An welchen Neujahrsvorsätzen wir kläglich gescheitert sind
- Text: annabelle
- Bild: Stocksy
Gitarrenunterricht, vegane Ernährung oder Stretching am Morgen: Wir haben uns schon so einiges vorgenommen – und sind daran gescheitert.
Der Vorsatz: Vegane Ernährung
Da sass ich, am 31. Januar 2021. Ich hatte gerade den Veganuary erfolgreich gemeistert. Vegane Spätzli, Omeletten und Gratins gekocht. Und milde über jene gelächelt, die ihren veganen Januar nicht durchgezogen hatten, weil sie an Käse gescheitert waren. An KÄSE. Den hatte ich mir easy abgewöhnt. Eine gewisse Überheblichkeit hielt Einzug. Ich würde mir nonchalant Hefeflocken über die Pasta streuen, Pizza mit Mozzarella-Ersatz geniessen, Cashew-Fondue auftischen. Der Plan stand – und fiel 13 Tage später. In den Skiferien. Im Käsenebel der Ferienwohnung tunkte ich gedankenverloren ein Stück Brot ins Fondue-Caquelon. Und fragte mich beim ersten schockierten Biss: Wie dachte ich jemals ernsthaft, ohne Käse leben zu können? Ja, zu wollen? Wir waren sofort wieder fest zusammen, der Käse und ich. – Redaktorin Sandra Brun
Der Vorsatz: Nur noch nachhaltig shoppen
Ich habe mir Anfang 2024 mal wieder vorgenommen, nur noch Secondhand- oder ökologisch und sozial produzierte Kleidung zu kaufen. Infolgedessen entwickelte ich einen zeitraubenden Hyperfokus auf die Suche nach Kleidung. Anders gesagt: Ich verbrachte mehr Zeit mit Online-Shopping denn je. Ich suchte monatelang auf Vinted nach den perfekten Mary Janes (sie wurden dann nicht geliefert), und ich hatte bei jedem einigermassen fairen Label einen gut gefüllten Online-Einkaufskorb. Ich fahndete und verglich und redete mir dabei ein: Dafür überlege ich mir jetzt gut, was ich kaufe! Wenn ich den perfekten Rock zum idealen Preis nach wochen- und monatelanger Suche nicht ökologisch und sozial produziert fand, bestellte ich aber halt trotzdem bei & Other Stories (die eine Ausnahme!). Und: Wenn ich mir anschaue, wie viele Teile ich pro Jahr gekauft habe – dann stelle ich mit Schamesröte fest: 2024 waren es mehr denn je. – Reportage-Volontärin Darja Keller
Der Vorsatz: Endlich nach Turin
Ich wollte unbedingt nach Torino. Habe es sogar in einer annabelle-Ausgabe als Weihnachtsgeschenk für mich selbst deklariert. Finalmente Torino! Das Datum war gesetzt am zweiten März-Weekend 2020. Die Zugtickets bestellt. Gekommen ist dann aber mit dem Zug aus Mailand die Pandemie. Und ich habe es immer noch nicht nach Turin geschafft! Mamma Mia! – Bildredaktorin Ana Martinez
Der Vorsatz: Gitarrenunterricht nehmen
Betrete ich mein Wohnzimmer, erwartet mich der blanke Hohn. Zwei Gitarren blicken mir da aus einer Ecke entgegen. Z-w-e-i. Spielen kann ich davon keine – wir zählen die beinahe unbenutzte Ukulele, die ich inzwischen verkauft habe, grosszügigerweise mal nicht mit. Denn während hier für das ungeübte Auge eine virtuose Musikerin leben mag, nehme ich mir in Wirklichkeit jedes Jahr vor, endlich Gitarrenstunden zu nehmen. Und das schon seit Jahren. Manchmal ist mein Vorsatz besonders stark, wie zum Beispiel 2018, als ich mir voller Elan eine E-Gitarre bestellte. Dann versuche ich mir das Instrument jeweils ein paar Mal selbst mit Youtube-Tutorials beizubringen, ehe ich ungeduldig aufgebe. Dieses Jahr glühte mein Gitarren-Vorsatz wieder stark und hell am Neujahreshimmel. So sehr, dass ich wieder eine Gitarre bestellte, dieses Mal eine akustische. Monate später kann ich zusammenfassen: Ich beherrsche mit Mühe zwei Griffe, deren Namen ich schon wieder vergessen habe. Nächstes Jahr schaffe ich es aber, einen ganzen Song zu spielen. Ganz sicher. – Vanja Kadic, Co-Leiterin Digital
