«Auf Leder zu verzichten, ist nicht die Lösung»
- Interview: Annik Hosmann, Foto: Maurice K. Grünig
Sie haben geschafft, was vor ihnen noch kaum einer gemacht hat: Nina Kunkel, Anna Vetsch und Janine Wirth (zweites Foto, von links) produzieren unter dem Schweizer Label Fin Ledertaschen, deren Wertschöpfungskette bis zum Tier rückverfolgbar ist. Von der Rindshaut aus Schweizer Mutterkuh-Haltung mit Bio-Suisse-Zertifizierung über eine vegetabile Gerbung im italienischen Ledermekka Santa Croce bis zur Verarbeitung in einem Familienbetrieb in Florenz.
annabelle: Weshalb haben Sie sich gerade mit der Lederproduktion auseinandergesetzt?
Anna Vetsch: Ich bin Nachhaltigkeitsmanagerin und habe deshalb schon viele Gerbereien weltweit gesehen. Wir wollten herausfinden, ob sich die Wertschöpfungskette ändern und transparent machen lässt.
Wieso gibt es ein grosses Bewusstsein für die Herkunft von Fleisch, nicht aber für die Herkunft von Leder?
Anna Vetsch: Es ist extrem schwierig, die Herkunft von Leder nachzuverfolgen. Das Problem ist, dass man in der Modeindustrie beim Design beginnt. Nachgefragt wird eine bestimmte Lederqualität, also eine bestimmte Dicke und ein bestimmtes Gewicht der Haut. Woher diese stammt, ist den Gerbern wie auch den Brands meistens egal. Und die Konsumenten beginnen sich erst langsam dafür zu interessieren.
Nina Kunkel: Die Lederindustrie ist eine hochkomplexe Industrie. Bisher ist es so, dass selbst italienische Gerbereien, die Topqualität garantieren, Rohhäute aus der ganzen Welt kaufen. Bereits in den Gerbereien wird die Herkunft der Häute nicht mehr deklariert, zudem kaufen Gerbereien nicht selten von Zwischenhändlern, ohne Auskunft über die Herkunft der Häute zu verlangen. Entscheidend sind allein die Qualität, die Dicke und das Gewicht.
Heute wird vor allem mit Chrom gegerbt, doch diese Methode ist problematisch. An wem wäre es, Impulse für chromfreie Alternativen zu geben?
Nina Kunkel: An den Brands, die Lederwaren verkaufen. Solange Brands und deren Kundschaft die Chromgerbung nicht kritisch hinterfragen, wird sich auch nichts ändern. Die Gerber produzieren das, was nachgefragt wird.
Sie haben bei Ihrer Recherche auch italienische Gerber mit Ihrem Vorhaben konfrontiert. Wie war die Reaktion?
Anna Vetsch: Wir sind zu Beginn unseres Projekts eigentlich rückwärts entlang der Produktionskette von Leder gereist, um die Prozesse und Mechanismen zu verstehen. Im italienischen Arzignano, wo viel mit Chrom gegerbt wird, hat unser Vorhaben zwar überrascht, aber die Gerber waren gleichzeitig schnell davon überzeugt, dass transparente Wertschöpfungsketten die Zukunft der Lederindustrie sind.
Kaufen Sie selbst noch Lederprodukte?
Nina Kunkel: Ja, unsere eigenen. (lacht) Oder secondhand, insbesondere Schuhe.
Anna Vetsch: Kein Kunstleder und keine Alternative ersetzen den edlen Charakter von Leder. Für mich ist es das schönste Material, das es gibt. Auf Leder zu verzichten, ist meiner Meinung nach nicht die Lösung. Man muss die Produktion von Leder neu denken.
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Nina Kunkel, Anna Vetsch und Janine Wirth (von links)