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Wo Spass haben lebensgefährlich ist

Wo Spass haben lebensgefährlich ist

  • Text: Fritz Schaap; Fotos: Sergio Ramazzotti

In Somalia herrschen noch immer blutige Unruhen. Im Chaos der Hauptstadt Mogadiscio versuchen jedoch immer wieder couragierte Menschen einen Neuanfang. Menschen wie Manar Moalin: Als Frau, die so etwas Sündiges wie einen Country Club betreibt, lebt sie allerdings doppelt gefährlich.

Wenn Manar Moalin morgens zur Arbeit kommt, schieben ihre Wachmänner schon vorher das grosse weisse Stahltor auf, damit sie mit ihrem schweren Jeep direkt auf das Grundstück fahren kann, ohne anzuhalten. Denn Warten in der Öffentlichkeit kann in Mogadiscio noch immer tödlich sein. Und wer einen Country Club betreibt, der lebt sowieso gefährlich. Massagesalon und Partys – in den Augen der Islamisten ein Sündenpfuhl: haram, verboten. Vor allem, wenn der Club auch noch von einer Frau betrieben wird. Mogadiscio versucht gerade, aus Ruinen wieder aufzustehen und Normalität zu schaffen. Mogadiscio will nicht mehr eine der gefährlichsten Städte der Welt sein. Und dazu trägt Manar Moalin ihren Teil bei. Wie sie kommen immer mehr Somalier zurück aus dem Ausland, um ihre Hauptstadt nach 25 Jahren Bürgerkrieg wieder aufzubauen. Der Mittdreissigerin, die ihr Kopftuch rebellisch weit hinten trägt, merkt man den täglichen Kampf an, den sie als Frau in diesem konservativen, vom Krieg zerrissenen Land führen muss. In ihren Sätzen schwingt etwas Herausforderndes mit, eine Art vorbeugende Aggressivität. Sie wird nicht aufgeben. Manchmal setzt sie ihre Brille ab und schaut ihrem Gegenüber wortlos in die Augen. Als würde sie nur auf Widerspruch, auf Kritik warten.

Der Country Club ist ein Mikrokosmos der Stadt, mit dieser Mischung aus Aufbruchstimmung und Angst. Eine grosse, alte, weisse Kolonialvilla, ein massives Tor, ein Wachturm, ernste Männer mit schweren Waffen. Dahinter: ein kleiner Zoo, ein Massagesalon, ein Restaurant. «Und hoffentlich bald auch eine richtige Bar», sagt Manar Moalin. «Mit Alkohol.» Members only. Regelmässig hat sie Probleme mit Leibwächtern von Männern, die keine Mitgliedschaft bekommen haben, manche schickten sogar Soldaten vorbei. Hier im Garten, wo winzige Antilopen herumlaufen und ein Falke schreckhaft in einem Käfig sitzt, treffen sie sich: Politiker, Geschäftsleute, Gangster. Oftmals sind die Grenzen fliessend.

1991 stürzten Rebellen den Diktator Siad Barre. Seitdem gab es keine funktionierende Regierung mehr, die das Land unter ihrer Kontrolle hatte. Die grossen Clans und ihre Subclans zerfleischten sich gegenseitig und verwandelten Mogadiscio in eine Ruinenstadt. Mehr als zweieinhalb Millionen Somalier wurden aus ihren Häusern vertrieben, eine Million floh ins Ausland, eine Million, die meisten davon Zivilisten, kam um. Der Staat ist schon lange zersplittert. Im Norden hat sich Somaliland abgespalten und die ehemalige Piratenhochburg Puntland. Seit dem 1. August 2012 sollen diese autonomen Teilstaaten nun Mitglieder der neuen Bundesrepublik Somalia sein. Zumindest auf dem Papier. Überall im Land flammen aber immer wieder heftige Gefechte auf. Der Süden wird nach wie vor zu grossen Teilen von der mit al-Qaida verbündeten Terrororganisation al-Shabaab kontrolliert, die dort zusammen mit der kenianischen Armee den Kohle- und Zuckerschmuggel kontrolliert. Nach wie vor gilt das Land als Brutstätte des islamistischen Terrorismus, als Basis für Operationen in ganz Ostafrika.

