Werbung
Wie ist es eigentlich, mit 73 als DJ zu arbeiten?

Wie ist es eigentlich, mit 73 als DJ zu arbeiten?

  • Aufgezeichnet von Reto HunzikerBild: SXC

Hans Fischer (73), DJ, Ennetbaden

Ich ging früher schon gern in Diskotheken, war ein ziemlicher Partylöwe. Ich hatte meine wilde Zeit, es gibt also nichts zu kompensieren. Dennoch kann ich die Leute verstehen, die glauben, ich wolle bloss nicht einsehen, dass ich älter werde. So hat mir das allerdings noch keiner gesagt. Im Gegenteil: «Super, machst du das, ich bewundere dich», heisst es immer wieder.

Wo ich auflege, ist mir egal. Hauptsache für junge Menschen. Das hat mit meinem früheren Beruf zu tun: Als Englischlehrer an einem Gymi musste ich von den Jungen Leistung fordern. Jetzt habe ich die Möglichkeit, ihnen nur Freude zu machen. Das ist richtig der Plausch.

Als DJ musst du eine Musikmischung so hinkriegen, dass niemand merkt, dass es eine Mischung ist. Dazu musst du genau im richtigen Moment vom alten in den neuen Track hineinfahren. Der Beat hat genau zu passen. Je besser du darin bist, desto kreativer kannst du sein. Die richtigen Cracks können mit zwei Tracks einen ganzen Abend füllen, ohne dass du das Gefühl hast,
es klinge immer gleich.

Daran übe ich natürlich noch. An zwei Wochenendkursen habe ich gelernt, Songs ohne Computer abzustimmen. Das war happig. Nun besuche ich alle zwei Wochen Privatstunden bei DJane Miss Diamond von der DJ Academy. Da lerne ich das DJ-ing von der Pike auf. Ich muss zugeben, ich hatte mir das Ganze einfacher vorgestellt.

Die Musik ist natürlich simpel. Bumm, bumm, bumm. Und damit es nicht so stier ist, hat es noch etwas Melodie drüber. Mir geht es aber auch gar nicht unbedingt um die Musik, ich bin nicht wahnsinnig musikalisch. Vielmehr bin ich am Rhythmus interessiert. Und hier ist Rhythmus die Hauptsache. Andere Musik als House würde ich gar nicht auflegen wollen. Ich bevorzuge harte Töne. Und laut genug muss es auch sein. Zuhause würde ich das aber nie hören, da ist mir klassische Musik viel lieber.

Eine Plattensammlung habe ich nicht. Das passiert heute alles digital. Meine Musik lade ich mir von Sites für DJs herunter. Anfänger-DJs wie ich nehmen einen bestehenden Mix und mischen diesen nochmals. Zum Auftritt nimmt man dann den Computer mit, arbeitet mit Programmen. Klar, ist vieles automatisiert, aber so hat man mehr Zeit für die Partypeople. Die Interaktion mit dem Publikum ist doch das Wichtigste. Zu spüren: Welche Musik bringe ich nun? Muss ich härter rein? Oder weicher? Ha, ich spreche schon wie ein Fachmann.

Seit ich pensioniert bin, probiere ich immer wieder neue Dinge aus. Mit 68 fing ich an, Snowboard zu fahren. Anfangs stand ich nur auf dem Brett und rief «Heb mi!», heute kann ich es zwar immer noch nicht gut, komme aber ohne Hilfe den Hang hinunter. Etwa zur gleichen Zeit begann ich, Chinesisch zu lernen. Ich verstehe zwar fast kein gesprochenes Wort, aber die Chinesen verstehen mich. Und lesen geht auch immer besser. Das ist schon viel wert.

Im Alter hast du eine Freiheit, wie du sie noch nie in deinem Leben hattest – sofern du gesund bist. Als Kind wirst du erzogen, dann dominieren Arbeitsplatz und eigene Familie dein Leben. Erst im Alter gehört die Zeit allein dir. Was meine Familie dazu sagt? Ich bin alleinstehend, keine Kinder.

Die Senioren-Aussage «Das ist nichts mehr für mich» gilt nicht für mich: Ich war wohl einer der Ersten in der Schweiz, die eine E-Mail-Adresse einrichteten. Auch ein Smartphone habe ich. Aber da es in meinem Bekanntenkreis kaum einer braucht, nutze ich es nicht so oft.

Mein Ziel ist es, als DJ gut zu werden, auch wenn ich nie sehr gut sein werde. Jetzt bin ich an dem Punkt, wo ich das Gefühl habe, dass ich mitmachen kann.

Einige Auftritte habe ich nun schon hinter mir, ich habe es genossen, die Clubbesucher zum Tanzen zu bringen. Im Moment lehne ich kein Angebot ab. Auch wenn es vier Abende pro Woche wären – das packe ich schon. Die Gage spielt keine Rolle. Ich bin überzeugt, dass ich die Leute begeistern kann – das ist eine Energie- und keine Altersfrage. Ich bin bereit.