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Yolocaust: Denkanstoss oder bloss Effekthascherei?

Yolocaust: Denkanstoss oder bloss Effekthascherei?

  • Text: Silvia Princigalli; Fotos: Yolocaust.de; Getty Images 

Der Fotozirkus am Holocaust-Mahnmal in Berlin soll ein Ende haben. Satiriker Shahak Shapira provoziert mit seinem Webprojekt «Yolocaust» ein Umdenken – und betreibt gleichzeitig Promotion für sein eigenes Buch.

Haben Sie das Holocaust-Mahnmal in Berlin besucht und zur Erinnerung ein Foto geknipst? Das Bauwerk, das an die rund sechs Millionen ermordeter Juden in Europa erinnert, steht jährlich für rund 3.5 Millionen Touristen auf dem Programm. Das Mahnmal gehört somit zu einem der meistfotografierten öffentlichen Plätze der deutschen Hauptstadt. Wenn die Kamera erstmal gezückt und die Pose vor oder zwischen den 2711 Stelen eingenommen ist, scheint die Bedeutung des Mahnmals meist vergessen. Die Fotos landen dann in den Social Media oder als Profilbild auf Datingplattformen. 

Der Satiriker und Autor Shahak Shapira findet diese Fotoshootings rund um die Gedenkstätte pietätlos. Der in Israel geborene Berliner startete deshalb sein Projekt «Yolocaust» – eine Website, auf der der 28-Jährige Fotos aus den Social Media zusammengetragen hat, auf denen junge Menschen am Mahnmal in Berlin posieren, auf ihm herumspringen oder -turnen. Lässt man den Cursor über die fröhlichen Schnappschüsse gleiten, erscheinen Fotomontagen, die es in sich haben. Dieselben Touristen, die eben noch an einer der Stelen lehnten, sind nun in gleicher Pose in nationalsozialistischen Vernichtungslagern zu sehen. Innert weniger Stunden wurde die Site mehr als eine Million Mal aufgerufen. Doch Shapira erntet nicht nur Klicks und Zuspruch. Viele werfen ihm Effekthascherei vor, glauben, er wolle mit diesem Projekt provozieren und selbst vom Rummel profitieren. Doch mischt da womöglich das schlechte Gewissen derer mit, die sich selbst vor dem Mahnmal fotografieren liessen?  

Bekannt wurde Shahak Shapira in der Neujahrsnacht 2015, als er in einer Berliner U-Bahn von Antisemiten angegriffen wurde und seine Geschichte für Schlagzeilen sorgte. Anfang letzten Jahres veröffentlichte er das Buch «Das wird man ja wohl noch schreiben dürfen! Wie ich der deutscheste Jude der Welt wurde». Natürlich liegt die Vermutung nahe, dass dem Autor ein Push in den Medien gerade recht kommt. Schliesslich landete sein Werk nach Veröffentlichung der Website plötzlich auf der Spiegel-Bestsellerliste (aktuell Platz 19). Sei es, wie es will. Gut ist doch, dass uns jemand wach rüttelt und den Fokus auf etwas legt, das uns längst bekannt aber nicht immer bewusst ist. Und ob Shapira mit seinem Projekt nun eine Eintagsfliege bleibt oder nicht: Er hat recht. Wir sollten uns öfter hinterfragen und darüber nachdenken, welche Wirkung unser Tun auf andere hat. 

«Die Leute sollen nachdenken, was genau sie da machen»

In einem Interview mit dem Newsportal Jetzt.de sagt Shapira: «Ich finde es okay, wenn man dort Fotos macht. Aber manche auf Social Media veröffentlichten Bilder sind einfach krass: Da gibt es zum Beispiel bei einem Foto die Bildunterschrift: ‹Springen auf toten Juden›. Die Leute sollen nachdenken, was genau sie da machen.» Die Idee zur Website sei schon in den Monaten davor entstanden. Die Veröffentlichung sei dem Tag des Gedenkes an die Opfer des Holocaust am 27. Januar etwas vorangegangen. 

Wer sich übrigens auf den Mahnmal-Selfies selbst entdeckt, hat die Möglichkeit, eine Email an [email protected] zu senden, um sein Bild von der Website entfernen zu lassen.

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