Wie ist es eigentlich, als -ic eine Wohnung zu suchen
- Aufgezeichnet von Joëlle WeilBild: Getty Images
Maja Zivadinovic, (32), Journalistin, erzählt…
Zivadinovic. Das ist mein Nachname. Die meisten können ihn sich nicht merken, wenn sie ihn zum ersten Mal hören. Oder sie konzentrieren sich nur auf die Endung -ic. Es ist ein serbischer Name und bedeutet überhaupt nichts. Wer ihn hört, für den ist klar: Ich bin ein Jugo. Bei der Wohnungssuche ist das hinderlich. Ich habe bestimmt zwanzig Wohnungen angeschaut, doch niemand wollte einem Jugo eine Wohnung vermieten. Hören die Verwalter -ic, denken sie offenbar sofort an schreiende, gewalttätige und zahlungsunfähige Immigranten, die sich mit ihren Nachbarn anlegen.
Vor neun Jahren war ich das erste Mal auf Wohnungssuche. Damals war ich 23. Mein Schweizerdeutsch ist einwandfrei, ausser meinem Nachnamen gibt es nichts, was meinen Migrationshintergrund verrät. Dass ich jedoch gerade meinen Namen verschweigen muss, um eine Chance zu kriegen, habe ich lange nicht kapiert. Ich ging offen und direkt, wie ich bin, auf die Verwalter zu und fragte, ob eine ausgeschriebene Wohnung noch frei sei. Dutzende Male hörte ich: «Exgüsi, Frau … Wie war noch mal Ihr Name? Oh! Entschuldigung. Die Wohnung ist schon vergeben.» Immer wenn ich sagte, dass ich Maja Zivadinovic heisse, wurde ich am Telefon abgewürgt.
Als ich nach einer Weile endlich merkte, dass meine balkanischen Wurzeln anscheinend grosses Unbehagen auslösen, entschied ich, mich nur noch mit meinem Vornamen am Telefon zu melden. Das Verschweigen meiner Herkunft führte dazu, dass ich für alle Immobilienbesitzer im Zürcher Kreis 4 und 5 einfach nur noch Maja war. Maja mit der Zürischnurre. Maja ohne Familiennamen.
Manchmal gab ich mich auch als Meier oder Müller aus. Zunächst einfach so zum Spass, später durchaus mit Kalkül. Und siehe da: Plötzlich wurden mir die Wohnungstüren nicht mehr vor der Nase zugeschlagen.
Maja Müller klingt in den Ohren der meisten Vermieter vertrauenswürdiger als Maja Zivadinovic.
Meinen Nachnamen nannte ich erst, nachdem mich der Vermieter persönlich kennen gelernt hatte und sich davon überzeugen konnte, dass ich harmlos bin. So lernte mein erster Vermieter mich als nachnamenlose Maja kennen. Er zeigte mir die Wohnung. Mir gefiel sie. Wir witzelten etwas herum, sprachen über den Waschplan der Waschküche und über die Heizkosten. Ich habe wohl einen guten Eindruck hinterlassen, denn er meldete sich wenige Tage später bei mir um mir mitzuteilen, dass ich die Wohnung bekomme. «Aber Maja, ich brauche für die Erstellung des Vertrags deinen Nachnamen.» Für mich war klar: Ab jetzt besteht keine Gefahr mehr. Wer mir jetzt noch Nein sagt, steht klar als Rassist da. Also begann ich mit einer Engelsgeduld, meinen Nachnamen zu buchstabieren. Und nochmals. Und ein weiteres Mal. Und ein letztes Mal. Klar, reagierte der Vermieter verwirrt. Er fragte auch mit irritierter, unsicherer Stimme, woher mein Name denn komme. Ich wusste, dass das eher eine Kontroll- als eine Interessenfrage war. In diesem Moment aber hoffte ich nur, dass der plötzliche Rückzieher ausblieb. Und er blieb es.
Grundsätzlich nehme ich die Sache mit Humor. Ich finde fast nichts witziger, als mich über meine serbische Herkunft lustig zu machen und übers Autoradioklauen zu spässeln. Natürlich habe ich noch nie ein Autoradio geklaut. Ich habe auch keine blauen Flecken von einem gewalttätigen Vater. Dafür ein regelmässiges Einkommen, das ich erarbeite. Und so ist es genau betrachtet erschreckend, dass ich als Frau aus dem ehemaligen Jugoslawien systematisch in eine Schublade mit Kleinkriminellen gesteckt werde. Wenn ich ehrlich bin, verletzt mich das. Denn im Grunde bin ich eine zuverlässige Mieterin, eine liebenswerte Nachbarin und eine ordnungsliebende Mitbenutzerin der Waschküche.