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Wie ist es eigentlich, einen Tatort zu reinigen?

Leben

Wie ist es eigentlich, einen Tatort zu reinigen?

  • Text: Stephanie Hess

Sascha Torriani aus Basel ist 37 und führt in Basel seine eigene Tatortreinigung. Für einen Einsatz benötigt er rund 200 Kilo Material – und ätherische Öle.

Auch wenn ich nun schon seit elf Jahren als Tatortreiniger arbeite, überkommt mich manchmal noch der Ekel. Beispielsweise heute Morgen. Wir mussten eine Wohnung putzen, in der mehrere Tage ein toter Mann gelegen hatte. Auf dem Boden lagen noch viele organische Überreste. Verwestes Material. Leichenflüssigkeit. Beim Aufwischen fühlt sich das ein bisschen an wie nasse Erde. Es ist aber nicht nur der Ekel, der mir manchmal die Kehle zuschnürt. Es macht einen einfach auch betroffen, wenn man Reste eines Verstorbenen in einen Abfallsack steckt.

Die Tatortreinigungsfirma Torriani putzt Zimmer, Wohnungen und Treppenhäuser nach Unfällen, Suiziden, Gewaltdelikten – oder eben wenn ein Mensch starb und lange nicht entdeckt wurde. Das Unternehmen habe ich aus dem Reinigungsinstitut meines Vaters aufgebaut. Ich bin bei ihm eingestiegen, nachdem ich zuerst Polizist werden wollte, was aber nicht klappte, weil ich nur eine zweijährige Lehre vorzuweisen hatte. Anschliessend arbeitete ich noch einige Jahre als Personenschützer.

Zu unserem ersten Einsatz fuhren wir mit einem Koffer mit Reinigungslappen und Putzmitteln, Javel-Wasser zum Desinfizieren und einer Rolle Haushaltspapier. Inzwischen sind wir um einiges professioneller geworden: Heute kommen wir mit einem Bus und rund 200 Kilo Einsatzmaterial, darunter Spachtel, Teppichmesser, spezielle Desinfektions-mittel. Hinzu kommen grosse Gebläse, mit denen wir den Gestank aus den Räumen absaugen. Bei der Arbeit tragen wir weisse Ganzkörperschutzanzüge, Schutzmasken und dicke Plastikhandschuhe.

Die Reinigung von Tatorten ist anspruchsvoll, weil es sich immer um sehr hartnäckige Verschmutzungen handelt. Blutspritzern an Wänden kommen wir in vielen Fällen mit Putzmitteln allein nicht bei. Meistens kann man sie gar nicht mehr entfernen. Die Blutkörperchen werden von der Wand regelrecht aufgesaugt. Selbst wenn der Maler die Spritzer mit normaler Farbe überstreicht, drücken sie nach einigen Monaten wieder durch. Man muss einen Spezialanstrich verwenden.
Noch schwieriger als Blut ist die Entfernung von Leichenflüssigkeit: 90 Prozent aller Böden, auf denen eine verwesende Leiche gelegen hat, müssen wir rausreissen. Wenn die Leichenflüssigkeit ins Dämmmaterial gelaufen oder in Kontakt mit dem Betonboden gekommen ist, bleibt uns nichts anderes übrig. Der Gestank wäre noch Jahre später wahrnehmbar. Wie Leichenflüssigkeit riecht? Wie wenn bei einer Gefriertruhe der Strom ausgefallen ist und alle Nahrungsmittel darin aufgetaut und verdorben sind.

Ist viel Leichenflüssigkeit vorhanden, bringen wir unsere Gebläse zum Einsatz. Ausserdem arbeiten wir mit ätherischen Ölen im Treppenhaus. Mit Menthol-, Kirsch- oder Apfeldüften. Wir wechseln täglich die Aromen, so bringen die Menschen keinen Geruch mit den Vorkommnissen in Verbindung.

Welcher mein bisher schlimmster Fall war, kann ich nicht sagen. Alle sind schlimm. Weil sie fast immer mit einem tragischen Schicksal zusammenhängen. Und weil ich bei der Arbeit auch stets mit dem eigenen Tod konfrontiert werde. Früher hat mich das nie weiter beschäftigt, aber heute mache ich mir oft Gedanken über das Leben, das Sterben und was danach kommt.

Mir hilft bei meiner Arbeit der Gedanke, dass wir anderen Menschen einen grossen Dienst erweisen, den Angehörigen, den Anwohnern oder auch den Menschen, die danach wieder in dieser Wohnung leben. Trotzdem gibt es hin und wieder Momente, in denen das gesamte Team an seine Grenzen kommt. So wie heute Morgen. Dann breche ich den Einsatz ab, und wir machen am nächsten Tag weiter.

Ob ich auch zuhause putze? Nicht sehr oft. Das macht meine Frau, wofür ich ihr sehr dankbar bin. Wenn ich den ganzen Tag Tatorte gereinigt habe, bin zuhause gern einfach ein fauler Sack.

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