Linda Meixner war zu ihren Spitzenzeiten als Influencerin sechzig Stunden pro Woche online. Dann machte sie eine lange Smartphone-Pause – und beobachtete, was sich veränderte.
66 Tage bin ich aus dem Internet verschwunden. Ich habe mir ein Handy zugelegt, mit dem ich anrufen, SMS schreiben und Tetris spielen konnte, und mein Smartphone verbannt. Das hat mein Leben verändert. Ich hatte bis zu diesem Zeitpunkt eine Karriere als Influencerin gemacht, aber auf dem Höhepunkt wurde mir bewusst: Ich kann nicht mehr.
Am Anfang war das alles noch ein grosser Spass gewesen: Ich habe einfach festgehalten, was ich sowieso tue, in meinem Heimatdorf Gargellen in Österreich. Skifahren, touren, wandern. Ich hatte Glück, war mit dem richtigen Inhalt zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Es machte Spass, ich verdiente gut und konnte mein Heimatdorf in die Welt tragen.
«Niemand hat mich davor gewarnt, dass dieser Beruf auch Schattenseiten hat»
Immer mehr Menschen folgten mir, wohl auch, weil mein Gesicht für Social Media gut funktioniert, die blonden Haare, die strahlenden Augen, mein Lachen. Doch irgendwann kippte es. Es wurde belastend, ständig produzieren zu müssen, perfekt auszusehen. Lachen, unterhalten, nonstop. Und niemand, der mich davor gewarnt hätte, dass dieser Beruf auch Schattenseiten hat.
Zu Spitzenzeiten war ich sechzig Stunden pro Woche online, nur schon am Smartphone, die Zeit am PC nicht
miteingerechnet. Dann kam der Weckruf: eine Lähmung in der rechten Schulter, und das mit knapp dreissig. Ich fragte mich: Was liegt da so schwer in meiner rechten Hand? Die Antwort war einfach: mein Smartphone.
Ich musste mich damit auseinandersetzen: Was bin ich noch ohne dieses Gerät? Was bleibt von mir übrig? Und dann hab ich mich fallen gelassen. In dieses Experiment hinein. Ich hatte erst Angst vor dem Nichts, davor, mich sozial auszugrenzen. Den Kontakt zur Welt zu verlieren.
«Plötzlich hatte der Tag so viel mehr Stunden»
Am Ende dieser Zeit wollte ich dann aber gar nicht mehr zurück. Das Schönste daran war dieses intensive Erleben, dieses Sein im Hier und Jetzt. Klingt pathetisch, aber so war es. Ich konnte besser zuhören, mit allen Sinnen wahrnehmen. Meine Tiefschlafphasen haben sich verdoppelt, ich hatte diese Ruhe, um kreativ zu sein. Plötzlich hatte der Tag so viel mehr Stunden.
Diese Erfahrung hat mich tief geprägt. Sie hat den Boden gelegt für mein Engagement für einen bewussteren Umgang mit dem Digitalen, für mein Offline Institute. Jetzt erforsche ich im Rahmen meiner Doktorarbeit, ob Offline-Erlebnis-Ferien für den Tourismus funktionieren können. Ich habe Kommunikationsdesign studiert und bin nun seit einem Jahr Doktorandin am Institut für Sport-, Alpinmedizin und Gesundheitstourismus der Privatuni Umit Tirol.
Wenn du mal die Schattenseiten der Digitalisierung erforscht hast, dann tut es richtig weh, sich umzuschauen: Warum weiss niemand über die Probleme mit dem Digitalen Bescheid? Warum reden wir kollektiv nicht darüber? Meine Vision ist, den Menschen wieder mehr Lebenszeit zu schenken.
«Heute schränke ich das Digitale sofort ein, wenn ich merke, dass es mir nicht guttut»
Ich glaube, wir wollen das alle, aber brauchen Hilfe, zu erkennen, was das Gerät mit uns macht. Und auch, was es uns nimmt. Das Bewusstsein fehlt. Natürlich auch, weil die Tech-Industrie kein Interesse daran hat, uns aufzuklären. Aber auch, weil wir Menschen vor uns selber flüchten, weil wir die echte Welt nicht ertragen.
Ich bin heute digital immer noch sehr vernetzt. Es sind aktuell rund vier Stunden Smartphone pro Tag. Doch ich fühle mich ganz anders. Ich achte auf meine Bedürfnisse, spüre mich besser. Ich schränke das Digitale sofort ein, wenn ich merke, dass es mir nicht guttut. Ich habe ein inneres Alarmsystem aufgebaut.
Linda Meixner (33), Unternehmerin und Influencerin, Gargellen, Österreich