 1.25 dl davon zur Milch geben und gut einrühren. Die Pfanne zugedeckt bei Zimmertemperatur 12 Stunden stehen lassen, in dieser Zeit dickt die Milch stichfest ein.
Tag 1, abends:
Die Masse (Gallerte) mit einem Messer senkrecht in ca. 3 cm grosse Quadrate schneiden. Nochmals 12 Stunden stehen lassen. In dieser Zeit tritt die Molke aus den Milchwürfeln aus.
Tag 2, morgens:
Eine Schüssel bereitstellen, ein Sieb daraufsetzen und dieses mit einem sauberen Küchentuch auslegen. Die Masse aus der Pfanne in das Sieb giessen und im Kühlschrank 12 Stunden abtropfen lassen.
Tag 2, abends:
Mit einem Gewicht beschwert, wird aus der Käsemasse während 12 Stunden der letzte Rest Molke ausgepresst. Dafür eine Ecke des Küchentuchs über den Käse legen und etwas wirklich Schweres darauflegen. Die abgetropfte Molke kann getrunken werden (siehe Tipp zur Buttermilch).
Tag 3, morgens:
Die Käsemasse aus dem Küchentuch in eine Schüssel geben und mit Salz abschmecken. Nach Lust und Laune können weitere Zutaten wie Pfeffer oder frische Kräuter daruntergemischt werden. Die Masse verrühren und zu zwei Käserollen formen. Den Käse in einen Behälter geben und mit Olivenöl bedecken. So konserviert, hält sich der Käse mehrere Wochen, ohne Einlegen in Öl bleibt der Käse etwa 5 Tage frisch.
BUTTER
Wann: bis zu 3 Tage vorher
Aus Versehen haben sicher schon viele Butter hergestellt – sie entsteht, wenn man Schlagrahm zu lange schlägt. Um Butter zu machen, benötigt man aber nicht einmal ein Handrührgerät: Es braucht nur Rahm, ein grosses Konfitürenglas und ein wenig Kraft in den Armen.
Für ca. 100 g
2.5 dl Vollrahm
Den Rahm in ein sauberes Konfitürenglas füllen und einige Minuten kräftig schütteln: Als Erstes bildet sich Schlagrahm, dann trennt sich dieser in Butterkörner und Buttermilch. Die Buttermilch in ein Glas abgiessen, die Buttermasse in ein mit einem sauberen Küchentuch ausgelegtes Sieb geben. Unter fliessendem kaltem Wasser die Buttermasse mit kalten Händen einige Minuten kneten, um möglichst viel Buttermilch herauszudrücken. Die fertige Buttermasse zu einer Rolle formen und in Backpapier einwickeln. Man kann die Butter auch mit fein gehackten Kräutern (Basilikum, Peterli, Schnittlauch) aromatisieren oder mit bunten essbaren Blütenblättern verzieren. Essen sollte man sie innert ein paar Tagen.
Tipp:
Aus der Buttermilch entsteht mit ein paar frischen Beeren und etwas Zucker oder Holunderblütensirup ein feiner Drink. Auch die Molke, die beim Frischkäse-Machen anfällt, kann man so verarbeiten.
PASTA FATTA IN CASA
Wann: bis zu 1 Tag vorher
Für Pastateig braucht es eine Mischung aus Hartweizengriess und Weissmehl; genau das findet man in Spätzlimehl. Für einen besonders feinen und schön gelben Pastateig nimmt man mehr Eigelb als Eiweiss – mit den übrig gebliebenen Eiweissen kann man feine Guetsli backen.
200 g Spätzlimehl
1 Ei; 2–3 Eigelb
Die Zutaten in der Küchenmaschine (oder von Hand) gut ve0rkneten. Das ist gar nicht so einfach, weil der Teig sehr trocken ist. Auch in der Maschine muss man vielleicht ab und zu mit den Händen nachhelfen, bis sich alles zu einem Teig zusammengefügt hat (wenn der Teig zu trocken ist, noch ein Eigelb oder teelöffelweise Wasser dazufügen). Am Schluss sollte man den Teig dann so oder so nochmals für ein paar Minuten von Hand richtig durchkneten. In Frischhaltefolie einwickeln und 1 Stunde bei Raumtemperatur ruhen lassen. Wenn er nicht gleich weiterverarbeitet wird, kann man den Teig auch 1 Tag lang im Kühlschrank aufbewahren. Aus dem fertigen Teig können nach unserem Rezept Ravioli zubereitet werden. Oder man macht einfach Teigwaren wie Tagliatelle, Fettuccine oder Pappardelle daraus. Dafür erst die Anweisungen im Ravioli-Rezept befolgen, dann die ausgewallten Teigbahnen halbieren, wie eine Roulade aufrollen und mit einem scharfen Messer zu Nudeln in der gewünschten Breite schneiden. Am besten sogleich in kochendem Salzwasser garen: Je nach Teigdicke dauert das nur etwa 2 Minuten.
