Architektin Olga Kroll (31) erzählt, wie es ist, ohne Abfall zu leben.
Als Erstes benutzte ich keine Zahnpasta mehr aus Plastiktuben. Diese hat mir noch nie geschmeckt, darum fiel mir das auch nicht schwer. Ich ersetzte sie durch Zahnputzpulver, das ich selber herstelle. Das war vor zwei Jahren. Seither versuche ich, auf Verpackungen und Wegwerfartikel zu verzichten. Das fängt bei den Tampons an. Ich benutze eine Menstruationstasse. Die lässt sich wie ein Tampon einführen, ist aus Silikon und hat eine Lebensdauer von zehn Jahren. Statt Einwegrasierer habe ich einen Rasierer aus Metall, bei dem ich nur die Rasierklinge auswechseln muss. Ich kaufe keine Taschentücher, kein Haushaltpapier, keine Abschminktücher, keine Spülschwämme, keine Ohrenstäbchen.
Wenn ich früher einkaufen ging, hatte ich ein seltsames Gefühl. Es fühlte sich falsch an, dass alle Lebensmittel in Plastik eingepackt sind. Wahrscheinlich hängt das auch damit zusammen, dass ich in einem umweltbewussten Haushalt aufgewachsen bin. Als ich dann einen Zeitungsartikel über die Zero-Waste-Bewegung las, war ich Feuer und Flamme.
Mein Leben hat sich seither stark verändert. Früher habe ich mir beispielsweise jeden Tag die Haare gewaschen, heute nur noch alle vier Tage mit fester Haarseife. Brot backe ich selber, Obst und Gemüse kaufe ich unverpackt im Bioladen. Milchprodukte gibt es im Mehrwegglas. Wenn ich unterwegs bin, habe ich leere Vorratsdosen und Stoffsäckchen dabei, falls ich spontan etwas kaufen möchte. Mit so wenig Abfall wie möglich zu leben, bedeutet auch, auf gewisse Lebensmittel zu verzichten. Zum Beispiel auf Pasta – ich habe bisher noch keinen Ort in meiner Umgebung gefunden, wo sie offen erhältlich ist. Trotzdem prägt der Verzicht mein Leben nicht, er wird aufgewogen durch das Gefühl, einen Beitrag für die Umwelt zu leisten.
Seit fast einem Jahr lebe ich mit meinem Partner und seinen Töchtern zusammen, die Ältere ist 14 Jahre alt, die Zwillinge 10. Er war sofort begeistert und hat den Lebensstil gleich übernommen. Für die Kinder war es nicht immer einfach: Fertiggerichte, Schoggimüesli, Pizza aus der Tiefkühltruhe – plötzlich gab es viele Sachen nicht mehr, an die sie gewöhnt waren. Dinge wie Stängeli-Glace fallen weg, dafür gehen wir oft Eis in der Waffel essen. Ein tolles Produkt: Es hinterlässt keinen Abfall. Wir zwingen die Kinder nicht dazu, alles mitzumachen. Wir haben zum Beispiel neben der Toilette eine Brause für die Intimreinigung installiert. Die Kinder benutzen die Popobrause höchstens zum Spass, für sie und unsere Gäste gibt es weiterhin Toilettenpapier. So schaffen wir es, dass unser Mülleimer nur etwa alle zwei Monate geleert werden muss.
Zur Zero-Waste-Einstellung gehört für mich auch, dass ich versuche, den Haushalt spartanisch zu halten. Alles, was ich nicht mehr brauche, gebe ich weg. Dadurch fühle ich mich leichter.
Leute, die von meinem Lebensstil wissen, finden ihn toll, fühlen sich von mir aber auch schnell unter Druck gesetzt. Ich höre oft Kommentare wie: «Ja, ich tue da jetzt trotzdem Alufolie drauf!» Ich finde schön, dass das Bewusstsein da ist – gleichzeitig ist es schade, dass sich meine Freunde von mir beobachtet fühlen.
Als ich mit der Umstellung anfing, stand ich oft als Sonderling da. Mit der Zeit habe ich immer mehr Leute getroffen, die sich Sachen abgeguckt und mich in meiner Überzeugung bestärkt haben. So, wie ich jetzt lebe, habe ich das Gefühl, dass ich mein Gewissen der Welt gegenüber ein bisschen bereinigen kann. Das fühlt sich gut an.
Weil sich mein Konsumverhalten geändert hat, ist mein Leben um einiges günstiger geworden – dadurch konnte ich mein Pensum als Architektin reduzieren. Mein Partner und ich haben nun auch eine Firma gegründet. Wir wollen Produkte wie Haarseifen anbieten, die es leichter machen, keinen Abfall zu produzieren. Vollständig ohne Müll zu leben ist wohl unmöglich. Ich nehme zum Beispiel die Pille und weiss nicht, wo ich die unverpackt herbekommen könnte. Aber es ist mein Ziel, einmal ein komplett abfallfreies Leben führen zu können.