Anne Valérie Hash: Ein Besuch im Atelier der Pariser Designerin
- Text: Stefanie Rigutto; Fotos: Sune Czajkowski, Imaxtree.com
Sie möge keine sexy Frauen. Sinnliche aber schon! Wie Designerin Anne Valérie Hash ihre Wunschkundin, ihr Label und die neue Härte im Modebusiness sieht.
Ein unscheinbares Haus am Boulevard de Bonne Nouvelle. Eingerüstet, nichts Pompöses, mit einem eher stillosen Restaunt davor und einer fast schäbigen Eingangstür. In der Wohnung stehen überall Kleiderständer. Es ist still. Ich schaue in eines der Büros. Vier Frauen diskutieren leise, über einen Tisch gebeugt. Alle sind schwarz gekleidet. Ich will gerade sagen: «Bonjour, ich suche Anne Valérie Hash» – da blickt eine von ihnen auf und begrüsst mich. Voilà, Anne Valérie Hash. In Frankreich ist AVH ein Begriff. Einer, den man mit Respekt ausspricht. Seit zwölf Jahren bringt die 42-Jährige jede Saison eine Kollektion auf den Markt, dazu Precollections, schlägt sich als kleines unabhängiges Label in Paris durch – etwas, das nur wenigen gelingt. Sie ist eine atypische Figur im Modezirkus, Trends interessieren sie nicht, ihren Stil zieht sie mit einer Konsequenz durch, die Karl Lagerfeld wohl als Sturheit bezeichnen würde.
AVH ist eine kleine Person mit schönen weiblichen Formen. Sie hat eine markant geschwungene Nase und rosa Wangen. Lachfalten umspielen ihre Augen. Sie trägt einen Overall aus ihrer Kollektion. Overalls sind ihr Markenzeichen. «Ich fühle mich frei und gut in einem Overall. Er ist wie ein Pyjama», sagt sie. Zudem müsse man sich keine Kombinationen überlegen: Man ziehe ein Stück an und Mode. «Aber ich war mir lange nicht sicher, ob ich als Designerin bestehen würde. Man braucht eine gute Ausbildung und vor allem: Selbstvertrauen.» Und da war auch noch das Kochen! Ihre grosse Leidenschaft. Als ihre Eltern sich scheiden liessen, begann sie für ihre drei Geschwister zu kochen. Was war ihr bestes Gericht? «Dasselbe wie heute: Salate!», sagt sie. Sie liebe gute Salate. Vor allem liebe sie es, eine gute Sauce zu ertüfteln. «Die Sauce macht fünfzig Prozent des Salats aus.» Sie habe eine richtig gute Olivenöl- und Essigsammlung.
Hassliebe zu Coco Chanel
Trotzdem entschied sie sich nach der Matura nicht für die Küche. «Kochen kann jeder selber lernen», ist sie überzeugt. Viel lieber wollte sie lernen, wie sie ihre Hunderte von Skizzen in richtige Kleider umwandelt. Sie besuchte die École de la Chambre Syndicale de la Couture, machte Praktika bei Lacroix, Dior, Chanel und Chloé. Und: Sie eröffnete einen Wolford-Laden. «Mein Vater meinte: Das ist gut, da lernst du etwas dabei.» Sie fand: «Bon, interessiert mich zwar nicht, aber ok.» Vier Jahre lang betrieb sie den Laden. Und lernte tatsächlich viel: «Ich erfuhr, wie Marketing funktioniert, wie man mit Kunden und Lieferanten arbeitet, was Lohn bedeutet und wie man Steuern zahlt.» Nebenbei nähte sie Hochzeitskleider. Damals las sie alle zwei Jahre die Biografie von Coco Chanel. «Ich liebte und hasste sie zugleich. Ich liebte sie, weil sie so fokussiert war. Gleichzeitig mochte ich ihre Härte nicht. Sie war eine Kriegerin.»