Doch nun macht sich die Hoffnung breit, dass der Aufschwung diesmal halten könnte. Es gibt wieder Strassenlampen, es gibt überhaupt Strassen, eine Kehrichtabfuhr, Strom, Internet. Für eine sehr kurze Zeit gab es sogar Lichtsignale. Die funktionierten aber nicht. Es gibt Geschäftsstrassen, Telekommunikationskonzerne, eine Bank, und Anfang letzten Jahres wurde das erste Mal ein somalisches Fussballspiel live im TV gezeigt.

«Das ist wie die italienische Mafia hier, alles gehört zusammen. Ein riesiges kriminelles Netzwerk»

Manar Moalin sagt, was man oft in der Stadt hört: «Noch nie floss so viel Geld nach Mogadiscio.» Aber sie sagt auch: «Das ist wie die italienische Mafia hier, alles gehört zusammen. Ein riesiges kriminelles Netzwerk. Dabei brauchen wir neue, junge Leute in der Politik.» Bei der Uno in der kenianischen Hauptstadt Nairobi heisst es, dass man die Hoffnung aufgegeben habe, dass die Rückkehrer, die in die Politik gehen, gegen die Korruption und Kriminalität angehen würden. «Ganz im Gegenteil, sie scheinen sofort vom System geschluckt zu werden und verhalten sich, als hätten sie das Land nie verlassen», so ein hochrangiger Uno-Mitarbeiter.

Neben dem Geld der lokalen Kräfte fliesst aber auch immer mehr ausländisches Geld in die Stadt. Nicht die Chinesen, nein, die Türken sind dabei, Mogadiscio wieder aufzubauen. Sie haben einen Flughafen gebaut, sie betreiben den neuen Hafen und kontrollieren über eine Firma namens Proje Gozetim Muhendislik die Importe und Exporte des Landes. Sie haben die Strassen neu geteert, der Rohbau einer riesigen Zementfabrik thront über der Skyline, und sie bauen gerade eine Botschaft von festungsartigen Ausmassen. «Es ist ein jungfräulicher Staat, eine jungfräuliche Stadt», sagt ein somalischer Geheimdienstmann. Die Türken stossen gerade die Tore zu diesem Markt weit auf.

Manar Moalin sitzt im Garten und trinkt wie jeden Tag einen frischen Grapefruitsaft, während die ersten Gäste in gepanzerten Geländewagen auf den Hof rollen. Aus dem kleinen Wachturm gucken die Läufe russischer Sturmgewehre, in das Zwitschern der Vögel mischt sich das Rauschen der Funkgeräte, jedes Mal wenn sich ein Fahrzeug nähert. Oben im zweiten Stock dringt leise Musik aus der Shishabar, von der aus man auf den grossen neuen Büroturm nebenan schaut. 5000 Dollar Miete im Monat kostet darin ein Büro. Der Immobilienmarkt in Mogadiscio explodiert gerade. Villen kosten pro Monat ab 10 000 Dollar. Der Kaufpreis von Grundstücken am Meer liegt teilweise bei über einer Million Dollar. Leute, die das zahlen können, sind die, die Moalin gern als Mitglieder hat.

Ihre Geschichte ist eine typisch somalische Geschichte. Mit ihren Eltern verliess sie das Land kurz vor dem Krieg. 1988 gingen sie erst nach Italien, dann nach England. Ein Leben in der Diaspora. Vor drei Jahren kehrte ihre Mutter zurück in die Heimat und bat die Kinder, sie besuchen zu kommen. Als Manar Moalin Mogadiscio das erste Mal als Erwachsene sah, sah sie vor allem: Möglichkeiten. Wo fast alles kaputt ist, wird fast alles benötigt. Und die Somalier sind in Afrika als findige, oft auch skrupellose Geschäftsleute bekannt. Manar Moalin verliebte sich in die Stadt, in den Ozean, die Geschichten, die wilden geheimen Partys. Und in das Geld. «Ich merkte, dass es keine Beautysalons gab. Die Frauen flogen nach Nairobi, wenn sie sich die Nägel machen lassen wollten.» So fing alles an. Sie mietete eine grosse Kolonialvilla und stellte dann fest: «Viele der High-Profile-Leute hier haben keine Orte, wo sie hingehen können.» Sie schmiedete Allianzen, schmierte die richtigen Leute, besorgte sich Sicherheitspersonal und machte aus dem Beautysalon einen Club.

