annabelle-Beauty-Bloggerin Katrin Roth über das (nicht mehr ganz) aussichtslose Unterfangen, Kosmetik an den Mann zu bringen.
David Beckham war es, der mit Strähnchenfrisur, gezupften Brauen und lackierten Nägeln zu Beginn des Jahrtausends die Rollenklischees ins Wanken und die Kosmetikindustrie zum Jubeln brachte: Passend zum neuen Schönheitsideal und vor allem in der Hoffnung auf klingelnde Kassen wurden diverse Produkte entwickelt, mit denen sich die trendbewussten Anhänger des metrosexuellen Lebensstils pflegen konnten. Und eventuell auf alle anderen Männer inspirierend wirken.
Leider blieb der Mann an meiner Seite völlig unbeeindruckt von diesem Hype – obwohl oder vielleicht gerade weil ich ihn zum Gebrauch von Pflegeprodukten für Männer unbedingt bekehren wollte, mit dem langfristigen Ziel, ihn als Versuchskaninchen für meinen Beauty-Blog einzuspannen. Aber statt zu kooperieren, konterte er sämtliche Überzeugungsversuche mit einem beleidigten «Wieso, gefalle ich dir etwa nicht mehr?» und blieb stur bei seinem Kosmetikboykott.
Bis zu jenem denkwürdigen Tag, als ich ihm ein Muster einer neuen Männerlinie brachte, von der die nette Verkäuferin wörtlich sagte: «Alle Männer sind verrückt danach.» Auch meiner, wie sich zeigen sollte. Wider Erwarten landete das Produkt nicht wie üblich unangetastet im Abfalleimer, sondern auf der Haut – mit einem überraschenden Ergebnis: einem begeisterten Mann.
Fünf Jahre sind seither vergangen, in denen der Liebste sein Pflegearsenal erweitert hat um Reinigung, Toner, Moisturizer, Peeling, Augencrème sowie – echt wahr! – eine BB Cream. Zusammen mit einer stattlichen Parfumsammlung ergibt das ein Beauty-Inventar im Gegenwert von gut und gern drei Louboutin-Heels. Oder anders gesagt: Der einst militante Kosmetikabstinenzler ist zum Vorzeigekonsumenten der Beauty-Industrie geworden. Damit gehört er zu den Männern, die in einer kleinen im Freundeskreis durchgeführten Umfrage zu kosmetischen Vorlieben die Mehrheit bilden. Nur einer gab an, ohne Pflegeprodukte auszukommen, weil er eine Verschwörung der Kosmetikbranche vermutet («Da wird doch nur die Haut abhängig gemacht!»). Alle anderen bekannten sich zum täglichen Gebrauch einer Tagescrème, sechs der Befragten verwenden eine Augenpflege, zwei wissen aus eigener Erfahrung, was ein Facial ist, und einer gönnt sich regelmässig eine Manicure inklusive transparenten Nagellacks.
Insgesamt eine beeindruckende Bilanz, finde ich, auch wenn man gerechterweise hinzufügen muss, dass die meisten meiner Gesprächspartner zuvor als Testpersonen für den Blog tätig waren und entsprechend eine Affinität zum Thema haben. Das dürfte die Aussagekraft dieser Mini-Studie etwas schwächen.
Zumal wir uns da auch nichts vormachen sollten: Die Mehrheit der Herren in diesem Land sind nach wie vor absolute Pflegeminimalisten, die sich, wenn überhaupt, höchstens an den Tiegeln ihrer Herzensdame bedienen. So wie der Mann einer Freundin, der seine rauen Ellbogen mit ihrer sündteuren Augencrème pflegte, weil er sich aus der Überfülle an für ihn unterschiedslosen Tuben und Töpfen im Badezimmerschrank einfach das erstbeste Produkt griff. Damit ist er ein repräsentatives Beispiel für die meisten seiner Geschlechtsgenossen, die ihre Beauty-Routine gern so gestalten, wie sie es auch sonst im Leben am liebsten mögen: schnell und unkompliziert. Ob das der Grund ist, warum sich die Männerwelt in Sachen Kosmetik immer noch erstaunlich zurückhaltend gibt, weiss niemand. Möglicherweise sehen die Männer auch schlicht keinen nachhaltigen oder präventiven Handlungsbedarf und müssen darum in Notfällen auf die Pflegeartikel ihrer weiblichen Mitbewohner zurückgreifen.
Insofern darf ich mich glücklich schätzen mit einem Mann an der Seite, der die Finger von meinen Produkten lässt, weil er selbst bestens ausgerüstet ist und sich ganz nebenbei zu einem Beauty-Profi entwickelt hat, dem Fachbegriffe wie Glow oder Hyaluronsäure nicht nur fehlerfrei, sondern auch im richtigen Kontext über die Lippen kommen. Dass er in seiner Begeisterung gern mal über das Ziel hinausschiesst («Diese neue Anti-Aging-Linie wäre doch was für dich!»), vermag mich zuweilen noch etwas zu irritieren. Aber bisher hat er meine Frage «Wieso, gefalle ich dir etwa nicht mehr?» noch jedes Mal befriedigend beantworten können.