Nach vier Jahren Wolford und Hochzeitskleidern fühlte sie sich reif für ihr eigenes Label. Das war 2001. Ganz knapp bekam sie die 8000 Euro zusammen, die man als Sicherheit für die Gründung vorweisen musste. Mit einem Geschäftspartner wäre der Start vielleicht einfacher gewesen, aber: «Ich wollte unabhängig sein. Und ich wollte mir und allen anderen beweisen, dass ich es allein schaffe.» fertig! All ihre Kleider sind luftig geschnitten – von Size Zero hält Anne Valérie Hash nichts. «Uh, nein», ruft sie. «Meine Kreationen sollen auch jemandem stehen, der einen etwas fülligeren Körper hat. So wie ich.» Anne Valérie Hash führt mich einen Gang mit grossen Spiegeln entlang in einen alten üppigen Ballsaal mit goldenen Mosaiken und einem abgenutzten Parkettboden. Hier, in diesem intimen Rahmen, zeigt sie jeweils ihre Kollektionen, hier findet auch das Shooting für annabelle statt.
Anne Valérie Hash war schon als Kind verliebt in Mode. «Aber ich war mir lange nicht sicher, ob ich als Designerin bestehen würde. Man braucht eine gute Ausbildung und vor allem: Selbstvertrauen.» Und da war auch noch das Kochen! Ihre grosse Leidenschaft. Als ihre Eltern sich scheiden liessen, begann sie für ihre drei Geschwister zu kochen. Was war ihr bestes Gericht? «Dasselbe wie heute: Salate!», sagt sie. Sie liebe gute Salate. Vor allem liebe sie es, eine gute Sauce zu ertüfteln. «Die Sauce macht fünfzig Prozent des Salats aus.» Sie habe eine richtig gute Olivenöl- und Essigsammlung. Trotzdem entschied sie sich nach der Matura nicht für die Küche. «Kochen kann jeder selber lernen», ist sie überzeugt. Viel lieber wollte sie lernen, wie sie ihre Hunderte von Skizzen in richtige Kleider umwandelt. Sie besuchte die École de la Chambre Syndicale de la Couture, machte Praktika bei Lacroix, Dior, Chanel und Chloé. Und: Sie eröffnete einen Wolford-Laden. «Mein Vater meinte: Das ist gut, da lernst du etwas dabei.» Sie fand: «Bon, interessiert mich zwar nicht, aber ok.»
Vier Jahre lang betrieb sie den Laden. Und lernte tatsächlich viel: «Ich erfuhr, wie Marketing funktioniert, wie man mit Kunden und Lieferanten arbeitet, was Lohn bedeutet und wie man Steuern zahlt.» Nebenbei nähte sie Hochzeitskleider. Damals las sie alle zwei Jahre die Biografie von Coco Chanel. «Ich liebte und hasste sie zugleich. Ich liebte sie, weil sie so fokussiert war. Gleichzeitig mochte ich ihre Härte nicht. Sie war eine Kriegerin.» Nach vier Jahren Wolford und Hochzeitskleidern fühlte sie sich reif für ihr eigenes Label. Das war 2001. Ganz knapp bekam sie die 8000 Euro zusammen, die man als Sicherheit für die Gründung vorweisen musste. Mit einem Geschäftspartner wäre der Start vielleicht einfacher gewesen, aber: «Ich wollte unabhängig sein. Und ich wollte mir und allen anderen beweisen, dass ich es allein schaffe.
Eine Teenager-Muse
AVH wuchs in Paris als Tochter einer Tunesierin und eines Marokkaners auf, beide Juden, die nach der Unabhängigkeit ihrer Länder Mitte der Fünfziger nach Frankreich emigriert waren. «Ich sah nicht aus wie die anderen französischen Mädchen», erinnert sie sich. Sie sei dunkler gewesen, und die Nase damals schon markant. «Ich wusste zwar, ich war anders, aber ich fühlte mich zu hundert Prozent als Französin.» Unter ihrem Anderssein gelitten habe sie nie – anders bei der Scheidung ihrer Eltern. Der Verlust des Vaters habe auch ihre erste Kollektion Fille-mâle mit ihren harten, männlichen Schnitten geprägt: «Es ist kein Zufall, dass ich einem Mädchen die Kleider des Vaters angezogen habe, damit es sich ihm näher fühlt.» Das Mädchen, dem sie damals diese angepassten Männerkleider überzog, war die 13-jährige Lou Liza Lesage, die Tochter eines Freundes. Sieben Jahre war der Teenager ihre Muse. Nun ist Lou Liza erwachsen – und Anne Valérie Hash braucht auch keine Muse mehr. «So wie Lou Liza bin auch ich als Designerin gross geworden. Ich habe meine Vergangenheit verarbeitet und Frieden geschlossen.»
