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Kommentar zum SRF-Format «We, Myself & Why»: Vielfalt darf man nicht wegsparen

Kommentar zum SRF-Format «We, Myself & Why»: Vielfalt darf man nicht wegsparen

SRF muss sparen und stellt ein beliebtes Video-Format von, mit und für Frauen ein. Warum es ein Fehler ist, «We, Myself & Why» aufzugeben, erklärt Aleksandra Hiltmann in ihrem Kommentar.

Einvernehmlichen Sex, FLINTA-Artists an Festivals, Schweizer Frauenrechtsgeschichte, trans-Sein in verschiedenen Generationen, die schlimmste Trennung, Depressionen, Endometriose, Trauer – über all das sprachen Frauen und andere nicht-männliche Menschen in den vergangenen Jahren im SRF-Videoformat «We, Myself & Why». Sie erzählten von ihren Erfahrungen, aus ihrem Leben, teilten ihre Meinung.

Bald aber haben sie auserzählt, denn SRF muss sparen, baut 75 Vollzeitstellen ab und kündigt an, verschiedene Formate auf Drittplattformen einzustellen, darunter das Video-Gesprächsformat «We, Myself & Why», das sich hauptsächlich an junge Frauen richtet. Ein Fehler, wie auch viele ebendieser Frauen finden.

Ihr Unmut nach der Ankündigung von SRF ist gross. Auf Instagram, wo der eigene Kanal des Formats über 29’000 Follower:innen hat, tauchen Stories auf, die den Entscheid von SRF kritisieren. Bei den Macherinnen gehen unzählige Nachrichten von Zuschauer:innen ein – «absolut unverständlich», «Lieblingsformat», «wahnsinnig wichtige Themen». Dazu sehr viel Dank für die Arbeit der zuständigen Journalist:innen. Warum sind all diese Frauen so dankbar?

Ein einzigartiges Format

«We, Myself & Why» ist ein einzigartiges Format. Es wird von Frauen gemacht. Und für Frauen, mit Frauen und Menschen mit diversen Geschlechtsidentitäten. Die Protagonistinnen teilen tiefe Einblicke in ihre Lebenswelten. Sie erzählen, wie es sich anfühlt, wenn der eigene Körper sexualisiert wird, wie es ist, mit Rassismus konfrontiert oder als Parasportlerin auf der Piste unterwegs zu sein, eine Fehlgeburt zu haben, als queeres Paar im Nachtleben unterwegs zu sein.

Die Macherinnen schaffen Nähe, ohne voyeuristisch zu sein. Sie geben Frauen einen Platz und öffnen mit ihnen einen digitalen Raum, in dem Verbundenheit entstehen kann. Einen Platz, um Schmerz und Freude zu teilen, sich verstanden zu fühlen, gehört, gesehen zu werden. Ein virtueller «safe space», wie eine Person auf Instagram schreibt. Regelmässig spricht in den Videos mit Stephanie Karrer auch eine Psychologin über mentale Gesundheit, klärt auf, gibt Tipps.

Frauen in den Medien: Noch immer zu wenige

Dass so viele verschiedene Frauen und nicht-männliche Personen in einem Format zu sehen sind, ist ungewöhnlich. Frauen sind in den Medien bis heute generell unterrepräsentiert, als Journalistinnen wie auch als Protagonistinnen. Das zeigen verschiedene Untersuchungen seit Jahren.

Das Global Media Monitoring Project untersucht jeweils an einem Stichtag die Berichterstattung in verschiedenen Ländern. Bei der letzten Untersuchung 2020 waren in der Schweiz 39 Prozent der Autor:innen der ausgewählten Beiträge Frauen. Wobei ihr Anteil bei Radio- und TV-Beiträgen mit knapp 50 Prozent immerhin höher lag.

Ungleichgewicht in der Berichterstattung

Eine Studie des Forschungszentrums Öffentlichkeit und Gesellschaft (fög) der Universität Zürich untersuchte, wie häufig Frauen in Schweizer Medien vorkommen. Zwischen 2015 und 2020 lag der Frauenanteil in der Berichterstattung bei insgesamt 23, jener der Männer bei 77 Prozent. Oder anders ausgedrückt: «Auf eine Erwähnung einer Frau kommen rund drei Erwähnungen von Männern.»

