Die Komfortzone verlassen und dabei ganz zu sich finden: Allein reisen ist ein Genuss, meint Autorin Viviane Stadelmann.
Es ist tiefschwarze Nacht. Allein trotte ich seit 20 Minuten hungrig eine Schotterpiste entlang und hoffe, dabei nicht von einem Moped über den Haufen gefahren zu werden. Und dass doch bitte bald einer dieser Holzstände am Strassenrand auftauchen möge, der Benzin verkauft. Der Tank meines Rollers ist leer. Totaler Anfängerfehler. Nun ist es also 23 Uhr, vielleicht aber auch erst 21 Uhr, wer weiss das schon, schliesslich hat man Ferien. Und hier auf Bali wird es schnell dunkel; und sehr früh wieder hell, und hat man abends noch nichts gegessen, ist man ziemlich hungrig und vor allem ziemlich allein im Dunkeln unterwegs.
Allein reisen ist nichts für die Komfortzone. Aber hat die eigene Bequemlichkeit denn schon je etwas gebracht? Allein unterwegs muss man sich bemühen – um andere und um sich selbst. Man muss auf Fremde zugehen und merkt plötzlich, dass man da, wo man gerade ist, wieder von vorn anfängt, wenn das Netz aus Freunden und Kollegen wegfällt, Sprachbarrieren sich türmen, der eigene berufliche Erfolg keine Rolle spielt. Dann kann man schon mal über eine Leere stolpern oder eben über die eigene Unachtsamkeit.
Doch es bieten sich vor allem Chancen: Verreise ich allein, habe ich plötzlich unendlich viel Zeit. Ständig aufpoppende Whatsapp-Nachrichten haben in der Ferne nicht dieselbe Bedeutung. Ich lese, verschlinge wieder ganze Bücher, und denke nach – über alte Erinnerungen, neue Impulse, wichtige Errungenschaften und traurige Versäumnisse. Verreise ich allein, lasse ich es mir gut gehen, schlemme mich durch Restaurants und koste die Zeit voll aus. Und das Wichtigste: Ich nehme wieder wahr. Denn ohne eine Gesprächspartnerin bin ich Beobachterin fremder Menschen, Gepflogenheiten und Kulturen. Ich verlasse mich auf meine Intuition, lasse mich treiben, tanze plötzlich auf einer fremden Hochzeit oder nippe in einer Bar allein an einem Drink und fühle mich dabei überhaupt nicht so blöd wie anfangs gedacht. Wie oft wurde ich bei meinen Reisen schon auf mich und mein Innerstes zurückgeworfen und habe es genossen – wenn ich mich neu entdeckt oder über mich gelacht und dabei bemerkt habe, dass allein sein nicht gleich einsam ist.
Nach einer Stunde brummt der Motor meines Rollers wieder. Ich fahre in die Einfahrt meines Bungalows. Geschafft. Ich springe nackt in den Pool und sehe dem Wasser dabei zu, wie es verspielte Reflexionen an die Hausfassade wirft. Reist man allein, lassen sich oft auch unangenehme Situationen nicht vermeiden. Und das ist gut so! Denn wann sonst wird man auf seine praktische Veranlagung, seinen Mut oder sein logisches Denken getestet und hat gar keine andere Wahl, als zu bestehen? Es liegt in der eigenen Verantwortung, Flüge zu erwischen, sich nicht zu verirren und sich brenzligen Situationen zu stellen. Um dann zu merken: Hey, das funktioniert ja alles irgendwie.