Zeitgeist
Meinung: Warum ich als Spielerfrau mehr als ein Klischee bin
- Text: Sophie Eggenberger
- Bild: Netflix
Georgina Rodriguez, Freundin von Fussballspieler Cristiano Ronaldo, zeigt in einer Netflix-Serie ihr glamouröses Leben als «Spielerfrau». Die NZZ am Sonntag nahm dies zum Anlass, die Spielerfrau-Schublade zu öffnen. «2000 and late» findet das unsere Autorin, ebenfalls Spielerfrau, und ist der Meinung, man sollte diese Bezeichnung und die damit einhergehenden Klischees endlich aus dem Sprachgebrauch löschen.
Georgina Rodriguez zeigt sich in ihrer neuen Netflix-Serie als die klischeebehaftete Spielerfrau schlechthin: Kurztrip nach Paris, Mittagessen in Milano, Ferien auf Mallorca, mit Privatjet an die Spiele, das pure Luxusleben halt. Dass dieses Leben nicht der Realität vieler Partnerinnen von Fussballern entspricht, ist für die meisten irrelevant. Sie sehen sich in ihrer Annahme gegenüber «Spielerfrauen» bestätigt.
So auch Christine Steffen, Redaktorin bei der NZZ am Sonntag. Die Journalistin hat anlässlich der Rodriguez-Doku dem Thema vor einer Woche einen Artikel gewidmet. Sie geht in ihrem Text auf die Rolle der Frau an der Seite von Fussballern ein – und wie sich diese in den letzten Jahren verändert hat.
Böse Managerinnen oder heisse Fangirls
Ihre Theorie: Spielerfrauen sind entweder die bösen Managerinnen ihrer Partner, die heissen Fangirls auf der Tribüne oder die finanziell und sozial abhängigen Anhängsel ihrer Männer. «Im echten Leben ist die Partnerin eines Fussballers nämlich vor allem eines: ständig auf Abruf. Sie weiss nie, wann sie die Umzugskisten wieder packen muss, weil der Mann den Verein wechselt, und sie hat wenig Einfluss darauf, wo es hingeht. Dass dies keine idealen Bedingungen für einen eigenen Karriereplan oder nur schon den Aufbau eines sozialen Umfelds sind, versteht sich von selbst», schreibt Steffen.
Ich selbst bin seit sieben Jahren mit einem Fussballer zusammen. Ich habe schon einige Partnerinnen von Fussballern kennengelernt. Ich kenne ihre Lebensumstände, weiss, was sie studiert haben, was sie arbeiten und kenne ihre moralischen Wertvorstellungen. So viel vorweg: Ja, es gibt darunter Frauen, die dem Klischee einer Fussballerfrau – wie sie Steffen skizziert – entsprechen.
Viele dieser Frauen legen viel Wert auf Äusserlichkeit, kaufen extrem teure Kleidung, inszenieren sich dementsprechend auf Social Media und haben keine eigenen beruflichen Ambitionen. Es gibt sogar einige, die sich ganz bewusst einen Fussballspieler als Partner suchen, weil sie meinen, finanziell abgesichert zu sein oder hoffen, ihren eigenen Selbstwert mit seiner Karriere aufpolieren zu können. Wer mich kennt, weiss, dass ich diese Einstellung nicht teile. Ich finde es schade, dass junge Frauen ihr Potenzial verschwenden, sich lieber auf dem finanziellen Polster ihres Partners ausruhen, als selbst aktiv zu werden, sich einzubringen und ihre Talente zu fördern. Diese Meinung vertrete ich aber nicht nur in Bezug auf «Spielerfrauen».
Weder sein Eigentum noch sein blosses Anhängsel
Für die Medien bestätigen Rodriguez und Co. das Klischee – und das ist gefundenes Fressen für sie. Denn sie portraitieren Spielfrauen sowieso gerne klischeehaft: immer hübsch und stets zufrieden lächelnd an der Seite ihrer Partner. Die Schweizer Illustrierte etwa beschrieb die Frauen der Natispieler zur Europameisterschaft 2021 mit Adjektiven wie «schön» und «hübsch» oder mit Begriffen wie «Bikinischönheit». Viel mehr gab es über die Partnerinnen anscheinend nicht zu sagen. Und als Tüpfelchen auf dem i steht auf dem Trikot der Frauen dann auch noch sowas wie «Zubers Wife».
