Im Big Apple herrscht Eiszeit zwischen Labels und Bloggern. Fashion-Expertin Macala Wright Lee kennt die Gründe.
Bereits vor ein paar Jahren schrieb ich darüber, wie Brands erfolgreich Beziehungen zu Bloggern aufbauen können. Und ich muss sagen, die Beziehung hat sich in letzter Zeit sehr verändert. Sie ist an einem kritischen Punkt angelangt. Brands und Designer scheinen der Blogger überdrüssig, während Blogger der Brands überdrüssig zu sein scheinen. Was ist passiert? In unserer Branche herrscht grosse Uneinigkeit darüber, welche Rolle Blogger überhaupt spielen sollen. Meistdiskutierter Aspekt: Dürfen sich solche «Hobby-Journalisten» überhaupt Journalisten nennen? Und wenn ja, sind sie einflussreicher als die traditionellen Journalisten und Medienformate?
Die Antwort darauf ist Jein, denn wir vergleichen hier Äpfel mit Birnen – Blogger und Journalisten sind zwar verwandt, aber doch zwei eigenständige Typen von Berichterstattern. Journalisten wie Cathy Horyn («New York Times») und Jessica Michault (Online- Magazin «Nowfashion») spielen in ihrer eigenen Liga, und es würde mir nie in den Sinn kommen, sie mit einem Blogger zu vergleichen. Lange bevor Blogger zu einem Phänomen wurden, waren sie schon die Musen unzähliger Redaktoren, und das werden sie auch dann noch sein, wenn Condé-Nast, Hearst und Fairchild die Blogger-Elite aufgesogen und sie nach Gutdünken in «Elle», «Glamour» oder sonstwo platziert haben.
Dann gibts aber auch Modejournalistinnen wie mich, Lauren Idvik (Mashable), Amalia Agathou (The Next Web) und Rachel Strugatz («Women’s Wear Daily»). Mit Ausnahme von Rachel, deren Artikel in «WWD» abgedruckt werden, wird unsere Arbeit in und für ein digitales Umfeld kreiert. In diesem Umfeld fühlen wir uns pudelwohl. Und wir haben in gewissen Kreisen und in spezifischen Nischen Einfluss. Natürlich werden Horyn und Michault nicht von den exakt gleichen Kreisen wie wir gelesen, aber es gibt Überschneidungen. Allerdings wirken wir auf unterschiedliche Art und Weise auf unsere gemeinsame Leserschaft ein. Ausserdem erreichen wir digitalen Journalistinnen und Journalisten ein Publikum, das sich ausserhalb des Einflussbereichs der traditionellen Journalisten befindet. Sollte uns also das gleiche Wohlwollen entgegengebracht werden wie den etabliertesten Journalisten? Zweifelsohne.
Blogger sind weder berühmte Redaktoren noch Hollywoodstars, aber durch sie hat Berühmtheit eine neue Definition bekommen. Blogger geben viel von sich preis und binden so ihre Leserschaft, die ihre Artikel aufmerksam liest und kommentiert, nachhaltig an sich. Und so wird man dann irgendwie – berühmt. Warum sonst würden sich alle von Labels wie Dolce & Gabbana bis zu Coach, von der Onlineshopping-Site Net-a-porter bis zum «Foam Magazine», von der Modemesse Pitti Umo bis zur Magic Trade Show für Editorials, Shootings und Kooperationen um sie reissen?
Die Mikroberühmtheit der Blogger hilft, Marken über Online-Kanäle zu stärken, und die besten unter ihnen generieren für Firmen dabei einen beträchtlichen Mehrumsatz (American Apparel verdankt ihnen 25 Prozent des Umsatzes). Blogger sind der Grund dafür, dass Modemarken ausgeklügelte Marketingprogramme lancieren, Medienfirmen Blogger-Netzwerke ins Leben rufen (Glamour, Teen Vogue, Vogue) und Agenturen wie Halogen sich darauf konzentrieren, meinungsbildende Netzwerke aufzubauen.
Dafür, dass es um die Beziehung zwischen Bloggern und Brands schlecht bestellt ist, gibt es einige Gründe, hier mal die wichtigsten. Die Brands haben versucht, ihr übliches Marketinginstrumentarium 1:1 auf die digitalen Medien zu übertragen. Was zeigt, dass viele von ihnen die Bedeutung des Begriffs social gar nicht verstanden haben. Entsprechend unauthentisch wirkt ihre Kommunikation via Social Media. Die Entscheidung, dass sich die PR-Abteilung um die Social Media kümmern sollte, war insofern fatal, als die meisten PR-Abteilungen oder Social-Media-Agenturen Blogger bloss als kurzfristigen PR-Push für ihre Kunden oder ihre Marke ansehen.
