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Wie ist es eigentlich, einem Patienten zu sagen, dass er sterben wird?

Leben

Wie ist es eigentlich, einem Patienten zu sagen, dass er sterben wird?

  • Aufgezeichnet von Barbara Loop; Foto: Freeimages.com

Martin Fey (63), Chefarzt für medizinische Onkologie am Inselspital Bern, erzählt, wie es ist, einem Patienten zu sagen, dass er sterben wird.

Die Vorstellung ist falsch, dass es während einer schweren Krebserkrankung dieses eine fatale Gespräch gibt, in dem der Arzt das Todesurteil ausspricht. Es gibt viele Gespräche, in denen das Sterben in irgendeiner Form – mal mehr, mal weniger explizit – zum Thema wird. Spätestens dann, wenn die Behandlungen keine Erfolge mehr erzielen und man besprechen muss, ob zum Beispiel eine weitere Chemotherapie wirklich noch sinnvoll ist. Aber selbst Patienten, die unheilbar krank sind, haben mit der richtigen medizinischen Versorgung ja noch eine Zeit lang zu leben. Meistens kann ich erahnen, wie der Patient oder die Patientin auf eine schlechte Prognose reagieren wird. Aber nicht immer. Es gibt Kurzschlussreaktionen, und es gibt Menschen, die ihre Situation lange verdrängt haben, die immer gefasst und optimistisch waren, dann aber unerwartet in Panik und Tränen ausbrechen.

Der Tod ist heute viel weniger stark im Leben verankert als früher, wo die Menschen noch zuhause starben und nicht im Spital oder im Pflegeheim. Für viele Menschen ist es deshalb eine grauenhafte Vorstellung, im beruflichen Alltag mit dem Tod konfrontiert zu sein. Dass Sterben Teil meines Berufs ist, muss ich akzeptieren. Ich habe über die Jahre gelernt, damit umzugehen. Man kann es vielleicht eine gesunde Routine nennen.

Bei aller Anteilnahme muss ich eine gewisse Distanz halten, nur so kann ich die Kontrolle über das Gespräch behalten und die Patienten auffangen. Es bringt ihnen nichts, wenn ich am Boden zerstört bin oder in Tränen ausbreche. Meine Patienten haben das Recht auf einen Arzt, der sich nicht von seinen Gefühlen übermannen lässt.

Ich versuche in diesen Situationen auf die Dinge zu fokussieren, die für mein Gegenüber noch möglich sind. Wir sprechen zum Beispiel über eine wirksame Schmerztherapie oder über die Möglichkeit, das Spital noch einmal zu verlassen, und darüber, welche Massnahmen nötig sind, um den Alltag zu meistern. Denn auch todkranke Patienten haben diesen noch. Oder ich sage ihnen, dass der Zeitpunkt jetzt gekommen sei, um Verwandte, die im Ausland leben, zu sich zu rufen, dass sie die Zeit nutzen sollten, um mit den Angehörigen zu reden.

Am schwierigsten aber ist es, wenn jemand gar nicht bereit ist, über den Tod zu sprechen. Ich erinnere mich an einen Patienten mit einem Prostatakarzinom. Er blieb bis zum Schluss optimistisch. Ich musste ihm – in aller Ruhe – sagen, dass er über die Übergabe seines Geschäfts nachdenken soll. Er wollte einfach nicht wahrhaben, dass er langsam, aber sicher die Kontrolle verliert.

Trotz aller Erfahrung beschäftigt es mich sehr, wenn etwa eine junge Frau unheilbar an Brustkrebs erkrankt. Und es ist bitter, Patienten zu verlieren, die ich über zehn oder zwanzig Jahre begleitet habe. Ich spreche dann mit meinem Team darüber und mit meiner Frau, die ebenfalls Ärztin ist. Auch im Freundeskreis habe ich viele Ärzte, die meine Situation verstehen, und im Spital würde mir psychologische Unterstützung zur Verfügung stehen.

Ich betrachte die Tatsache des Todes mit einem gesunden Fatalismus. Jeder wird sterben, der Tod ist Teil des Lebens. Dank meiner persönlichen Lebensphilosophie kann ich akzeptieren, dass nicht alle Krankheiten heilbar sind. Man muss sich auf das konzentrieren, was man noch tun kann, anstatt das zu beweinen, was nicht mehr möglich ist. Das gilt für jeden, nicht nur für sterbenskranke Patienten.