Der blühende Markt mit gefälschten Designermöbeln
- Interview: Stephanie Hess; Foto: Joan Minder
Alle lieben Eames-Stühle und Corbusier-Liegen – doch ihr Preis lässt viele zur günstigen Kopie greifen. Markenanwalt Sven Capol über die Grenzen der Legalität und den Ärger der Branche mit Fälschungen.
annabelle: Sven Capol, ich gebs ehrlich zu: In meinem Besitz befindet sich eine Kopie des Adjustable Table von Eileen Gray. Habe ich mich mit diesem Kauf strafbar gemacht?
Sven Capol: Nein. Aber Sie befinden sich in einer rechtlichen Grauzone.
Inwiefern?
Bei diesem Tisch handelt es sich um eine Design-Ikone, die urheberrechtlich geschützt ist. Wenn Sie ihn nur zuhause aufstellen, ist das unproblematisch. Wenn Sie ihn aber zum Beispiel als Ärztin in Ihrem Wartezimmer platzieren und damit gewerblich nutzen, begehen Sie eine Urheberrechtsverletzung. Ebenso, wenn Sie ihn weiterverkaufen.
Beispielsweise über Versteigerungs- oder Tauschplattformen im Internet?
Typischerweise finden wir dort viele solche Angebote von Privaten, ja. Aber auch professionelle Fälschungshersteller bieten ihre Produkte gern auf solchen Plattformen an.
Wie geht man dagegen vor?
Das hängt vom Rechteinhaber ab. Also von jenen Firmen, die die Urheberrechte an den Designmöbeln durch einen Lizenzvertrag nutzen. Es gibt solche, die aggressiv vorgehen, Klagen androhen und auch einreichen. Andere verwarnen nur – und hoffen auf die abschreckende Wirkung. Und wieder andere tun gar nichts. Bei Versteigerungs- und Tauschplattformen besteht überdies vielfach die Möglichkeit, rechtsverletzende Angebote zu melden. Diese Angebote werden dann gelöscht.
Ab wann ist denn ein Möbel eine Fälschung?
Dann, wenn es unter Markenschutz, Designschutz oder Urheberrechtsschutz steht und ohne die Bewilligung des Rechteinhabers hergestellt wurde. Fälscher benutzen für die Verschleierung oft Wörter wie Kopie, Replika oder Replikat.
Neben Tausch- und Versteigerungsplattformen gibt es viele Onlineshops, die Möbelfälschungen anbieten. Und es macht den Anschein, als würden es immer mehr.
Mit dem Internet hat das Angebot an Fälschungen in der Tat zugenommen. Momentan sind die Designklassiker überdies wieder en vogue. Da blüht natürlich auch der Markt mit den Plagiaten.
Kann man sich als Originalhersteller gegen solche Onlineshops wehren?
Nur schwierig. Die Anbieter befinden sich meist im Ausland und sind nicht einfach zu belangen, da man ihren Standort kaum eruieren kann. Momentan geben viele Anbieter eine Adresse in Grossbritannien an, weil dort die Rechtsverfolgung bei Urheberrechtsverletzungen schwierig ist. Allerdings ist hier ein Umbruch im Gange, da das britische Gesetz geändert und den EU-Vorgaben angepasst wurde. Hergestellt werden die Fälschungen aber vor allem in China, Taiwan oder allgemein in Asien. Von dort aus werden sie auch geliefert.
Möbelfirmen können also kaum etwas gegen Fälscher unternehmen?
Doch. Es besteht die Möglichkeit, bei der Eidgenössischen Zollverwaltung einen Antrag auf Hilfeleistung zu stellen, sofern die Stücke unter eines der Schutzrechte fallen. Denn Fälschungen werden ja typischerweise im Ausland bestellt und in die Schweiz geliefert. Wenn der Zoll ein gefälschtes Möbelstück entdeckt, wird der Antragsteller informiert. Dieser kann beantragen, dass die Fälschung beschlagnahmt und vernichtet wird. Für den Besteller hat das keine weiteren Folgen, er muss keine Busse bezahlen. Nur das Geld ist halt weg, das er für das Möbel bereits bezahlt hat.
