Leben
Wie ist es eigentlich, Angst vor Blumen zu haben?
- Aufgezeichnet von Pia Wolfensberger; Foto: SXC
Nicole (29) aus Zürich erzählt, wie es ist, Angst vor Blumen zu haben.
Es sind vor allem Blumen mit grossen Köpfen, die ich nicht mag und die mich ängstigen: Tulpen, Rosen. Ich glaube, ich personifiziere sie, als wären sie eigene Charaktere. Margeriten und Konsorten hingegen gehen. Sie kann ich, wenn es unbedingt sein muss, auch pflücken. Aber mein Hobby ist das nicht. Fahren meine Eltern in die Ferien, giesse ich höchstens die Geranien auf ihrem Balkon, da brauche ich nur den Gartenschlauch in die Hand zu nehmen, sie selbst anfassen muss ich ja nicht.
Wann das anfing? Es war halt einfach da. Schon im Primarschulalter mochte ich es nicht, Blumen zu sammeln und zu trocknen. Ich hasste es als Kind, wenn man mir die Samenkugel des Löwenzahns ins Gesicht blies. Und die Vorstellung, wenn wir Bohnen pflanzten, dass da etwas wächst – das war mir gespenstisch. Es ist nicht leicht zu beschreiben, wie es sich anfühlt, Angst vor Blumen zu haben. Es tschuderet einen, als fühle man sich bedroht. Es wird einem eng ums Herz, so, dass man wegwill – ganz schnell die Konfrontation auflösen, wieder Luft haben zum Atmen.
Blumen die immer näher kommen
Früher malte ich mir nachts oft aus, wie die Blumen wachsen, mir immer näher kommen. Sogar jetzt am Tag finde ich diese Vorstellung nicht angenehm. Deshalb muss ich das schleunigst verdrängen. Es ist ja schon verrückt, wie gut man sich rein gedanklich selbst Angst einjagen kann. Mittlerweile ist die Blumenphobie aber kein ernsthaftes Problem mehr für mich. Ich meine, sie gehört halt einfach zu mir, genauso wie meine Haare und meine Nase zu mir gehören. Ich kann heute auch mal mit einem Augenzwinkern auf diese seltsame Phobie schauen. Ich denke, das ist noch wichtig. Aber natürlich gelingt mir das nicht immer.
Am letzten Valentinstag zum Beispiel, meinem neu auserkorenen Hasstag, das muss man sich mal vorstellen: Da stehe ich, nichts Böses ahnend, am Zürcher Bellevue und warte auf den 6er, da kommt wie aus heiterem Himmel so ein Ungeheuer von Rose auf mich zugerast. Das war meine Wahrnehmung. In Wirklichkeit wollte mir nur einfach eine junge Frau mit einem etwas mühsamen Nebenjob eine tiefrote Rose zum Valentinstag schenken. Ich nahm sie nicht an. Ich glaube, ich lief recht zickig davon.
Leben mit der Angst
Aber im Allgemeinen habe ich mich an meine Blumenangst gewöhnt. Und ich habe Strategien entwickelt, mit ihr umzugehen. Das heisst konkret: ausweichen. Ich vermeide jegliche Konfrontation mit Blumen. Jeder Psychologe würde darob vermutlich den Kopf schütteln, weil ich just die Konfrontation suchen müsste, um die Angst zu überwinden. Aber das brauche ich gar nicht. Ich lebe im Allgemeinen sehr gut ohne Konfrontationen. Hauptsache, ich habe nichts mit diesen Dingern zu tun.
Als Kind war das anders, da war mein Schulweg oft beschwerlich wegen der Gspändli, die mich plagten. Ich meine mich zu erinnern, dass sie mir die Blumen absichtlich ins Gesicht gestreckt haben. Das war der Horror – und wäre es heute noch. Aber heute ist es wie gesagt anders, heute habe ich meine Strategien. Und auch keine fiesen Gspändli mehr.
Blumenpflege übernimmt der Freund
Mir selber kaufe ich natürlich keine Blumen. Nie! Aber ich krieg schon manchmal welche geschenkt, vor allem von Leuten, die nichts von meiner enormen Antipathie wissen. Jedem sage ich das ja nicht. Bekomme ich also doch mal welche geschenkt, delegiere ich das Amt der Blumenpflege an meinen Freund oder jemanden, der halt grad da ist. Auch Rosenwasser wechseln oder Orchideen giessen – dafür habe ich meine hilfsbereiten «Gartenzwerge».
Ob es Ausnahmen gibt? Ich finde Margeriten im Stock ziemlich gut. Manchmal schenkt mir meine Mutter einen solchen für auf den Balkon. Ich bin dann sicher nicht der Hirsch im Hegen und Pflegen, aber ich mag die Margeriten gern ansehen. Ich kann fast sagen: Die gefallen mir. Auch ein schönes Blumenbeet an einem Haus oder als Strassenzierde find ich schön zum Anschauen. Aber sonst hält sich meine Liebe für Blumen tatsächlich schwer in Grenzen. Apropos Liebe; nein, Männer schenken mir keine Blumen! Dafür sorge ich jeweils früh genug. Es gibt ja andere Geschenke, die hübsch sind.