Zeitgeist
Grüne Frage: Wie easy sind meine drei Tassen Kaffee am Tag?
- Text: Stephanie Hess
- Bild: Unsplash
Belastet Kaffee die Umwelt mehr als wir denken? Stephanie Hess, annabelle-Expertin für Nachhaltigkeit, klärt auf.
Dieser Artikel ist erstmalig im August 2022 erschienen.
Manchmal, wenn Mann und Kind am Morgen maximal nerven und ich mich unter der Dusche frage, was genau mein Problem ist, realisiere ich, dass es wohl vor allem darin besteht, dass ich mir noch keinen Kaffee einverleibt habe. Er hebt mein Gemüt, gibt dem Tag ein Fundament.
Bitter nur, dass die Brühe, ihr ganzer Herstellungsprozess, im Grunde blanker Nachhaltigkeitshorror sind. Insbesondere, wenn man in Betracht zieht, dass sie als Genussmittel nicht lebenswichtig ist (was viele kokettierend verneinen würden – ich auch, morgens unter der Dusche).
Der Anbau von Kaffee, sein Transport und seine Zubereitung sind für zehn Prozent (!) der gesamten Umweltbelastung durch Ernährung verantwortlich. Das ist fast so viel, wie Milchprodukte verursachen, und bedeutend mehr als Getreide (sechs Prozent) oder Gemüse (drei Prozent).
Darin nicht einmal eingerechnet sind die sozialen Folgen: Der «Spiegel» kam 2017 in einer grossen Recherche zum Schluss, dass das Kaffeegeschäft ohne Ausbeutung und Kinderarbeit nicht funktionieren würde. Denn für hundert Kilo Bohnen erhalten Pflücker: innen in Guatemala gerade mal fünf Franken.
«Kaffee ist oft ein dreckiges Geschäft»
Viel Geld verdient man mit den Bohnen erst nach der Röstung, und diese erfolgt fast immer in den Industrieländern. Und diese achten gut darauf, dass diese Vergoldung des Kaffees nicht in den Herkunftsländern vorgenommen wird: Rohkaffee kann zollfrei importiert werden, für geröstete Bohnen bezahlt man bei der Einfuhr in die Schweiz 600 Franken pro 100 Kilo.
Kaffee ist also oft auch ein dreckiges Geschäft. Was tun? Bohnen kaufen, die in den Herkunftsländern geröstet wurden (etwa bei gebana.ch). Ansonsten solche mit Fairtrade- und Bio-Label. Kaffee aus French Press, Filtermaschinen und der Caffettiera bevorzugen (wegen des Strom- und Ressourcenverbrauchs). Und: auf die eine oder andere Tasse verzichten.
Für den familiären Frieden – mein persönlicher Tipp – besser nicht auf die erste des Tages.
Stephanie Hess ist Leiterin des Reportage-Ressorts und Autorin des Ratgebers «Ökologisch!» (Beobachter-Edition, 2020). Sie sucht für euch Antworten auf alle grünen Fragen. Schreibt ihr! Stephanies Mailadresse: [email protected]
Bin seit 37 Jahren Vegetarierin und lebe praktisch vegan.
Dann darf ich wohl noch Kaffee trinken.