Werbung
«Wir müssen für das kämpfen, woran wir glauben»

Leben

«Wir müssen für das kämpfen, woran wir glauben»

  • Interview: Miriam Suter; Foto: Chelsea Lauren / Getty Images

Herzschmerz, Eifersucht, Trauer – das ist die Welt des neuen Albums «Death Valley» der US-Sängerin Laura Pergolizzi, die sich schlicht LP nennt. Wir haben uns mit der 35-Jährigen über ihre Musik unterhalten und darüber, was sie vom aktuellen US-Wahlergebnis hält.

Es gibt Musik, die einem schon beim ersten Ton direkt unter die Haut fährt. Schon bevor ich Laura Pergolizzi, die sich den Künstlernamen LP gab, zum Interview traf, kannte ich ihren Song «Muddy Waters» aus dem aktuellen Staffelfinale der US-Serie «Orange Is the New Black». Die Szene nahm mich derart mit, dass ich während des ganzen Abspanns in Embryostellung auf dem Sofa lag und weinte. Umso gespannter war ich, die Frau hinter dem Song kennen zu lernen und mich mit ihr über ihre Musik zu unterhalten.

Die 35-Jährige lebt in Kalifornien, hat italienische Wurzeln und eine Wahnsinnsstimme. Die liegt ihr vielleicht im Blut: Ihre Mutter war Opernsängerin und starb, bevor Pergolizzi nach Manhattan zog, um sich auf ihre Musikerkarriere zu konzentrieren. Sie schrieb Songtexte für Rihanna und Cher, arbeitete mit dem Musiker David Lowery und der Produzentin und Komponistin Linda Perry von 4 Non Blondes zusammen und spielte am Hipsterfestival SXSW in Austin. 

Pergolizzi, die ein bisschen aussieht wie ein weiblicher Bob Dylan, ist eine zierliche Frau und zückt auf der Bühne auch mal die Ukulele. Seit 2001 veröffentlicht Pergolizzi auch ihre eigenen Songs als EPs, der Durchbruch gelang ihr mit dem Song «Lost on You», der auch in der Schweiz Spitzenpositionen in den Charts belegt. Nun erscheint das erste Album «Death Valley».

annabelle.ch: Der Song «Muddy Waters» von Ihrem neuen Album ist auch der Soundtrack in der letzten Folge der aktuellen Staffel von «Orange Is the New Black». Wie finden Sie das?
Laura Pergolizzi: Cool! Vor allem, weil ich selber ein Riesenfan der Serie bin. Ich wusste zwar, dass der Song in der Serie verwendet wird, aber nicht, dass es sich um die finale Szene handelt. Es muss eine unbeschreibliche Szene sein.

Haben Sie die Folge noch nicht gesehen?
Nein, ich schaue gerade die letzte Staffel der Serie zuende, aber ich weiss natürlich schon, was passiert, weil es mir alle meine Freunde bereits verraten haben (lacht).

Worum gehts in dem Song?
Ich habe den Text zu einer Zeit geschrieben, in der mein Beruf und mein Privatleben sich auf seltsame Art und Weise sehr geähnelt haben. Ich wusste, dass etwas falsch lief, aber ich wollte es nicht wahrhaben. Kennen Sie das, wenn man weiss, dass etwas nicht stimmt, und man ignoriert es einfach? Weil, wenn man es anerkennt, dann wird das Problem real, und man muss daran arbeiten. Gleichzeitig fühlt es sich an, als würdest du im Treibsand versinken. Aus diesem Gefühl heraus ist der Song entstanden.

Muddy Waters ja auch der Name eines Musikers? 
Der Song hat zwar einen bluesigen Vibe, aber es geht dabei nicht um den Bluesmusiker, sondern um die eigentliche Bedeutung von Muddy Waters: trübe Gewässer. Das Lied ist eine Metapher dafür, dass wir Menschen etwas tun, obwohl wir wissen, dass es nicht gut ist für uns. Zum Beispiel die Umwelt zu zerstören. Wir hören einfach nicht damit auf, obwohl wir genau wissen, dass wir nur begrenzte Ressourcen zur Verfügung haben.

Umweltschutz und Klimawandel werden uns nach der Wahl von Donald Trump noch mehr beschäftigen. Wie geht es Ihnen als Amerikanerin bei dem Gedanken?
Der Klimawandel passiert, das ist nicht von der Hand zu weisen. Es ist eine Schande, dass wir nun einen geldhungrigen Idioten in die mächtigste Position unseres Landes gewählt haben, der entschieden hat, dass der Klimawandel eine Erfindung ist. Das ist haarsträubend, und es fällt mir immer noch schwer zu glauben, dass das wirklich gerade passiert. Aber nun müssen wir damit leben und weitermachen. Es ist, als ob man drei Kinder hätte, und eines davon schlägt den falschen Lebensweg ein, dann gibt man die anderen Kinder ja auch nicht einfach auf. Man macht weiter und hält seine Arbeitsmoral hoch und die Erwartungen niedrig. Das ist eigentlich so etwas wie mein Lebensmotto. Und wir müssen jetzt, mehr denn je, für das kämpfen, woran wir glauben. Für die Akzeptanz aller Menschen in unserer Gesellschaft. Aber ja, es ist eine sehr düstere Zeit. 

Apropos düstere Zeiten: Ihr Debütalbum trägt den Titel «Death Valley», warum?
Der Titel entstand in einer Zeit, in der ich mit meiner Partnerin viele Ausflüge in die kalifornische Wüste machte. In dieser Zeit habe ich sie erst richtig kennen gelernt. Die Wüste ist für mich ein Ort des Verlangens, man will immer irgendetwas: trinken, Kühle, Schutz vor der Sonne und dem Wind. Und der Titel «Death Valley» fasst für mich viele verschiedene Bedürfnisse zusammen, die ich in dieser Zeit hatte, und er passt auch gut zur Thematik des Albums: Beziehungen, Eifersucht, Herzschmerz.

Macht es Sie traurig, Songs über Liebeskummer immer und immer wieder auf der Bühne zu singen?
Wenn ich gerade schlecht drauf bin, manchmal schon. Aber eigentlich kann ich die Songs gehen lassen, wenn ich sie mal geschrieben und aufgenommen habe, ohne mich immer wieder in Traurigkeit zu suhlen. Ich singe sie dann für mein Publikum und hoffe, dass sie den Menschen helfen, sie vielleicht trösten und beispielsweise eine Trennung ein bisschen erträglicher machen.

– «Death Valley» (tba) erscheint am 9. Dezember auf CD, die Single «Lost on You» hält sich seit 15 Wochen in den Schweizer Charts