Liebe & Sex 

Wie ist es eigentlich, einen viel jüngeren Mann zu daten?

Text: Anna Bürgin
Bild: Stocksy

Sie ist 48, er erst 23 – ist das merkwürdig? Ja, sagt Elvira F. aus Zürich. Aber auch schön und bereichernd.

Um die Antwort gleich vorweg zu nehmen: Einen 23-Jährigen zu daten ist komisch. Sehr sogar. Im Nachhinein betrachtet aber vor allem horizonterweiternd. Auf mehreren Ebenen. Aber beginnen wir von vorn.

Es war in einer Bar, am Abend um 22 Uhr. Just in dem Moment, als ich mit meiner Freundin einen Mojito bestellte, quetschte sich ein Mann neben mich an den Tresen und wollte die Kosten für die Drinks übernehmen. Weil er so jung aussah, wie er (wie wir kurz darauf erfuhren) tatsächlich war, nämlich zarte 23, konnten wir uns einen Lachanfall nicht verkneifen. Dennoch bestand er auf der Geste. Da er nicht nur jung, sondern auch sympathisch war, liessen wir uns auf die Einladung ein. Natürlich nicht, ohne vorher darauf hinzuweisen, dass die Drinks ziemlich teuer seien und wir gern selbst bezahlt hätten – Mutterinstinkt ahoi!

Geldwette oder Kamasutra-Schulung?

Schnell war klar: Simon kümmert sich nicht einfach um «ältere Damen», weil er eine soziale Ader hat. Der Gute interessierte sich tatsächlich für mich! Der Umkehrschluss war weniger romantisch: Bambi passte, zugegebenermassen vor allem altershalber, so ganz und gar nicht in mein Beuteschema. Die Situation war zwar ausgesprochen lustig. Aber auch skurril. Nach einer knappen Stunde Geplapper verabschiedeten wir uns. Simon half mir in den Mantel, küsste mich zum Abschied auf die Wange und heimste meine Telefonnummer ein.

In den kommenden Wochen schrieben wir uns gelegentlich. Simon unterlief dabei kein Fauxpas. Weder inhaltlich noch grammatikalisch. Was mir ziemlich imponierte. Als er eines Tages fragte, ob er mich bekochen dürfe, konnte ich mir das instinktive «Nein» nur knapp verkneifen. Ich entschied, herauszufinden, warum ihm nach Siedfleisch statt Tenderloin gelüstete. Aus meiner Sicht gab es zwei Möglichkeiten: Er eiferte Don Juan nach und alles, was ihm zum Ritterschlag noch fehlte, war die Kamasutra-Schulung bei einer gestandenen Frau, oder aber es stand bei einer Wette richtig viel Geld auf dem Spiel.

«Eine seiner ersten Heldentaten war es, sein Smartphone wegzulegen.»

Dass Simon schön war, fiel mir interessanterweise erst auf, als er mit gefüllten Einkaufstaschen vor meiner Tür stand. Gross, volle Lippen, wache Augen. Die Sorge, dass ich mich mit ihm über nichts Spannendes unterhalten könnte, löste sich im Nullkommanichts in Luft auf. Wir redeten stundenlang über Gott und die Welt, bevor er überhaupt zu kochen begann. Eine seiner ersten Heldentaten war es, sein Smartphone wegzulegen, eine seiner weiteren, mir den Stuhl zurechtzurücken, bevor er auftischte.

Alles war ganz anders, als ich mir das vorgestellt hatte, und ich erfuhr noch einiges von diesem tiefgründigen, selbstreflektierten Mann. Zum Beispiel, dass ihm bei Treffen mit gleichaltrigen Frauen oft der Tiefgang fehlte. Der Abend verlief weiterhin so, wie er angefangen hatte: geschmeidig! Eines führte zum anderen, bis wir uns küssten. Natürlich harmonierte auch das so gut, dass wir gar nicht mehr damit aufhörten.

Erst am Morgen danach, beim Öffnen der Augen, wurde mir wieder bewusst, wer (beziehungsweise was: ein Jüngling!) da neben mir im Bett lag. Später, nach dem gemeinsamen Frühstück – Simon war unterdessen gegangen –, ging ich in mein Zimmer und traute meinen Augen kaum: Mein Bett war gemacht! Und das nicht von mir …

Dank dem Ja zum Date habe ich erfahren, dass die heutige Jugend das Knigge-Abc viel besser beherrscht als manch gestandener Mann und Horizonterweiterung nur ohne Schubladendenken geht. Bleibt mir nur noch eines zu sagen: Mütter, wir machen alles richtig! Ein Halleluja auf die neue Generation Mann! – Elvira F. (48), Zürich