Das zeigt auch ihre Mode, sie ist heute femininer, sinnlicher, romantischer. «Ich bin Mutter geworden», meint sie fast entschuldigend, «da wird man wohl einfach weicher.» Anne Valérie Hash führt mich in eine kleine Küche. Nebenan hört man Nähmaschinen rattern. Immer wieder kommt ein Model vorbei, zeigt eines der mit viel Spitze verarbeiteten Kleider für die bevorstehende Show. Obwohl AVH mit Arbeit zugedeckt ist, scheint sie nie gestresst. Sie wirkt bodenständig, unkompliziert, auf eine sympathische Art normal – Eigenschaften, die man mit Designern nicht unbedingt spontan assoziieren würde. Dabei könnte sie sich Allüren durchaus leisten: 2008 wurde sie in die Haute-Couture-Liste aufgenommen – der Traum jedes Designers. Die DNA ihrer Mode ist heute noch Haute Couture, sie zeichnet ihre Entwürfe nicht, sondern drapiert den Stoff direkt an der Büste. Sie sagt: «Die Technik ist mir wichtig.»
Doch Haute Couture sei eine Frage von Zeit und Geld. Und momentan liege es einfach nicht drin. «Man muss Kleider machen, die tragbar sind – gerade als kleines Label. Sonst überlebt man nicht.» Zwar hat sie Angebote von grossen Modehäusern, aber sie will nicht verkaufen. Noch nicht. «Es ist zu früh», sagt sie und fügt an: «Noch kann ich diese Wahl treffen – das ist ein Privileg.» Was nicht heisst, dass sie die Krise nicht spürt. Kürzlich hat sie die Zahl ihrer Mitarbeiter um die Hälfte reduziert: Vorher waren es zwanzig Angestellte, jetzt sind es noch zehn. «Es ist hart, als kleines unabhängiges Label zu bestehen.» Wie schafft sie es? «Mit Gymnastik!», ruft sie und lacht. Wenn das Geschäft schlecht laufe, kauere sie sich zusammen (sie hält den Kopf zwischen die Beine). Und wenn es gut laufe, dann strecke sie sich wieder (wirft die Hände in die Luft). Heute machen grosse Labels ihr Geld mit Accessoires oder auch mit Lancierungen im Bereich Beauty.
Dafür habe sich, so Anne Valérie Hash, bisher noch keine passende Kooperation ergeben. Aber sie sei inzwischen bereit: «Die Seele meines Labels steht – jetzt würde ich gern ein schönes Parfum lancieren.» Aber alles müsse stimmen. «Wenns um meine Arbeit geht, bin ich Perfektionistin.» Welchen Frauen würde sie ihre Entwürfe gern überziehen? AVH zögert keine Sekunde: «Ich liebe Cate Blanchett, Tilda Swinton, Meryl Streep.» Kein Wort darüber, dass Cate Blanchett bereits einen ihrer Overalls getragen und sich mit einer netten Karte bedankt hat, die in ihrem Atelier hängt – für derlei Name-Dropping ist Anne Valérie Hash viel zu diskret. Sie möge, fährt die Designerin fort, klassische Schönheiten. Eine Scarlett Johansson sei ihr in ihrer sexuellen Ausstrahlung hingegen zu aggressiv, sie möge keine sexy Frauen – sehr wohl aber sinnliche: «Und das ist ein grosser Unterschied.»
Mitarbeit: Daniella Gurtner
1.
Bequeme Schnitte und sachliche Farben, Jersey, Spitze und Hightech- Materialien: Kreationen aus Anne Valérie Hashs Frühjahr/Sommer-Kollektion 2014
2.
Frühjahr/Sommer-Kollektion 2014
3.
Frühjahr/Sommer-Kollektion 2014