Dieses Ungleichgewicht zwischen Männern und Frauen in der Berichterstattung besteht auch über die Schweiz hinaus, wie Studien für verschiedene europäische Länder und den Rest der Welt zeigen. Finden Frauen den Weg in die Medien, besteht bis heute die Gefahr, dass sie stereotyp dargestellt werden. Im Vergleich zu männlichen Protagonisten kommen sie weniger häufig als Expertinnen oder Führungspersonen vor. Dafür öfter als Opfer, hält das Global Media Monitoring Project 2020 für die Schweiz fest.

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«‹We, Myself & Why› war ein Vorzeigeprojekt für die Repräsentation von Frauen und Menschen mit nicht-cis-hetero-männlichen Geschlechtsidentitäten»

Auch bei «We, Myself & Why» geht es nicht darum, Frauen primär in ihren Rollen als Expertinnen bestimmter Fachgebiete oder Chefinnen zu zeigen, es ist keine Politik- oder Wirtschaftssendung. Es geht oft um Erfahrungen, Erlebtes und Gefühle – «klassische Frauenthemen» könnte man sagen, stereotyp.

Und doch ist hier etwas anders: Die Protagonist:innen sprechen kritisch über Themen wie Gleichstellung, mentale Gesundheit, Liebe, den Umgang mit Geld. Sie werden dabei nicht in ein Schema gedrückt und können so Klischees durchbrechen. Sie sprechen frei, ohne sich rechtfertigen oder unnötig provokative oder angriffige Fragen beantworten zu müssen. Dass es dafür ein Sonderformat braucht, ist nicht ideal, aber heutzutage weiterhin nötig und wertvoll.

Dass in diesem Format so viele Frauen zu sehen sind, liegt am Konzept. Aber auch ohne ein solches wäre die Wahrscheinlichkeit dafür höher, als wenn männliche Journalisten am Drücker wären.

Frauen berichten eher über Frauen

Verschiedene Studien haben den Zusammenhang zwischen weiblichen Journalistinnen und weiblichen Protagonistinnen untersucht. Frauen berichten häufiger über Frauen, als es Männer tun, zeigen diverse Untersuchungen.

Eine Studie aus Österreich über Frauen in der Politikberichterstattung zeigt: Männliche Journalisten erwähnten in rund einem Viertel der Beiträge mindestens eine Frau als zentrale Akteurin. Frauen hingegen in fast 40 Prozent ihrer Beiträge. Eine weitere Studie aus Österreich zeigt: Redakteurinnen berichten zu rund einem Drittel über Sportlerinnen, Redakteure nur zu 11 Prozent.

Aber warum ist es überhaupt wichtig, ob und wie Frauen in den Medien dargestellt werden? Die Forschenden des fög schreiben gestützt auf weitere wissenschaftliche Arbeiten: «Die Darstellung von Frauen in den Medien hat gesamtgesellschaftliche Konsequenzen.» Unter anderem beeinflusse sie, wie Bürger:innen am öffentlichen Diskurs teilnehmen und sich in diesem repräsentiert fühlen.

Weiter würden Medien gesellschaftliche Normen zur Rolle der Frau beeinflussen. Und: Es gebe Befunde, die zeigen, dass weniger Repräsentation von Frauen in Medien die politische Partizipationsbereitschaft weiblicher Jugendlicher sinken lasse.

Wird also ein Gefäss wie «We, Myself & Why» abgeschafft, sehen wir weniger Frauen in den Medien. Wir sehen weniger Frauen, die nicht-stereotyp dargestellt werden, wir sehen weniger non-binäre und trans Menschen, wir sehen weniger Women of Color. Vor allem aber hören wir nun weniger, was diese Menschen zu sagen haben. Das wiederum beeinflusst, wie wir uns gesehen und gehört fühlen, in den Medien aber auch im weiteren gesellschaftlichen Diskurs. Und wie andere uns wahrnehmen.

