Leben
Wie ist es eigentlich, ein Zootier zu pflegen, das niemand je zu sehen bekommt?
- Aufgezeichnet: Lara Weitzel; Foto: SXC
Fabian Luginbühl, Reviertierpfleger in der Masoala-Halle des Zoo Zürich, erzählt ...
Ich bin im Masoala-Regenwald im Zoo Zürich für die Pflege des Goodman-Mausmakis zuständig. Der Goodman-Mausmaki ist einer der kleinsten Primaten überhaupt. Er gehört zur Gruppe der Lemuren, ist nur zirka neun Zentimeter gross – ohne Schwanz – und dreissig bis sechzig Gramm schwer. Gesehen habe ich ihn selbst erst wenige Male.
Den Mausmaki zu beobachten, ist fast unmöglich. Er ist eben nicht nur sehr klein, sondern auch sehr schüchtern, schnell und vor allem nur nachts aktiv. Manchmal bleiben wir freiwillig länger in der Masoala-Halle, um zu sehen, was in der Nacht überhaupt so abgeht.
Tagsüber ist die Pflege des Mausmakis relativ simpel. Morgens bereiten wir das Futter vor: Fruchtstückchen, paniert mit einem nahrungsergänzenden Pulver, manchmal gibts dazu ein paar Insekten. Am Nachmittag gehen wir dann auf die Futterrunde und verteilen das Essen. Die Futterstelle ist in diesem konkreten Fall eine Art Gehege, in das die Tierchen durch eine kleine Röhre mit Chipspule gelangen. Die Chipspule hält genau fest, welcher Mausmaki zu welchem Zeitpunkt hindurchläuft. Aus diesem Grund tragen alle Mausmakis einen Chip. So wissen wir immer, welche Tiere wann zum Essen erschienen sind und welche nicht, welche also noch am Leben sind und welche nicht.
Die Daten werden einmal pro Woche auf dem Computer ausgewertet. Einmal im Jahr fangen wir zudem alle Tiere ein, indem wir beim Futterplatz richtige Fallen aufstellen. Bis wir alle Mausmakis gefangen haben, dauert es in der Regel zwei bis drei Tage. Sie sind, wie gesagt, sehr scheu. Haben wir alle, selektionieren wir die Jungtiere aus, chippen sie, kontrollieren, ob alle gesund sind. Danach lassen wir sie wieder frei. Diese jährliche Kontrollaktion ermöglicht mir im Grunde den einzigen direkten Kontakt zu den Mausmakis.
Obwohl der Erfolg meiner Arbeit den Besuchern nicht gerade ins Auge springt, finde ich die Pflege der Mausmakis spannend. Anders als bei anderen Tieren, wie zum Beispiel dem roten Vari, den ich jeden Morgen sehe, ist beim Mausmaki mehr Feingefühl erforderlich. Diese Art der Tierhaltung ist nämlich eine echte Herausforderung, da sie, eben weil wir die Tiere nur selten wirklich zu Gesicht kriegen, sehr unkonventionell ist. Ich könnte mir nicht vorstellen, den ganzen Tag Elefanten oder Raubkatzen zu pflegen. Denn wenn ich morgens zur Arbeit komme, weiss ich nie, was mich erwartet.
Eigentlich bin ich gelernter Landschaftsgärtner. Als Reviertierpfleger in die Masoala-Halle des Zoo Zürich habe ich erst vor ein paar Jahren gewechselt. Ein typischer Quereinstieg. Im Grunde pflege ich alles, was sich hier in der Halle befindet, egal ob Pflanze oder Tier. Wir versuchen, die Masoala-Halle als eine Art geschlossenes Ökosystem zu betreiben, deshalb muss jeder, der hier arbeitet, ein Allrounder sein. Es würde nichts bringen, wenn wir Leute hätten, die sich nur um die Tiere kümmern, und andere, die für die Pflanzen zuständig sind. Der Überblick zählt. Die Hälfte des Tages verbringe ich vor allem mit Grünarbeiten; schneide Bäume oder ziehe Pflanzen nach. Den Rest bestimmen technische Tätigkeiten oder Reinigungsarbeiten. Wenn ein Tier krank ist, kommt der Tierarzt.
Man könnte sich natürlich fragen, warum ein Zoo überhaupt Tiere hält, die kaum jemand je zu sehen bekommt. Die Antwort ist: der Zoo Zürich hält den Mausmaki nicht wegen der Besucher, sondern aus Naturschutzgründen. Im Masoala-Regenwald bauen wir in Gefangenschaft eine Population auf, damit wir, wenn die Art in freier Natur vom Aussterben bedroht sein sollte, einen Ersatz hätten. Das machen wir mit vielen Tierarten so. Wer aber trotzdem gern mal einen Mausmaki sehen möchte, besucht am besten eine der Nachtführungen. Die Chance, dass man dort einen Mausmaki zu sehen bekommt, ist gar nicht so schlecht. Diese Führungen sind bei den Besuchern allerdings sehr beliebt und meistens lange im Voraus ausgebucht.