BRENNNESSEL-PESTO
Wann: bis zu 1 Tag vorher
Wer sagt, dass ein Pesto immer mit Basilikum zubereitet werden muss? Es geht auch anders, nämlich mit frisch gepflückten Brennnesseln. Vorsicht: Wer nicht gepiekst werden will, trägt beim Ernten und Verarbeiten am besten Gummihandschuhe.
1–2 Handvoll junge (kleine) Brennnesselblätter
30 g Baumnüsse
35 g frisch geriebener Sbrinz
1–2 EL Olivenöl
Salz
Pfeffer
Die von den Stängeln gezupften Brennnesselblätter mit einem Messer grob hacken. Alle Zutaten im Mörser zu einem Pesto zerstampfen, mit Salz und Pfeffer abschmecken.Wenn der Pesto für die Raviolifüllung gebraucht wird, soll er recht trocken sein, 1 EL Olivenöl reicht. Wenn er als Sauce benutzt wird, kann man mehr Öl dazugeben, der Pesto soll dann eher flüssig sein. Natürlich kann man ihn auch im Cutter zubereiten, aber das ist schon fast ein bisschen langweilig.
BRENNNESSEL-RAVIOLI AN BRAUNER BUTTER
Wann: ca. 2 Stunden vor dem Essen beginnen
Selber Ravioli zu machen, ist weniger kompliziert, als man denkt. Und sie sind viel besser als gekaufte!
200 g Frischkäse
75 g Brennnesselpesto
Salz
1 Portion Pastateig
nach Belieben ein paar kleine Brennnesselblätter, um den Teig zu verzieren
Butter
Sbrinz am Stück
Für die Füllung den Frischkäse mit dem Pesto mischen, mit Salz abschmecken. In einen Spritzsack füllen.
Den Teig in 4 Stücke teilen, jedes Stück einzeln zu einer dünnen Bahn auswallen: Ist eine Pastamaschine vorhanden, den Teig portionenweise zunächst durch die grösste Öffnung treiben. Das Teigstück danach durch Stufe 3 drehen. Dann beide Enden der Teigbahn nach innen klappen, sodass der Teig gedrittelt wird und nun dreilagig ist. Dieses Stück längs durch die grösste Öffnung treiben und den vorherigen Vorgang drei- bis viermal wiederholen. Danach die Teigbahn stufenweise immer dünner auswallen, bis man die gewünschte Dicke, zum Beispiel die zweitletzte Stufe, erreicht hat (etwas dickerer Teig ist einfacher im Handling, dünner Teig ist delikater – im Handling und zum Essen). Ohne Pastamaschine wird der ganze Teig geduldig mit dem Wallholz sehr dünn ausgewallt und mit einem Messer in die gewünschte Form geschnitten. Wer besonders schöne Ravioli machen will, kann Brennnesselblätter in den Teig einarbeiten: Die Hälfte der dünn ausgewallten Teigbahn mit feinen Blättern belegen (den Stiel entfernen, damit es keine Löcher im Teig gibt), die andere Hälfte darüberklappen und festdrücken (die Blätter sind nun zwischen zwei Lagen Teig eingeschlossen). Dann wieder dünn auswallen.
Um die Ravioli herzustellen, jede Teigbahn auf eine mit Spätzlimehl bestreute Arbeitsfläche legen. Den Teig mit einem Teigrad in ca. 5 cm grosse Quadrate schneiden. Mit dem Spritzsack espressolöffelgrosse Portionen der Füllung in die Mitte der Teigstücke platzieren. Mit einem Pinsel vorzu ganz wenig Wasser auf die Teigränder pinseln. Zu dreieckigen Ravioli formen, die Ränder gut festdrücken. Fortgeschrittene können die dreieckigen Ravioli zu Tortellini weiterverarbeiten: Die obere Ecke sanft nach unten klappen und auf der anderen Seite die beiden anderen Ecken übereinanderlegen und gut zusammendrücken.
Die fertigen Ravioli auf ein mit einem Backpapier belegtes und mit Spätzlimehl bestreutes Blech legen, dann mit Spätzlimehl bestreuen. Bis zum (baldigen) Verwenden kühl stellen.
Für die braune Butter grosszügig Butter in einem Pfännchen schmelzen und unter Beobachtung köcheln, bis sich am Pfannenboden braune Pünktchen bilden. Die Pfanne vom Herd ziehen, damit sie nicht schwarz werden. Vor dem Servieren nochmals erhitzen.
