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Wie ist es eigentlich eine Schildkröte zur Fortpflanzung zu motivieren?

Leben

Wie ist es eigentlich eine Schildkröte zur Fortpflanzung zu motivieren?

  • Aufgezeichnet: Barbara LoopFoto: SXC

Sveva Grigioni, Biologin aus Pully VD, erzählt ...

Schildkrötensex ist kompliziert. Die Weibchen wollen nie, die Männchen immer. Also jagt das Männchen das Weibchen, bis es nicht mehr entkommen kann. Zum Beispiel, weil es zwischen zwei Steinen stecken bleibt. Der Akt dauert nur wenige Minuten. Vor Anstrengung ächzt das Männchen laut. Auf den Galapagosinseln ist dieses Aufstöhnen an jeder Ecke zu hören. Bei Lonesome George war das anders. Er war ein Sexmuffel. Das hätte sein ganz privates Problem sein können, wäre er nicht die letzte Riesenschildkröte seiner Art gewesen.

In der George-Darwin-Forschungsstation auf der Galapagosinsel Santa Cruz machte man ihn mit zwei weiblichen Schildkröten einer verwandten Art bekannt. Aber der einsame George zeigte null Interesse. Vielleicht, dachten sich die Forscher, ist er einfach noch nicht reif genug, um sich zu paaren. Er war zwar schon achtzig, aber Riesenschildkröten können bis zu 200 Jahre alt werden. Vielleicht wusste er aber auch einfach nicht, wie es geht. Denn der Arme lebte bis zu seiner Entdeckung 1971 ganz allein auf seiner Insel. Womöglich hatte er in seinem Leben noch nie eine andere Schildkröte gesehen. Das würde auch erklären, weshalb er so schüchtern war.

Ganz genau hat man nie herausgefunden, woran es lag, dass Lonesome George sich nicht fortpflanzte. Aber ich habe ihn immerhin so weit gebracht, es wenigstens zu versuchen. Ich verbrachte viel Zeit mit ihm. Mehrmals täglich setzte ich mich in seine Nähe. Indem ich meine Hände mit Geruchshormonen der Kloake eines Weibchens strich, buhlte ich um seine Aufmerksamkeit. Irgendwann habe ich sein Vertrauen gewonnen. Ich kam ihm näher, ich durfte ihm sogar die Hinterbeine streicheln. Dadurch entspannte sich sein Schwanz und legte den darunter verborgenen Penis frei. Das ist jetzt 20 Jahre her. Ich war damals 26 und war von der Darwin-Forschungsstation mit der delikaten Aufgabe betraut worden, an Lonesome Georges Samen zu gelangen.

Als seine Freundin wurde ich auf der Insel zur Berühmtheit. Die Leute machten Witze, die aber nie böse gemeint waren. Denn alle liebten ihn, und alle wollten, dass er glücklich wird und Kinder macht. Ihnen war klar, dass ich nicht sexuell gestört war und dass meine Arbeit im Grunde der Wissenschaft diente. Ich wollte Lonesome George helfen, hatte Mitleid mit dem Eigenbrötler. Ich hatte zuvor schon einigen Schildkröten Sperma entnommen. Meine Technik funktionierte einwandfrei. Ich musste nur aufpassen, dass sie mich nicht bissen.

Normalerweise haben Schildkröten keine Angst vor Menschen. Lonesome George jedoch war anders. Nach einiger Zeit machte aber auch er Fortschritte. Er versuchte, mit Steinen zu kopulieren, und jagte den Weibchen hinterher. Ich konnte mich ihm nähern, ihn berühren, alles lief gut, nur zum Orgasmus brachte ich ihn nicht. Doch ich war mir sicher, dass es nur noch eine Frage der Zeit war, als ich ihn nach fünf Monaten leider verlassen musste, weil mein Visum ablief. Aber nach meiner Abreise war Lonesome George so traurig, dass er sich erneut verkroch. Kein anderes Weibchen konnte sein Interesse wecken. Auch ich vermisste ihn, tatsächlich. Mir wurde berichtet, es habe Jahre gedauert, bis er wieder zutraulicher wurde.

Am 24. Juni 2012 ist er gestorben. Ich habe ihn in den zwanzig Jahren nicht wiedergesehen. Im Gegensatz zu Lonesome George habe ich in der Zwischenzeit eine Familie gegründet, die ich ihm gern vorgestellt hätte. Ich hätte meinen Ehemann gern davon überzeugt, dass es keinen Grund gab, auf die Riesenschildkröte eifersüchtig zu sein. Und ich hätte Lonesome George gern deutlich gemacht, dass auch er das Recht gehabt hätte, eine neue Liebe zu finden. Nach seinem Tod haben ihn die Tierärzte untersucht. Gestorben ist er nicht an Liebeskummer, sondern wohl eines natürlichen Todes. Erste unbestätigte Ergebnisse der Autopsie lassen vermuten, dass Lonesome Georges Orgasmusschwierigkeiten anatomisch bedingt waren. Ich war froh, das zu hören. Ich war ihm keine schlechte Freundin gewesen.