Der Vorsatz: Ganz viel wandern
Für 2024 habe ich mir fest vorgenommen, ganz oft wandern zu gehen – raus aus der Stadt, rein in die Natur. Doch am Ende habe ich es nur auf eine einzige Wanderung im Appenzell geschafft. Das wars. 2025 starte ich mit einem neuen Versuch durch. Neue Wanderschuhe habe ich mir jedenfalls bereits gegönnt. Soll motivierend sein, sagt man. – Noëmi Leonhardt, Mode-Volontärin
Der Vorsatz: Jeden Morgen Stretching
Für 2021 nahm ich mir vor, jeden Arbeitstag im elendigen Corona-Homeoffice mit einer Runde Stretching zu beginnen. Ich kaufte mir für mein Vorhaben einen Heilstein und ein Raumspray, und als ich am 5. Januar zum ersten Mal meine Dehnübungen auf der Matte machte, war ich davon überzeugt, mein Leben in die längst überfällige richtige Richtung zu lenken. Nur einen Tag später jedoch, am 6. Januar, musste ich das Stretching – kaum hatte ich begonnen – wieder abbrechen. Meine Brüste taten weh, mein Körper fühlte sich schwerfällig und fremd an. War ich etwa… schwanger? Ich bat meinen Freund, der gerade beim Bäcker einen Dreikönigskuchen holte, von der Apotheke einen Schwangerschaftstest mitzubringen. Schon ab dem 7. Januar galt dann eine neue morning routine: Jeden Morgen musste ich im Bett erstmal eine riesige Schüssel überzuckertes Müsli löffeln, damit ich überhaupt aufstehen konnte – so übel war mir monatelang. – Co-Leiterin Digital Marie Hettich
Der Vorsatz: Weniger Zeit auf Social Media verbringen
In meinem Leben gibt es drei grosse Lügen. Erstens: Ab nächster Woche werde ich eine leidenschaftliche Hobbyköchin sein (oder zumindest eine Person, die den Büro-Lunch zuhause vorbereitet). Zweitens: Natürlich schaffe ich es heute pünktlich zu diesem Date, obwohl ich dafür längst die Wohnung hätte verlassen müssen. Und drittens: Ich höre auf, so viel Zeit auf Instagram zu verbringen. Mittlerweile habe ich die ersten beiden Lügen als solche akzeptiert, aber bei der dritten bleibe ich hartnäckig. Und so nehme ich mir seit meinem 16. Lebensjahr Januar für Januar optimismusverblendet vor, dem Drang nach handy-erzeugtem Dopamin zu widerstehen. Ein kalter Entzug wäre in meiner Position als Social Media Editor illusorisch. Umsetzbarer hingegen scheint die Vorstellung, mir abzutrainieren, unmittelbar vor und nach dem Schlafen mit dem Daumen auf die Insta-App zu tippen. Vermutlich werde ich scheitern. #aberdiehoffnungstirbtzuletzt – Vanessa Vodermayer, Social Media Editor
Vorsätze? Nein, danke
Wie habe ich sie immer bewundert, die Mitmenschen, die vor oder an Silvester dramatisch ihre guten Vorsätze fürs nächste Jahr mitgeteilt haben. Ob Rauchstopp, Gewichtsverlust, Verzicht auf Alkohol oder ein Abo im Fitnesscenter: Jede gute Absicht wird lauthals kommuniziert und richtiggehend ausgeschlachtet. Ich wusste nie genau, ob es sich dabei um Selbstüberschätzung, Grössenwahn oder doch um eine Absicherung gegen den inneren Schweinehund handelte – im Stil von «Jetzt wo es alle wissen, muss ich es auch machen»… Mir war es auf jeden Fall immer peinlich, mich so weit auf die Äste hinauszulassen. Deshalb habe ich das mit den guten Vorsätzen gar nie versucht und bin im Rückblick auch gut damit gefahren. Gutes neues Jahr! – Niklaus Müller, Leitung Beauty