Das sagt das SRF

Was sagt das SRF dazu? Manuela Diethelm, Abteilungsleiterin Unterhaltung a.i. bei SRF, schreibt: «Aktuell haben wir für Junge zu viele Angebote auf Drittplattformen, die nicht die gewünschte Wirkung erzielen.» Man würde sich deshalb künftig auf weniger, dafür finanziell und personell gut ausgestattete Formate und neue Angebote für die Plattform Play SRF konzentrieren.

Man wolle die junge Zielgruppe so «noch besser» erreichen, unter anderem mit Themen, welche auch junge Frauen beschäftigen. «Diese bleiben für SRF wichtig». Sie sollen Platz finden innerhalb bestehender Marken wie «SRF Impact», «Bounce» und «Studio 404» sowie weiteren bestehenden Formaten.

Ob die pionierhafte Diversität, die gefühlte Vertrautheit und der angemessene Wechsel zwischen Ernsthaftigkeit und Leichtigkeit von «We, Myself & Why» sich tatsächlich in anderen Formaten niederschlägt, bleibt abzuwarten. «Bounce» ist eine Rap-Show, in «Studio 404» machten bisher vor allem Männer Satire. «SRF Impact» dreht Reportagen über gesellschaftliche Themen.

Aber wäre es so, dass die Repräsentation junger Frauen und Menschen mit diversen Geschlechtsidentitäten durch die Auflösung von «We, Myself & Why» Diversität in anderen Formaten, die ein breiteres Publikum erreichen, erhöhen würde, wäre dies natürlich wünschenswert. Der Gedanke daran, dass ein Tagesschau-Moderationsteam ähnlich aufgestellt sein könnte wie eine Gäst:innen-Runde bei «We, Myself & Why», fühlt sich weiterhin mutig an. Das allein zeigt, dass die Repräsentation noch nicht überall erreicht ist.

Sichtbarkeit nicht aus Spargründen aufs Spiel setzen

Mittlerweile gibt es eine Online-Petition, die «We, Myself & Why» retten will und sich an Manuela Diethelm sowie SRF-Direktorin Nathalie Wappler richtet. «Dieser bedeutende Beitrag an eine funktionierende und gleichgestellte Gesellschaft darf unter keinen Umständen gestoppt werden – gerade in einer Zeit, in der der Diskurs in sozialen Medien von Hass geprägt ist», schreibt die Autorin und Journalistin Anne-Sophie Keller, die die Petition gestartet hat.

Zu den Unterstützerinnen gehören unter anderem die Nationalrätinnen Tamara Funiciello, Aline Trede, Anna Rosenwasser und Mattea Meyer, die Satirikerin Lisa Christ und die Unternehmerin Patrizia Laeri. Der Service Public dürfe die Sichtbarkeit von Geschlechtervielfalt und Lebensrealitäten nicht aus Spargründen aufs Spiel setzen, schreibt Tamara Funiciello auf Instagram.

Sie hat Recht. Dass ein öffentlich-rechtlicher Sender Vielfalt zeigt, gehört zu seinem Auftrag. «We, Myself & Why» war ein Vorzeigeprojekt für die Repräsentation von Frauen und Menschen mit nicht-cis-hetero-männlichen Geschlechtsidentitäten. Dass SRF just diese Stimmen wegspart, die bis heute ohnehin marginalisiert werden, in den Medien und auch in der Gesellschaft, ist ein Statement. Kein gutes.

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Alinda

Warum werden Frauen kurzerhand in die (sehr diverse) Flinta-Gruppe gemischt? Ist es zu schwierig, die weibliche Mehrheit der Bevölkerung als eigene Gruppe zu anerkennen? Die LINTAs können, wie sie wollen, ist doch ok, das heisst aber nicht, dass alle Frauen automatisch LINTA-freundlich sind. Frauen verdienen ihre eigene Gruppe. Männer haben auch ihre eigene Gruppe sind nicht automatisch Teil der MINTA.