Leben
Wie ist es eigentlich, seit jeher die meisten Esswaren eklig zu finden?
- Text: Alexandra Looser
- Bild: Stocksy
Seit er sich erinnern kann, ekelt sich Peter Meier (22) vor fast allen Lebensmitteln. Wie er damit lebt und wovon er sich ernährt, erzählt er hier.
Einmal im Jahr esse ich ein Ei. Und etwa zwei Mal jährlich trinke ich Orangensaft, wenn ich zu einem Brunch eingeladen bin. Dazu kann ich mich durchringen. Ansonsten esse ich nichts, was andere als normal empfinden. Saucen, Hackfleisch, Broccoli – nur schon die Vorstellung davon, furchtbar!
Ich empfinde einen tiefen Ekel vor so ziemlich jedem Lebensmittel. Nudeln, Gemüse – alles nie probiert. Dabei reicht es bereits, wenn jemand in meiner Nähe Fleisch isst. Ich rieche es. Es widert mich an. Ich lebe mit meinen Eltern und vier Geschwistern zusammen. Da ist immer alles sehr nah. Wenn dann der Aufschnitt neben mich gestellt wird, müssen sie ihn wegnehmen. Ich fasse ihn nicht an. Auch Salat nicht – für mich stinkt er. Vor allem die Sauce.
An einem gewöhnlichen Tag esse ich vor allem Brot. Ohne Körner, ohne Butter, ohne Konfi – am liebsten Ruchbrot. Ausser am Sonntag, dann esse ich ausnahmsweise Zopf. Weil das in meiner Familie Tradition ist. Meine Geschwister essen alle normal. Ich hingegen soll mit sieben Monaten damit begonnen haben, mich beim Essen gegen alles ausser Brot und Milch zu wehren. So erzählen es meine Eltern. Ich ass also schon so, lange bevor ich mich an mich selbst erinnern kann.
Im Kindergarten durfte ich auch immer Brot essen. Ich hatte eine Sondergenehmigung. Wie die anderen Kinder ihre Äpfel oder Rüebli musste aber auch ich mein Brot bearbeiten – Zacken reinschneiden und so. Nur wenige Male haben mich meine Eltern zu einer Frucht überredet. Eine Banane zum Beispiel. Aber der Geschmack, dann diese braunen Flecken – Bananen sind so gruusig. Seit meiner Kindheit habe ich keine mehr gegessen.
«Niemand hat eine Erklärung für mein Essverhalten»
Natürlich kamen schon früh Abklärungen bei Fachleuten. So ein Junge muss doch Mangelerscheinungen haben. Doch egal wie oft ich getestet wurde in den vergangenen 22 Jahren, mir geht es gut. Mir fehlt laut Blutbild nichts. Ausser Folsäure musste ich nie etwas aufstocken. Für mich käme aber selbst dann nicht infrage mich zu überwinden, wenn ein Bluttest irgendwann doch einen signifikanten Mangel nachweisen würde. Spritzen, Tabletten, Infusionen: Das alles wäre mir lieber, als Broccoli essen zu müssen.
Niemand hat eine Erklärung für mein Essverhalten. Oft werde ich auch gefragt, ob ich eine Essstörung habe. Habe ich aber nicht. Ich nehme täglich um die 2000 Kilokalorien zu mir. Mein Essensstil ist sicher nicht zum Nachahmen geeignet, ich fänds selber auch einfacher, wenn ich mich ernähren würde wie alle anderen.
Was ich neben Brot noch essen kann: Gummibärchen, etwa zwei pro Tag, Apéro-Gebäck wie Chips, Joghurt geht, trockene Cornflakes, Kartoffeln als Kroketten und im Restaurant Pommes frites – ohne Gewürze drauf, sonst ekeln sie mich. Zum Trinken geht eigentlich alles ausser Smoothies und andere Getränke mit Fruchtfleisch. Alkohol trinke ich maximal einmal im Monat, Bier oder Wein.
Auf den Rat von befreundeten Medizinstudierenden hin habe ich kürzlich damit angefangen, eine Vitamintablette für Vegetarier:innen zu mir zu nehmen. Einen Unterschied merke ich jedoch nicht. Ich war auch vorher fit. Mache dreimal die Woche Sport. Und der Mythos, man würde einen dauerhaften Hizgi kriegen, wenn man nur Brot isst, stimmt imfall auch nicht.
Peter Meier* (22), BWL-Student
*Name geändert