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Ein wenig PR-Lärm zu machen, ist aber nicht das Gleiche, wie wenn man das Zielpublikum nachhaltig für eine Marke zu begeistern sucht, indem man sie mit der Marke interagieren lässt. Blogger werden oft von PR-Verantwortlichen zu Anlässen eingeladen, mit Werbegeschenken und einem drittklassigen Platz an einem Event oder einer Fashionshow versorgt, dafür wird dann ein Bericht erwartet, wie toll alles war. Das ist nicht nur unrealistisch, sondern auch unverschämt.
Ein weiterer Grund für die aktuelle Disharmonie zwischen Brands und Bloggern: Marken, Unternehmen und Magazine haben sich zunehmend einfallslos gezeigt, wenn es um den Blogger oder die Bloggerin ihrer Wahl ging. Statt junger Talente kommen immer und immer wieder die gleichen Namen zum Zug, die bereits 2007 ins Licht der breiten Öffentlichkeit rückten – die Pioniere Susie Bubble, Bryan Boy, Jane Aldridge, Rumi Neely und The Sartorialist. Sie waren so schnell so populär, dass jeder mit ihnen zusammenarbeiten wollte – schliesslich waren sie die It-Blogger, und eine Kooperation mit ihnen schien zu jeder Zeit eine sichere, gewinnversprechende Sache.
Nehmen wir aber das Beispiel von Susie Bubble und dem US-Label Gap – Avantgarde meets preppy: Ich bin bestimmt nicht die Einzige, für die eine solche Zusammenarbeit wenig überzeugend scheint. Aber die Branche wird nicht müde, nach wie vor den meistgelesenen Bloggern nachzujagen, unabhängig davon, ob die Chemie stimmt. Das ist zwar toll für meine Kollegen, die meinen ganzen Respekt haben. Aber das macht es unheimlich schwer für all die anderen begabten, aber noch nicht so bekannten Blogger, den Durchbruch zu schaffen. Dieses Verhalten der Lifestyle-Unternehmen hat bei den Bloggern zu zwei unschönen Entwicklungengeführt, die in eine noch unschönere dritte münden. Die Erste: Die Mehrheit der Blogger kann von ihrer Arbeit nicht leben. Für Kreative ist es eine Herausforderung, die Geschäftsbeziehung zu einer an ihnen interessierten Marke oder Agentur aktiv zu gestalten.
Zuerst mag es schlicht aufregend sein, wahrgenommen zu werden – davon träumt schliesslich jeder noch unbekannte Blogger, das Honorar ist zweitrangig. Hat der Blog dann aber einen gewissen Bekanntheitsgrad und damit eine Wertsteigerung für den Brand erreicht, ändert sich eines nicht: Der Auftraggeber zahlt immer noch nichts oder fast nichts für die geleistete Arbeit oder offeriert als Gegenleistung Produkte. Mit Produkten und Prestige können sich die Blogger aber weder jene modischen Outfits leisten, die sie im Internet so akribisch zusammenstellen, noch können sie damit die Rechnungen zahlen, damit in ihren winzigen Wohnungen in Downtown New York nicht die Lichter ausgehen.
Andererseits gibt es die etablierten Blogger, die allein für ihre öffentlichen Auftritte Gagen wie Hollywoodstars und vereinzelt Tagessätze von 3500 bis 5000 Franken verlangen (die Spitzenverdiener sogar deutlich mehr), dazu die Unterbringung in Fünfsternehotels und Businessclass-Flüge. Nur sind Blogger keine Hollywoodstars, keine Keira Knightly, auch keine Kim Kardashian und nicht mal eine Snooki aus «Jersey Shore». Blogger sind Social-Media-Persönlichkeiten innerhalb der Mode-, Lifestyle- und Beautywelt, und als Persönlichkeit in dieser Welt haben sie einen Wert. Und das Honorar für einen Auftritt sollte diesem Wert entsprechen, mit dem der Blogger oder die Bloggerin das Image des Geschäftspartners aufwertet. Aber wie lässt sich dieser Wert denn nun bestimmen? Indem man eine Kombination analytischer Softwareprogramme zu Hilfe nehme, sein Social-Media-Profil verwalte, Wert auf inhaltliche Qualität seiner Beiträge lege, die Verwendung und Bewertung seiner Inhalte (nicht Klicks, nicht den Traffic) im Netz verfolge, und natürlich brauchts auch ein wenig vom guten alten Instinkt, um seinen Selbstwert zu bestimmen.