Wie kann man denn als Konsumentin erkennen, ob ein Möbel gefälscht wurde?
Bekannte Möbelklassiker wie die von Charles und Ray Eames, Le Corbusier oder Eileen Gray verfügen typischerweise über Urheberschutz. Neue Möbelentwürfe werden vielfach als Design geschützt. UrheberBoder designrechtlich geschützte Möbel sind meist über eine Prägung oder Etikette erkennbar, die auf die Rechteinhaber hinweist. Ausserdem sind sie oft mit einer individuellen Produktionsnummer versehen und werden mit einem Zertifikat verkauft.
Möbelfirmen verlangen teilweise hohe Preise für ihre Klassiker. Da stellt man sich zuweilen schon die Frage: Warum soll ich keine preiswerte Kopie kaufen, gerade auch, wenn ich das Möbelstück nicht bis an mein Lebensende behalten will?
Man muss sehen, dass solche Möbel sehr aufwendig gefertigt sind. Sie müssen diverse kostspielige Vorgaben des Urhebers einhalten und bestehen aus qualitativ hochstehenden Materialien. Schliesslich müssen für jedes originale Möbel Lizenzgebühren an den Urheber oder die Urheberin bezahlt werden. So entstehen weit höhere Produktionskosten, als wenn man die Möbel in China von Wanderarbeitern zusammenbauen lässt – aber auch eine weit höhere Qualität.
Die Margen bei Möbelklassikern sind also nicht überragend hoch?
Nein. Im Möbelhandel sind hohe Margen grundsätzlich schwierig zu erzielen. Da sind die Lizenzgebühren, die ganzen Produktionsauflagen und die hohen Qualitätsanforderungen. Da wachsen die Gewinne nicht in den Himmel. Zudem muss man auch berücksichtigen, dass Möbelhersteller wie Vitra, Cassina oder Classicon junge Designer fördern. Sie bringen deren Entwürfe zur Produktionsreife, tragen dabei aber auch die Kosten und das kommerzielle Risiko. Demgegenüber legen Fälscher nur bereits erfolgreiche Möbel auf und profitieren ohne eigene Leistung.
Das Problem liegt wohl auch darin, dass man als Konsument Möbel als Gebrauchsgegenstände betrachtet – nicht als Kunstwerke.
Sie sprechen ein Problem an, das die angewandte Kunst generell hat. Bei Bildern und Musik wird sofort von einer schöpferischen Leistung ausgegangen. Sobald es aber um kreative Entwürfe von Möbeln und anderen alltäglichen Gebrauchsgegenständen geht, haben die Leute Mühe, die schöpferische Leistung zu sehen. Und so geht es nicht nur dem Konsumenten. Auch vor Gericht ist es unheimlich schwierig, für die wegweisende Gestaltung von Gebrauchsgegenständen Urheberschutz zu erhalten. Dabei haben diese Designer unser Leben um so viel einfacher gemacht – und auch schöner. Und man darf auch nicht vergessen: Ein Kunstwerk muss man immer zum Zeitpunkt seiner Schöpfung beurteilen.
Wie meinen Sie das?
Möbelklassiker stechen heute oft nicht mehr besonders hervor, da spätere Möbelentwürfe häufig an sie angelehnt wurden. Aber wenn man sie zum Zeitpunkt ihrer Erschaffung betrachtet, bedeuten sie eine grosse schöpferische Leistung. So hat Eileen Gray den besagten Beistelltisch 1927 erschaffen. Damals besassen die Leute noch gepolsterte Holzsessel und Holztische mit gedrechselten Beinen, und dann kommt eine, die aus Stahlrohr und Glas ein völlig neues, unverwechselbares Tischchen macht. Auf solche Schöpfungen bezieht sich noch heute die ganze Möbelbranche.
Der Zürcher Rechtsanwalt Sven Capol ist spezialisiert auf Patent- und Markenrecht
1.
Original?
2.
Oder Fälschung?
3.
Die Wahrheit liegt auch beim berühmten Beistelltisch von Eileen Gray im Detail und offenbart den Qualitätsunterschied