Leben
Wie ist es eigentlich, stolzes Mitglied der KP China zu sein?
- Aufgezeichnet von Mathias Heybrock; Foto: SXC
Wang Ge (40), Agraringenieur aus Hamburg, erzählt, wie es ist, seit 20 Jahren mit HIV zu leben.
Ich bin 1995 in die Kommunistische Partei (KP) eingetreten. Damals war ich 22 und Student am Agrarwissenschaftlichen Institut der Universität meiner Geburtsstadt Taiyuan, die in einem grossen Kohlerevier im Norden Chinas liegt, ungefähr 500 Kilometer von Peking entfernt. Es ist nicht einfach, in die KP aufgenommen zu werden. 1995 durften sich an meiner Uni nur die fünfzig Besten überhaupt bewerben – und das hiess noch lange nicht, dass man sie dann auch nahm. Heutzutage ist es eher noch schwieriger. Von den landesweit 21 Millionen Chinesen, die im Jahr 2010 Mitglied der KP werden wollten, wurden gerade mal knapp über drei Millionen akzeptiert.
Jeder Bewerber muss einen Bericht schreiben, in dem er seine Motivation erläutert. Anschliessend wird er vor das Parteikomitee seiner Universität oder seines Betriebs geladen. Man kann sich das so ähnlich vorstellen wie die Befragung, die ein westlicher Politiker über sich ergehen lassen muss, wenn er in einen Skandal verwickelt ist: Das Komitee nimmt einen ordentlich in die Mangel! Jede auch noch so kleine Nachlässigkeit, die man sich erlaubt hat, kommt zur Sprache. Ich habe Blut und Wasser geschwitzt.
Das Komitee der Partei achtet auch darauf, ob man am sozialen Leben teilnimmt, ob man sich für die Gemeinschaft engagiert, zum Beispiel, indem man musikalische oder sportliche Wettbewerbe für die Studenten organisiert. Ob man Leitungsfunktionen wahrnimmt, ehrenamtlich versteht sich. Pünktlichkeit ist ebenfalls wichtig. Wir Studenten mussten uns damals um sechs Uhr in der Früh auf dem Uni-Campus anwesend melden. Nicht jeder meiner Kommilitonen nahm das so genau. Ich schon.
Ich bin in der Partei, weil ich die Mitgliedschaft als Möglichkeit sehe, mich zu verbessern. Man muss Disziplin zeigen, wenn man aufgenommen werden will, man muss fleissig sein und darf nicht nur an sich denken. Das finde ich wichtig. Ich glaube, nur so kommt China voran.
Ein Parteibuch dient natürlich auch der Karriere. Kaderstellen in den Institutionen und Betrieben werden fast immer mit Parteimitgliedern besetzt – auch, weil sie bereits Organisationstalent und Führungsqualitäten gezeigt haben. Für mich selbst war das allerdings nicht ganz so wichtig. Ich habe nach dem Studium als Agraringenieur gearbeitet und gehörte im Betrieb auch sofort zum lokalen Parteikomitee, das alle wichtigen Entscheidungen trifft. Dann habe ich diese Stelle aufgegeben, um nach Deutschland zu gehen, wo ich in Hamburg für eine Handelsfirma arbeite.
Die Kommunistische Partei Chinas ist eine fortschrittliche Institution, schrieb ich seinerzeit in meiner Bewerbung um Parteiaufnahme. Nicht weil man das eben sagen muss, wenn man aufgenommen werden will, sondern weil ich es wirklich glaube. Ich bin stolz darauf, ihr anzugehören. Mit über achtzig Millionen Mitgliedern ist sie die grösste politische Partei der Welt, auch das ist irgendwie etwas Besonderes. 2006 nahm ich an einem KP-Parteitag auf Stadtebene teil. Es gab ein normales Buffet, das nicht einmal sonderlich gut oder gar luxuriös war.
Es stimmt, die KP hat auch Schlechtes gebracht, zum Beispiel die Kulturrevolution. Doch das Gute überwiegt. Sie hat China entwickelt. Früher gab es Hungersnöte auf dem Land, heute nicht mehr. Das ist eine Leistung, die im Westen viel zu wenig gewürdigt wird. Ich kenne die Lage der Bauern, ich habe die Menschen als Agraringenieur besucht und beraten.
Ich weiss natürlich, dass nicht alle so über die Partei denken wie ich, auch nicht in meiner Heimat. Zuweilen ist der Unmut über Parteimitglieder gross. Wenn sie sich bereichern zum Beispiel. Letztes Jahr gab es ja Fälle bis hinauf ins Politbüro. Ich ärgere mich selbstverständlich darüber. Doch alles, was ich machen kann, ist, mich selbst vorbildlich zu verhalten. Und gibt es im Westen nicht ebenfalls Korruption?
Ich kenne viele Leute, die sich vergeblich um die Aufnahme in die KP bemühten. Das ist jedoch noch lange kein Grund, es nicht erneut zu versuchen, wie das Beispiel unseres Oberhaupts Xi Jinping zeigt. Nachdem er im März zum Staatsvorsitzenden gewählt worden war, konnte man in chinesischen Zeitungen lesen, dass er sich zehn Mal beworben hatte, ehe die Partei ihn schliesslich nahm.