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Wie ist es eigentlich, wegen Falschgeld hinter Gitter zu kommen?

Leben

Wie ist es eigentlich, wegen Falschgeld hinter Gitter zu kommen?

  • Aufgezeichnet von Regula RosenthalBild: Getty Images

Tomer Weisskopf * Arzt, Basel (65)

Es ist unglaublich, wie schnell man ohne eigenes Verschulden zum Kriminellen gestempelt werden kann – sogar in der Schweiz. Warum ich in Haft kam, davon erzähle ich in dieser Geschichte, die mir nach wie vor sehr unangenehm ist, weil ich dieses Land als eingebürgerter Schweizer liebe. Aber was vor über vierzig Jahren vorgefallen war, macht mich heute noch wütend. So ausgeliefert fühlte ich mich, so verletzt.

Nach Abschluss des Gymnasiums in einer renommierten Privatschule in Haifa wollte ich unbedingt Medizin studieren. Leider existierte damals nur eine medizinische Fakultät in Jerusalem. Die Plätze waren knapp – es gab nur 100 Studienplätze. Ich bekam keinen davon und wollte nicht warten. So kam ich als 22-Jähriger nach Basel an die medizinische Fakultät.

Ich konnte nur Hebräisch und Jiddisch, ich verstand kein Wort Deutsch. Aber ich hatte mir in der Schule in den wissenschaftlichen Fächern eine solide Basis erarbeitet, und im Militär war ich bei der Sanitätstruppe. So fiel mir das Studium trotz Sprachschwierigkeiten leicht.

Meine Eltern waren arm. Sie konnten mir nur 150 Dollar mit auf den Weg geben. Um mein Studium zu finanzieren, arbeitete ich nachts bei der Securitas. Mein israelischer Freund A., heute ein berühmter Pianist, überbrachte mir bei seiner Rückkehr aus Israel 200 Dollar von meinen Eltern. Ich ging zur Kantonalbank, um die Noten zu wechseln. Der Beamte am Schalter sagte mir, er müsse die Polizei verständigen, eine Note sei falsch. Und schon standen zwei Polizisten in der Kundenhalle und verhafteten mich. Ich wusste nicht, was sie wollten. Langsam kam mir das unheimlich vor.

Ich wurde auf den Lohnhof, auf dem sich damals das Untersuchungsgefängnis befand, abgeführt. Dort nahmen Beamte meine Fingerabdrücke und fotografierten mich, so, wie man es bei Verbrechern macht. Ich wurde in eine Zelle gebracht und endlos befragt. Ich erzählte ihnen, dass ein Freund mir das Geld aus Israel mitgebracht hat. Man glaubte mir nicht. Was sollte ich machen? Ich hatte Angst. Und gleichzeitig kam mir die Situation vor, als stamme sie aus einem schlechten Krimi.

Die Polizisten sagten, ich müsse eingesperrt bleiben, bis man meinen Freund A. kontaktiert habe. Doch der war nicht erreichbar. Ich erhielt Essen und Trinken und wurde korrekt behandelt. Und doch wie ein Sträfling. Stundenlang sass ich auf einer Pritsche. Die Zellenwand war voller Inschriften meiner Vorgänger. Trotz Unbehagen und Ungewissheit habe ich sie studiert und mich über den einen und anderen Spruch an der Wand amüsiert. Leider kann ich die gewitzten Kritzelein nicht wiedergeben – die Erinnerung!

Endlich, die Polizei hatte meinen Freund A. gefunden. Der Kommissar fragte ihn leicht genervt, wo er denn gewesen sei, man habe ihn verzweifelt gesucht. Er sagte den Beamten, dass er bei seiner Freundin gewesen sei. Nun befragte man auch den Vater der Freundin, ob er dies bezeugen könne. Er konnte. Ironischerweise war er der damalige Polizeichef.

Nachdem klar war, was wahrscheinlich geschehen war, hat man mich entlassen. Welche Erleichterung. Mein Freund A. musste am nächsten Tag bei der Polizei das Protokoll unterschreiben. Darin stand, dass er die Dollarnoten meiner Eltern mit seinen eigenen gemischt hatte. Auf der Schiffsfahrt von Israel nach Italien hatte er einige Dollar gewechselt. Und so kam eine falsche Dollarnote zur Schweizer Bank.

Für mich war die Sache endlich erledigt. Die 200 Dollar, die bei meiner Festnahme von der Polizei konfisziert wurden, hat man mir trotz erwiesener Unschuld nicht zurückerstattet. Jahre später stellte ich im Rahmen der Fichenaffäre fest, dass auch über mich eine angelegt worden war. Ich forderte sie an. Sie bestand aus dem Vermerk, ich sei wegen Falschgeld verhaftet worden. Ich habe schriftlich gebeten, diese Zeile zu löschen, was prompt gemacht wurde. Das Denken dahinter aber ängstigte mich noch stärker, als jäh als mutmasslicher Krimineller in Haft zu sitzen.

* Name von der Redaktion geändert