Ich verurteile keine Frau, die es tut, aber ich würde so ein Shirt nie anziehen – und ich kenne viele andere Spielerfrauen, die das ähnlich sehen. Eben gerade weil ich mich als eigenständige Person sehe, die ihren Partner zwar absolut unterstützt, aber sich weder als sein Eigentum noch sein blosses Anhängsel sieht – und auch nicht als das bezeichnet werden möchte. Genau aus diesem Grund habe ich mir auch dreimal überlegt, ob ich das Trikot des FCZ mit dem Namen meines Partners am Cup-Finale im Sommer 2018 wirklich überziehen sollte. Ich fürchtete tatsächlich, dass mir durch die Zugehörigkeit zu meinem Fussballerfreund meine eigene Individualität aberkannt wird.
«Die Partnerinnen von Fussballern in meinem Umfeld arbeiten als Managerinnen, Videojournalistinnen oder Ärztinnen. Doch diese Lebensentwürfe passen eben nicht in das Bild, das Christine Steffen und Co. haben.»
Frauen mit Fussballern als Partner werden immer als Teil des Fussballers bezeichnet. Lustig, denn ich habe keine Freundin im Umfeld, die man über den Job ihres Partners definiert. Ich habe bis jetzt weder den Begriff «Politologenfrau», «Beraterfrau», «Lehrerfrau», «Baristafrau» noch die Bezeichnung «Studentenfrau» gehört.
Keine Instastories im Balenciaga-Hoodie aus dem Stadion
Mein Freund ist nicht Cristiano Ronaldo – trotzdem hätten Boulevardmedien Freude an mir: Ich achte auf mein Äusseres, ich habe die eine oder andere Designerhandtasche und falle dadurch vielleicht auf einer Zuschauertribüne tatsächlich ein wenig auf. Auch wenn ich darauf achte, möglichst unter dem Radar zu fliegen – nichts liegt mir ferner, als im Balenciaga-Hoodie Instastories aus dem Stadion zu posten.
Trotzdem könnte man mich in die Schublade der klischierten Spielerfrau stecken, wäre da nicht mein «normales Leben». Mein Leben mit Bachelorabschluss an einer renommierten deutschen Universität, mein Job oder meine finanzielle Unabhängigkeit. Dass ich nicht die einzige Freundin bin, die eine Karriere hat, weiss ich aus meinem Umfeld.
Nebst berühmten Namen wie Jennifer Bosshard findet sich hier zum Beispiel auch Corinne Brecher wieder. Sie ist Finanzberaterin, war kürzlich Hauptprotagonistin im SRF Dok-Film «Frauen und Geld – ein Tabu mit weitreichenden Folgen» und hat zwei Kinder. Ihr Mann ist Yannick Brecher, Goalie beim momentan sehr erfolgreichen FC Zürich. Die Partnerinnen von Fussballern in meinem Umfeld arbeiten als angehende Anwältinnen, Managerinnen in Werbeagenturen, Videojournalistinnen oder Ärztinnen.
Doch diese Lebensentwürfe passen eben nicht in das Bild, das Christine Steffen und Co. haben. Spielerfrauen taugen höchstens als Influencerinnen etwas – und natürlich ist so ein Influencerinnen-Leben moralisch ebenfalls total verwerflich: «Man kann sich nun fragen, ob es ein Fortschritt ist, wenn sich etliche Freundinnen von Kickern in diesem Business versuchen. Und ob man überhaupt von einem Beruf sprechen kann.» Ich persönlich finde es ja ein wenig altbacken, sich heute noch über Content Creators lustig zu machen – aber das ist eine andere Diskussion.
Veraltetes und absolut unfeministisches Narrativ
Steffens Fazit: «So gibt es für Frauen von Fussballern, die nicht über Klischees abgeurteilt werden wollen, nur einen Ausweg: sich der Öffentlichkeit konsequent zu verweigern.» Für Frau Steffen gibt es also entweder die dümmliche, schöne Freundin, die sich der Öffentlichkeit zeigt – oder die Freundin, die intelligent ist und sich zurückhält. Das halte ich für ein durch und durch veraltetes und auch absolut unfeministisches Narrativ. Und sind nicht alleine schon Bosshard und Brecher die besten Beispiele dafür, dass diese Theorie nicht aufgeht?