Die Ravioli in siedendem Salzwasser al dente kochen (ca. 4 Minuten, je nach Dicke des Teigs). Auf Tellern verteilen, mit heisser brauner Butter übergiessen und mit frisch geriebenem Sbrinz bestreuen.
FOOD, FUN AND FACTS
Wieso, warum, weshalb? Kinder wollen es genau wissen, auch beim Kochen. Wir haben ein paar erstaunliche Antworten.
Eier
– Zerbrechlich wie ein rohes Ei? Von wegen! Schon mal versucht, ein Ei gleichmässig mit der Hand zu umfassen und zu zerdrücken? Wer das schafft, bekommt eine Omelette! (Das Ei muss intakt sein, und man darf keine Fingerringe tragen.) Seine gebogene Schale gilt als stabilste Form überhaupt, deshalb sind auch U-Boote und Tunnels oval gebaut: So können sie dem grossen Druck standhalten, der auf sie einwirkt.
– Wie findet man heraus, ob ein Ei roh ist oder gekocht? Wenn man ein rohes Ei auf einer glatten Fläche kreiseln lässt, dreht es sich nicht in schön gleichmässigen Bewegungen. Ein gekochtes Ei hingegen dreht sich perfekt um die eigene Achse – wenn man es schnell genug rotieren lässt, stellt es sich sogar auf die Spitze wie ein Stehaufkreisel!
– Wann ist ein rohes Ei nicht mehr frisch? Gibt man ein Ei in ein Glas Wasser und es sinkt zu Boden, ist es frisch – schwimmt es obenauf, ist es nicht mehr gut.
– Wie kann man ganz einfach Eigelb und Eiweiss trennen? Zuerst schlägt man alle Eier sorgfältig in eine Schüssel auf. Mit einer leeren PET-Flasche saugt man die Eigelbe einzeln auf und gibt sie in eine zweite Schüssel, voilà!
Butter
– Die gelbliche Farbe der Butter kommt vom Chlorophyll im Gras, das die Kühe fressen. Im Winter, wenn es kein frisches Gras gibt, wäre Butter deshalb fast weiss. Doch damit die Butter im Laden immer gleich aussieht, werden die Kühe in der industriellen Landwirtschaft im Winter einfach mit mit Farbstoffen angereichertem Kraftfutter gefüttert.
– Würde man Kühe mit ganz viel Rüebli füttern, könnte man eine gelbliche Milch melken.
Käse
– Wer selber schon Käse gemacht hat, weiss, dass dieser aus Milch hergestellt wird. Doch es geht auch anders: Sogenannter Analogkäse kann im Labor aus diversen Zutaten zusammengemischt werden, je nach Aroma- und Farbstoff gibt es dann eher ein Parmesan-, Emmentaler- oder Mozzarella-Imitat. Der Grund, warum das überhaupt gemacht wird, ist einfach: Es geht schneller und ist billiger.
– In der Schweiz werden über 450 verschiedene Käsesorten hergestellt – auf der ganzen Welt über 4000!
Brennnesseln
– Warum brennen Brennnesseln? Um sich gegen Fressfeinde zu schützen. Die Brennnessel hat viele feine Härchen, in denen sich eine Flüssigkeit befindet. Die darin enthaltene Ameisensäure brennt einen, sobald die Spitzen der Brennhaare abbrechen – was bei der kleinsten Berührung passiert. Fast alle Tiere gehen der Brennnessel darum aus dem Weg – nur Raupen scheint die Pflanze nichts anhaben zu können. Manche Schmetterlinge legen ihre Eier sogar direkt auf die Brennnesselblatt-Unterseite: Wenn die kleinen Raupen schlüpfen, wohnen sie einerseits direkt im Fressparadies, andererseits sind sie auch perfekt gegen Feinde geschützt, weil diese ja die Finger von Brennnesseln lassen.
– Gewusst wie: Mutige versuchen, Brennnesseln ohne Handschuhe zu pflücken. Wenn man sie von unten her nach oben anfasst, also in Laufrichtung der Brennhaare, brechen diese nicht, und es sollte nicht brennen. Wir übernehmen aber keine Verantwortung, falls es nicht ganz klappt.
1.
Fiamma, Louis und Max (v. l.) zu Besuch beim Federvieh: Seine Eier machen den Pastateig schön gelb
2.
Butter selber machen? Ein Kinderspiel
3.
Blick in die Hauskäserei
4.
Dekorative Brennnesselblättchen im Pastateig
5.
Vorsicht, Brandgefahr: Mise en place für den Brennnessel-Pesto
6.
Das Happy End des Ravioli-Abenteuers