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«Wir wollen zeigen, was Frauen täglich leisten»

Leben

«Wir wollen zeigen, was Frauen täglich leisten»

  • Text: Helene Aecherli; Foto: Frank Scherschel/The LIFE Picture Collection via Getty Images

Eine Menschenkette mit 13 000 Frauen um den Sempachersee: «Wir wollen die Kraft der Frauen sichtbar machen», sagt Mitorganisatorin Patricia Flury von The Female Collective.

annabelle: Patricia Flury, 13 000 Frauen um den Sempachersee. Warum gerade 13 000?
Patricia Flury: Weil die Uferlinie des Sempachersees 19.5 Kilometer misst. Breitet eine Frau ihre Arme aus, deckt sie etwa eineinhalb Meter ab. So sind wir auf 13 000 Frauen gekommen.

Eine abenteuerliche Idee. Was steckt dahinter?
Wir wollen Frauen in unserer Region besser vernetzen und sie sich ihrer kollektiven Kraft bewusst werden lassen. Zudem geht es darum, einen Wandel anzuschieben: Es ist Zeit, dass wir uns als Gesellschaft vor Augen führen, was Frauen täglich leisten.

Aber das weiss man doch mittlerweile, oder?
Das Ausmass der Arbeit, die Frauen leisten, wird noch immer verniedlicht oder nicht voll wahrgenommen. Dabei sind Frauen – ob berufstätig oder nicht – Managerinnen ihrer Familie oder WG: Sie treffen Konsumentscheide, erstellen den täglichen Fahrplan, machen die Finanzplanung. Doch diese Mehrfachbelastung hat ihre Schattenseiten: Viele Frauen sind am Ende ihrer Kräfte.

Burnout-Erkrankungen unter Frauen steigen an.
Das deckt sich mit meinen Beobachtungen. Eine grosse Mehrheit der Frauen ist berufsstätig. Das gesellschaftliche Setting hinkt dieser Entwicklung aber noch immer hinterher. Es wird nun noch mehr gefordert und als selbstverständlich erachtet. Hinzu kommt, dass die ganze Familie bei der Frau auftankt, auch der Mann. Wird die Frau krank, droht das ganze Gefüge auseinanderzubrechen.

Inwiefern unterscheidet sich die Frauenbewegung in ländlichen Regionen von jener in urbanen Zentren?
Frauen in Städten sind viel freier, frecher und unangepasster. Auf dem Land heisst es schnell: «Was denken die Leute?» Es braucht hier sehr viel mehr Energie, um aus seiner Spur auszubrechen.

Ticken Frauen auf dem Land tatsächlich anders als jene in Städten, oder ist das bloss ein Klischee?
Frauen hier kümmern sich noch stärker um ihr unmittelbares Umfeld, zum Beispiel um ihr Quartier. Wenn es da funktioniert, ist die Welt in Ordnung.

Was wird fürs Quartierleben gemacht?
Landfrauen organisieren Grillabende, um in diesem Rahmen auch Quartierangelegenheiten zu besprechen. Bäuerinnen veranstalten Milch- und Brotverkäufe oder rufen zu Apfeltagen für Schulkinder auf. Man denkt generell eher ans Landwirtschaftliche, ans Versorgende und Fürsorgende. Das erklärt vielleicht auch, weshalb bei uns auf dem Land so viele Yoga- und Therapiezentren entstanden sind. 

Dürfen bei der Aktion der 13 000 Frauen auch Männer dabei sein?
Klar, sie dürfen sich hinter uns Frauen stellen.

Scheuen da nicht manche Frauen davor zurück?
Viele Frauen sagen: «Ich komme, aber ich will, dass mein Mann auch dabei ist.»

Ist dies ein Gleichstellungsgedanke oder eher die Angst davor, in der Partnerschaft anzuecken?
Ich vermute, die einen haben sehr grossen Respekt vor der Energie, die durch diese Aktion entstehen könnte, andere befürchten, dass die Aktion in ein Kämpfertum abdriftet. Es geht aber keineswegs um Kampf, sondern eben um ein Sichtbarmachen und zu demonstrieren, dass man bereit ist, für das eigene Handeln einzustehen. Mit dieser Haltung eckt man in einer Partnerschaft schon weniger an.

Sie haben noch bis zum 7. September Zeit, die 13 000 Frauen zu aktivieren. Wie wollen Sie das schaffen?
Wir rekrutieren über Social Media und unsere persönlichen Netzwerke. Zudem haben wir «Ankerfrauen» ernannt, eine Art Microinfluencerinnen, die Frauen aus ihrem Umfeld rekrutieren und dann vor Ort wissen, was läuft.

 Der Event der 13000 Frauen, «Die Perlenkette», findet am 7. September von 11 bis 13 Uhr im Rahmen der Gewerbeschau «Dynamo Sempachersee» statt. Informationen: thefemalecollective.org