Jennifer Bosshard beschrieb in einem Artikel auf annabelle.ch ihre Erfahrung als Spielerfrau: «Was ich jedoch nicht erwartet hatte, war das stupide und gleichsam kränkende Hinterfragen meines eigenen Status; als Frau, als denkendes Wesen. (…) Der Begriff ‹Spielerfrau› ist eine Demütigung für jede halbwegs emanzipierte Frau. Eine primitive Gattungsbezeichnung, die einem jeden Anspruch auf Individualität raubt. Spielerfrau. Das Wort allein erklärt alles: Du bist nur, weil er er ist. Ohne ihn bist du nichts. Und auch mit ihm nur zwei Dinge: schön und dumm.»
Ganz anders als bei Fussballern werden die Partnerinnen von Sportprofis in anderen Bereichen nämlich geradezu verehrt und hochgelobt, wie toll es doch ist, dass etwa Mirka ihren Roger bei jedem Turnier unterstützt und den Kindern so zugewandt ist. Warum werden also genau wir nicht als unabhängige Personen betrachtet, sondern mit einer völlig banalen Gattungsbezeichnung markiert?
Das Einzige, was uns Spielerfrauen verbindet, ist der Job unserer Männer. So wie alle Partner:innen von annabelle-Mitarbeitenden eben die Tatsache verbindet, dass ihr:e Partner:in bei annabelle arbeitet. Und die Tatsache, dass der Alltag durchaus etwas schwieriger ist, wenn man von fixen Trainings- und Spielzeiten, Ferientagen und dem Standort der Klubs abhängig ist. Das hat zur Folge, dass man seine gemeinsamen Prioritäten sehr genau setzen muss, es verlangt eine grosse Kompromissbereitschaft – und viel Geduld.
Es braucht viel Mut
Ich habe aber viel Bewunderung für alle Frauen an der Seite von Fussballern. Es braucht oft viel Energie und Kraft, den Partner nach Niederlagen wieder aufzubauen. Es braucht viel Mut, sich für die Beziehung zu entscheiden, mit dem Partner auszuwandern, sich einen neuen Job im Ausland zu suchen.
Ich finde es vor allem aber grossartig und bewundernswert, wie weit mein Freund mit seinem Engagement und seiner Leidenschaft gekommen ist. Wie er dem Druck standhält. Was es bedeutet, diese Herausforderungen zu meistern, sehe und erlebe ich seit sieben Jahren. Durch die klischeebehaftete Bezeichnung der Spielerfrau vergeht mir sehr oft die Lust, ein Bild vom Stadion auf Insta zu posten oder ganz losgelöst und ohne Verteidigungsversuch zu erzählen, was er beruflich macht. Wenn ich nach seiner Karriere gefragt werde, dann lautet meine Antwort meist, dass mein Freund in Deutschland lebt. Ich versuche das Thema zu umgehen. Auf die klischierten Fragen und verurteilenden Blicke habe ich keine Lust.
Ein eigenständiges Leben
Manchmal tut mir das leid, denn ich bin stolz auf ihn. Genauso stolz bin ich aber eben auch auf den Fakt, dass er Psychologie studiert und sich mit der Zeit nach seiner Fussballkarriere beschäftigt. Und ich bin stolz, dass ich ein eigenständiges Leben habe – und unsere Partnerschaft eigentlich nichts mit Fussball zu tun hat.
Dass ich nicht in der Öffentlichkeit stehe, nicht lauter in die Welt hinausposaune, was mein Freund macht, hat absolut nichts mit meiner Intelligenz, meinem Aussehen oder meiner Liebe zu meinem Freund zu tun. Sondern einzig und allein mit Selbstschutz. Denn wenn selbst intelligente Journalistinnen wie Christine Steffen dem Klischee der Spielerfrau so einfach auf den Leim gehen, habe ich nicht sehr viel Hoffnung, dass andere Leute in mir je mehr sehen als nur eine kleine Schweizer Georgina Rodriguez. Ohne Privatjet und Luxusuhren zwar, dafür mit eigenem Konto und Karriere – aber das ist ein Detail, richtig?
Gratuliere zu diesem äusserst differenzierten, mit Ironie und Pepp gewürzten Beitrag!
Sehr interessant zum Lesen. Einen Aspekt vermisse ich. Wieso gibt es in keiner Sportart „Spielerinnen-Männer“?