Probleme aber gibt es viele. «Ich bin eine Frau, eine Rückkehrerin, und ich bin nicht religiös», sagt sie. «Drei Punkte, die alles noch schwieriger machen.» Es ist nicht lange her, da stürmten 25 Mann mit Maschinenpistolen abends um neun den voll besetzten Garten. Sie reihten die Gäste an der Mauer auf, schlugen auf sie ein. Nach ein paar Stunden wurden sie wieder freigelassen. Es waren gekaufte Regierungssoldaten, die kamen, weil Manar Moalin einem Geschäftsmann die Mitgliedschaft verweigert hatte. «Persönliche Differenzen», sagt sie nur. Ein anderes Mal stand ein Bus bärtiger, bewaffneter Fundamentalisten vor dem Tor – Maschinenpistolen im Anschlag, einer trug Handgranaten am Gürtel. Sie rief ihren Cousin an, der beim Geheimdienst Nissa arbeitet. In letzter Minute trafen Truppen der Afrikanischen Union ein und konnten die Männer überwältigen.

«Ich sagte mir: Du wirst sterben, aber du wirst dich nicht aus deinem Haus vertreiben lassen»

Jeden Montagabend versammeln sich fast alle der rund 140 Mitglieder im Garten zu einem grossen Dinner. Es spricht für die Kontakte von Manar Moalin, grenzt aber trotzdem an ein Wunder, dass sich hier noch kein islamistischer Selbstmordattentäter in die Luft gejagt hat. Im Januar 2016 hat es das Village Restaurant um die Ecke getroffen. Ein paar Monate später attackierten die Männer von al-Shabaab ein Restaurant am beliebten Lido Beach. Im Country Club gab es bisher noch keine Toten. Ein Jahr lang aber lebte Manar Moalin in ständiger Todesangst. Dann sagte sie sich: «Du wirst sterben, aber du wirst dich nicht aus deinem Haus vertreiben lassen.» Sie war bereit zu kämpfen. Sie weiss, dass sich die Fundamentalisten nicht abfinden werden mit einem Haus, das in ihren Augen die Sünde verkörpert. Aber Menschen wie sie, die versuchen, Normalität herzustellen, trifft man nun häufiger in der Stadt. Sie betreiben Restaurants, Cafés, Schulen, Hotels und Geschäfte. Und langsam trauen sich auch Frauen wieder mehr zu. «Es muss aufhören, dass die Männer denken, sie könnten mit einer Frau machen, was sie wollen. Ich will die Erste sein, die gesagt hat: Nein. So läuft das nicht!»

«Das Problem hier», sagt Manar Moalin, während es langsam dunkel wird und die weissen Gäste gebeten werden, aus Sicherheitsgründen nun langsam zu gehen, «ist ein riesiger Egoismus.» Wenigen gehe es um das Land, vielen um das eigene Konto. Es gibt ein somalisches Sprichwort, das das Dilemma des Landes in vier Sätzen ausdrückt: «Ich und mein Clan gegen die Welt, ich und meine Familie gegen meinen Clan, ich und mein Bruder gegen meine Familie, ich gegen meinen Bruder.» Im Hintergrund fallen Schüsse. Manar Moalin zuckt nur mit den Schultern. Sie wird nicht gehen. •

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Der Mogadiscio Country Club

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«Ich bin eine Frau, eine Rückkehrerin, und ich bin nicht religiös»: Manar Moalin führt den einzigen Country Club der Stadt

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Der Country Club steht für Aufschwung – die Mauern mit Wachturm für die stete Gefahr

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Die Clubbar: Shishas sind da, der Alkohol soll noch kommen

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Die Bewohner hoffen, dass der Aufschwung diesmal von Dauer ist

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