Tanzen durch Mannheim
- Text: Ines Häfliger; Fotos: Ines Häfliger, Daniel Valance
Einmal da, will man Mannheim so schnell nicht mehr verlassen. Obwohl es der Stadt an Postkartensujets mangelt.
Sanft gleitet die Gondel durchs Wasser. Ohrenbetäubend laut schmettert die angehende Opernsängerin Nadia eine Arie aus Mozarts «Le nozze di Figaro». Nein, wir sind nicht in Venedig. Nadias Auftritt ist Teil der ersten «Mannheim Music Week», die im Mai stattfand. Eine Woche lang performten Musikschaffende in Schaufenstern, im Schwimmbad, in der ehemaligen Feuerwache oder eben auf dem Kutzerweiher im Luisenpark. Auch danach bleibt die 300 000-Einwohner-Stadt ein Mekka für Musikliebhaberinnen, weshalb sie 2014 von der Unesco als City of Music ausgezeichnet wurde. An der Popakademie und der staatlichen Hochschule für Musik drücken die Talente von morgen die Schulbank, im neuen Nationaltheater finden nebst Theater- auch Ballett- und Opernaufführungen statt, grosse Stadtfestivals begeistern Rock-, Pop- und Technofans.
Mannheims lebendige Musikszene überrascht. Denn der drittgrössten Ortschaft Baden-Württembergs eilt der Ruf als öde Industriestadt voraus. Das 20 Kilometer entfernte Heidelberg liegt bei Reisegruppen höher im Kurs – die pittoreske Stadt wurde im Zweiten Weltkrieg von Luftangriffen verschont. In Mannheim hingegen zerstörten die 151 Bombenangriffe der Alliierten rund drei Viertel der Bausubstanz. Zwar blieb die quadratische Anordnung der Gebäude im Stadtzentrum bestehen. Doch viele der historischen Bauten stürzten ein; auch jene aus der Kurfürstenzeit und dem Industriezeitalter.
Vielleicht ist es diese Erfahrung der beinahe totalen Vernichtung, weshalb Manheim viel Neues zulässt. Das städtische Kulturamt vergibt Aufträge für grossflächige Graffitis an Hausfassaden, die evangelische Trinitatiskirche dient als Tanzbühne. Und der einstige Rotlichtbezirk Jungbusch hat sich zum Szeneviertel gemausert.
Mit Fotos lässt sich die Faszination und der Charme der zwischen Rhein und Neckar eingebetteten Hafenstadt kaum einfangen. Doch wenn die untergehende Sonne Himmel und Rhein rot tüncht, gibt es auch in Mannheim Bilderbuchromantik – zumindest für eine halbe Stunde.
Tipps
SCHLAFEN
Speicher 7
Ein ehemaliger Getreidespeicher, der heute ein Hotel ist – typisch Mannheim. Vieles des direkt am Rhein gelegenen Baus erinnert an seine frühere Nutzung: In den zwanzig Zimmern kontrastieren unverputzte Wände mit flauschigen Teppichen, alte Holzkisten dienen als Nachttische und die Decken der Badezimmer sind bis zu zwölf Meter hoch.
DZ ab ca. 145 Fr., Rheinvorlandstrasse 7, Tel. 0049 621 122 66 80, speicher7.com
ESSEN
Emma Wolf
Die Grossmutter des Küchenchefs ist die Namenspatin des Lokals. Alles andere als altbacken sind die Kreationen des jungen Spitzenkochs Dennis Maier. Für diese erhielt er einen Michelin-Stern. Und da das Lokal im Food-Court eines Shoppingcenters liegt, können Jakobsmuscheln und Entenbrust-Tataki in unkompliziertem Ambiente genossen werden.
Q7,5, Tel. 0049 621 18 14 95 50, emmawolf1920.com
Café Rost
Egal ob Burger, Schnitzel oder Lasagne: Im Café Rost ist alles vegetarisch, das meiste vegan. Fleisch vermisst man hier trotzdem nicht. Das Sojaschnitzel etwa schmeckt ähnlich wie ein Cervelat.
Pflügersgrundstrasse 16, Tel. 0049 621 31 99 82 46
EINKAUFEN
Sasas Vintage
Die Planken ist Mannheims Haupteinkaufsstrasse. Wer es weniger konventionell mag, der schaut bei Sasas Vintage vorbei. Die Boutique verzückt Secondhand- Liebhaberinnen. Viele der Stücke sind mehrere Jahrzehnte alt – und immer noch im Top-Zustand.
Riedfeldstrasse 36, Tel. 0049 621 43 73 31 14
AUSGEHEN
Taproom
Im Jungbusch-Viertel reiht sich eine hippe Bar an die andere. Highheels tragen hier die wenigsten, die meisten Frauen sind in Sneakers unterwegs. Bei den vielen Trinkstätten ist das auch besser so. Empfehlenswert: Die Craft-Beer-Bar Taproom.
Beilstrasse 4, Tel. 0049 621 31 95 88 81
1.
Die alte Feuerwache (rechts) ist heute ein Kulturzentrum.
2.
Sterneküche im Shoppingcenter: Bei Dennis Maier im «Emma Wolf».
3.
Im hippen Jungbusch-Viertel am Hafen. Dahinter: Die Lutherkirche.
4.
Souvenir: Seit über 150 Jahren stellt der Familienbetrieb Herrdegen aus Honig, Nüssen und Gewürzen den Mannemer Dreck her. Schmeckt wie Lebkuchen.
Konditorei & Kaffee Herrdegen, E2, 8, cafe-herrdegen.de
5.
Mannheim, ganz romantisch: Sonnenuntergang am Rhein.