Als Social-Media-Persönlichkeit und Vermarkter stelle ich sicher, dass ich für gute Arbeit auch entsprechend bezahlt werde, und indem ich meinen Job mit Herz und Seele mache, sorge ich dafür, dass der Kunde oder der Brand wieder mit mir arbeiten will. Ich verlange keine astronomischen Summen, aber ich möchte eine hinreichende Kompensation für meine Leistung, für deren Qualität ich mittlerweile über ausreichende Referenzen verfüge. Aber das meiner Meinung nach grösste Übel, das die Beziehung zwischen Modeindustrie und Bloggern belastet, sind die Blogger-Agenten. Bloggern wurde der Floh ins Ohr gesetzt, dass sie repräsentiert werden müssten, und von da an wurden sie von Blogger-Talent-Agenturen in der Manier drittklassiger Hollywoodagenten umworben.
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Schauen wir der Wahrheit ins Auge – Prominente brauchen einen Agenten, Buchautoren auch, Profisportler sowieso – aber nicht Blogger. Ich musste schon auf vielversprechende Kooperationen mit gewissen Bloggern verzichten, weil ich für zwei bis drei Tage schlicht nicht 10 000 Franken Honorar zahlen konnte. Die Summen sind derart hoch, weil die Agenturen noch 12 bis 25 Prozent auf den Deal schlagen – gewisse verlangen zur prozentualen Beteiligung sogar noch fixe Monatspauschalen.
Liebe Blogger, leider werdet ihr nie erfahren, was für tolle Projekte euch entgangen sind – nur weil euer Agent in seinem und nicht in eurem Interesse gehandelt hat. Das Verhältnis zwischen Preis und Leistung muss für meine Kunden nachvollziehbar sein – vielleicht solltet ihr euch noch mal überlegen, ob ihr wirklich einen Agenten braucht. Das ist mein erster Tipp, und hier noch drei weitere für alle Blogger, die das, was sie tun, ernst nehmen:
1. Setzt euch Ziele. Was ist das Ziel eures Blogs? Möchtet ihr davon leben können? Soll daraus eine Vollzeitbeschäftigung werden? Oder versteht ihr euren Blog als Online-Marketinginstrument, um zu eurem Traumjob bei einer bestimmten Marke zu kommen? Überlegt es euch gut – es ist nie zu spät, eine Standortbestimmung zu machen und zielführende Strategien zu entwickeln.
2. Arbeitet mit Marken zusammen, die zu euch und euren Zielen passen. Wenn ihr euch auf einem speziellen Gebiet oder in einer bestimmten Nische etablieren wollt, dann sucht euch Marken und Unternehmen, die euch dieses Gebiet oder die Nische öffnen (wer für ein Low-Budget- Fashion-Portal arbeitet, kann nicht erwarten, bei DKNY oder Chanel zu landen). Vor allem aber: Sucht euch etwas aus, das euch sicher in den nächsten drei bis fünf Jahren Spass machen wird, das ist die beste Voraussetzung für Erfolg.
3. Macht euch fit fürs Business. Viel mehr als einen Agenten oder Publizisten brauchen Blogger einen Anwalt (ein paar Stunden Rechtsbeistand zum Thema Verträge erspart euch später eine Menge Kopfzerbrechen). Wenn ihr Geld investieren wollt, investiert es in Dinge, die euch dabei helfen, ein zusätzliches Einkommen zu erzielen, das eines Tages euer hauptsächliches Business werden kann. Stellt ein Mediakit mit Werbeunterlagen zusammen, tretet Independent Fashion Bloggers bei, macht euch vertraut mit der Vermarktung eures Blogs im Internet, seid Teil möglichst vieler, guter Netzwerke und tut alles, was euch irgendwie von Nutzen sein könnte. Ich verspreche euch, dass ihr euch ganz allein eure eigene Marke aufbauen könnt – ohne Agenten. Und wenn ihr mir nicht glaubt, dann lest bitte Yuli Zivs neues Buch «Blogging Your Way to the Front Row» (Wie man sich in die erste Reihe bloggt).
Macala Wright Lee ist Gründerin der Onlinesite Fashionablymarketing.me. Sie ist Autorin sowie Business- und Marketingberaterin im Mode- und Lifestylebereich. Artikel von ihr sind unter anderem in der «New York Times» und im Branchenblatt «Women’s Wear Daily» erschienen. — Übersetzung aus dem Amerikanischen: Rosmarie Muster
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