Tagsüber Patient:innen im Spital betreuen und nachts vor der Cam arbeiten: Hanna Secret sieht darin keinen Widerspruch. Mit uns hat sie über ihre Karriere als Pornostar gesprochen – und was diese mit ihrer Arbeit als Krankenschwester gemeinsam hat.
«Aufgewachsen bin ich mit vier Geschwistern in einem 400-Seelen-Dorf in Norddeutschland. Ich war immer sehr angepasst, hatte nichts mit Jungs am Hut, habe meine Zeit lieber auf dem Reiterhof verbracht.
Dass ich eine Ausbildung zur Krankenschwester machen wollte, stand für mich früh fest. Der Wunsch hat sich nochmals verstärkt, als bei meinem Bruder ein Hirntumor festgestellt wurde. Als er starb, war ich 19 und fest entschlossen, anderen Kranken beizustehen.
Es war mein damaliger Freund, der mir von einem Webportal erzählte, auf dem man private Sexvideos hochladen könnte. Wir waren beide sexuell aufgeschlossen und hatten uns eh schon ein paar Mal im Bett gefilmt. Zwar konnte ich mir nicht vorstellen, dass Männer für meinen Anblick Geld bezahlen würden, aber der Gedanke, sich ein bisschen etwas für die Urlaubskasse dazuzuverdienen, war verlockend.
Als das erste Mal die Webcam blinkte und wir live waren, hatte ich Lampenfieber. Ich war aufgeregt, sass in meiner billigen Unterwäsche auf dem Bett und dann machte es ‹Ping› und plötzlich war jemand online – und hielt dann auch gleich sein erigiertes Glied in die Kamera.
Irgendwie hat es mich gekickt, dass mich Männer so begehrten. Und dann gingen wir richtig durch die Decke – die Leute wollten immer mehr der Videos von mir und meinem Freund. Oder sie wollten mit mir allein chatten und mir zuschauen, wie ich es mir nach ihren Wünschen selbst machte. Man kriegt schnell raus, wie man sich eine Rolle zulegt – meine Kunstfigur ist Hanna Secret.
«Ich würde niemals wirklich mit einem der Männer Sex haben. Meine Pornos drehe ich ausschliesslich mit meinem Freund»
Als Krankenschwester blieb ich auch nach Dienstschluss mal bei den Patient:innen, um zu plaudern. Empathie ist zentral. Auch meinen Fans höre ich beim Chatten aufmerksam zu. Darum geht es doch: Die Männer suchen jemanden, der sich für sie interessiert.
Irgendwann waren es so viele, dass ich mir Notizen gemacht habe, um beim nächsten Mal anschliessen zu können. Aber ich würde niemals wirklich mit einem der Männer Sex haben. Meine Pornos drehe ich ausschliesslich mit meinem Freund. Ich bin monogam.
Anfangs hatte ich grosse Angst, aufzufliegen. Und natürlich war es nur eine Frage der Zeit, bis mich ein Kollege ansprach. Ich habe ihn inständig gebeten, dichtzuhalten, und das hat er auch. Allerdings fing er an, mir anzügliche Nachrichten und Dickpics zu schicken. Als letztendlich auch meine Familie davon erfuhr, war ich fast schon erleichtert.
Heute stehe ich zu meinem Job. Ich weiss ja, dass ich nichts Schlimmes mache. Inzwischen habe ich meine Anstellung als Krankenschwester gekündigt. Beide Jobs zusammen waren irgendwann zu stressig. Mir ist klar, dass jetzt, mit 27, meine goldenen Jahre im Business sind, also nehme ich alles mit, was geht.
Meinen Exit peile ich in drei Jahren an, dass ich mir das leisten kann, habe ich ausgerechnet. Nächstes Jahr will ich heiraten und spätestens, wenn Kinder kommen, soll ohnehin Schluss sein. Ich werde ihnen aber davon erzählen. Sie sollen es von mir hören, denn dass sie es erfahren, ist eh klar. Das Netz vergisst nicht, da mache ich mir keine Illusionen.»
Hanna Secret mit Nicola Fischer: «Ich bin Hanna». Riva-Verlag, München 2022, 256 Seiten, ca. 29 Fr.