Blass vor Vernunft
- Text: Olivia Goricanec; Foto: Unsplash
Früher gab es im Sommer für die Beautyredaktorin Olivia Goricanec ein grosses Ziel: braun werden. Heute weiss sie aber, wie schädlich starke Bräune für die Haut ist.
An der Sonne werde ich relativ schnell braun. Und diesen Umstand genoss ich früher in vollen Zügen. Es galt: Je brauner, desto glücklicher. Fettpölsterchen und unschöne Cellulite-Vorboten schienen wie verschwunden, mein Körper fühlte sich weicher, sinnlicher an und ich mich wohler darin. Während der Sommerferien verbrachte ich als Teenager Tage an der prallen Sonne, am besten eingeölt in Hawaiian-Tropic-Bräunungsöl SPF 6 (wenns hoch kam!). Für Mittagspausen im Schatten hatte ich selten etwas übrig, da konnten auch die mahnenden Worte meiner Mutter nichts daran ändern. Je stärker der Bikini-Abdruck auf meinem Körper sichtbar war, umso zufriedener war mein damaliges, naives Ich.
Als Beauty-Redaktorin wurde ich dann aber durch die jährlichen Neu-Lancierungen von Sonnenpflegeprodukten und die mahnenden Worte der Ärzte sensibilisiert. Ich fing an, mich intensiv mit dem Thema auseinanderzusetzen, sprach mit Dermatologen, las Studien und lernte vieles über die Folgen von Sonnenschäden (Hautkrebs und vorzeitige Hautalterung). Nach und nach veränderte sich mein Verhältnis zum glühenden Stern. Ich musste mir eingestehen, dass – obwohl ich mich gut gebräunt besser fühle – es leider keine gesunde Bräune gibt. Die Bräunung unserer Haut ist ihr Schutzmechanismus und sozusagen ein Hilferuf. Mit dem Pigment Melanin als «Schutzkappe» versuchen sich unsere Hautzellen vor den schädlichen UV-Strahlen zu schützen. Dass sich dieses Pigment überhaupt bildet, hat nichts anderes zu bedeuten als: Dein Körper hatte bereits zu viel Sonne.
Inzwischen gehe ich regelmässig zur Dermatologin, lasse meine Muttermale kontrollieren, trage täglich Sonnenschutz und hoffe, für meine Sünden der Vergangenheit nicht bestraft zu werden. Jetzt muss ich mich nur noch mit meiner ganzjährigen Blässe anfreunden.