Leben
Wie ist es eigentlich, das ganze Jahr Weihnachten zu feiern?
- Aufgezeichnet von Remo Schraner; Foto: Freeimages.com / Robciu Anaski
Johann Wanner (76), Weihnachtsschmuckhändler und Autor in Basel, erzählt, wie es ist, das ganze Jahr Weihnachten zu feiern.
Ich liebe die Weihnachtszeit! Und ich habe das grosse Glück, dass ich sie nicht das ganze Jahr über herbeisehnen muss, sondern tagtäglich in diesen speziellen Zauber eintauchen kann: in meinem Weihnachtsbaumschmuckausstattungsspezialgeschäft Johann Wanner in Basel. Seit fünfzig Jahren führe ich dieses Geschäft mit meiner Frau, stehe sieben Tage pro Woche im Laden und geniesse diese besondere Atmosphäre. Ich nenne sie Stubigkeit: schummriger Kerzenschein statt Tageslicht, dazu weihnächtliche Musik, die mich den ganzen Tag lang begleitet.
Auch in unserer Wohnung herrscht das ganze Jahr über festliche Stimmung. Ich habe dort zwanzig künstliche Christbäume aufgestellt, dekoriert mit meinem Schmuck. Ob ich verrückt bin? Wahrscheinlich schon. Em Tüfel vom Charre gfalle, wie man so schön sagt. Ich bin noch nie mit dem Strom geschwommen. Ich kanns schlicht nicht anders!
Angefangen habe ich mit einem Antiquitätenladen. Da merkte ich, wie gross die Nachfrage nach traditionellem Weihnachtsschmuck ist; etwa nach mundgeblasenen Christbaumkugeln mit von Hand darauf gestäubten Glitzerverzierungen – Stücke aus meiner eigenen Kindheit. Also entschied ich mich 1969, ganz auf dieses Weihnachtsgeschäft zu setzen, und eröffnete am Spalenberg meinen Spezialitätenladen. Einerseits, weil es ein lukratives Geschäft war, andererseits aber, weil ich mir so die Erinnerungen an meine Bubenweihnachten am Leben erhalten konnte.
Es war von Anfang an ein Erfolg. Ich rührte auch von Beginn weg mit der grossen Kelle an: Meine erste Bestellung beinhaltete eine halbe Million Christbaumkugeln! Weil ich immer wie ein Idiot eingekauft habe, verfüge ich noch heute über grosse Bestände an mittlerweile antikem Christbaumschmuck – inzwischen echte Raritäten. Über die Jahre machte ich mir international einen Namen. Mir wurde sogar die Grenze zur DDR geöffnet, damit ich dort mit den Glasmanufakturen Geschäfte machen konnte.
Und dann kam eines Tages dieser Anruf: Ich sollte für den vatikanischen Weihnachtsbaum, 25 Meter hoch, Schmuck liefern. Klar, ich fühlte mich natürlich geehrt, auch wenn ich kein regelmässiger Kirchgänger bin und sowieso offen, was die Religionen anbelangt. Ich besuche auch Moscheen und Synagogen oder finde die Nähe zu Gott in der Natur. Dennoch freute ich mich ungemein über einen solch grossen Auftrag. Die Kugeln wählte ich passend zu den Farben der vatikanischen Flagge aus: Gold und Silber. Ich liess alles auf einen Lastwagen laden, nach einer Woche waren alle Kugeln mitsamt dem Baum aus dem Schwarzwald in Rom. Wie gewohnt schickte ich dann die Rechnung an den Kunden, in diesem Fall an den Banco di Santo Spirito.
Neben meinen zwanzig künstlichen Christbäumen schmücke ich zu Weihnachten auch noch eine natürliche Tanne. Dazu suche ich auf dem Markt jeweils die hässlichste von allen aus, schliesslich ist es keine Kunst, einen schönen Baum zu dekorieren. Ich öffne eine gute Flasche Rotwein, höre klassische Musik und zelebriere einen ganzen Nachmittag lang das Schmücken des Baums. Ich behänge ihn mit dem kostbarsten Schmuck, den ich besitze: Korken, die ich als Kind bemalt habe.
An Heiligabend schliesse ich Punkt 16 Uhr meinen Laden. Mit meiner Frau schlendere ich dann durch die Stadt und begutachte in den Schaufenstern die Christbäume, die mit meinem Schmuck dekoriert wurden. So feiere ich Weihnachten.