Wenn Tampons Luxus sind
- Redaktion & Text: Miriam Suter, Kerstin Hasse; Fotos: iStock
Während ihrer Periode sind Frauen auf Tampons oder Binden angewiesen. Die teuren Produkte sind gerade für mittellose Menschen ein Luxus, den sie sich nicht leisten können. Die amerikanische #HappyPeriod-Foundation will dafür sorgen, dass obdachlose Frauen mit Hygieneprodukten versorgt werden. Wie sieht es in der Schweiz aus?
Die Monatsblutung ist für die Menschen, die sie betrifft, oft nicht nur schmerzhaft, sondern auch teuer: Im Durchschnitt bekommt eine Frau zum ersten Mal im Alter von 13 Jahren ihre Periode, zum letzten Mal mit 51. Geht man davon aus, dass die Regel drei bis sieben Tage dauert, macht das gut sechs Jahre und 456 Perioden. Bei einem durchschnittlichen Preis von fünf Franken pro Tamponpackung und Periode gibt eine Frau in ihrem Leben also über 2000 Franken für Hygieneprodukte aus. Das mag auf den ersten Blick nicht nach viel Geld klingen. Wenn das Geld aber derart knapp ist, dass fünf Franken zu viel sein können, wird die Monatsblutung zu einem Problem.
Gerade obdachlose Frauen kämpfen mit finanzieller Knappheit, Zugang zu kostenlosen Tampons oder Binden gibt es selten. Daran will die Amerikanerin Chelsea Von Chaz etwas ändern. 2015 gründete sie zusammen mit ihrer Mutter die #HappyPeriod-Foundation, die Anlaufstellen für Obdachlose mit Hygieneprodukten für Frauen versorgt. «Vor einigen Jahren stand ich mit meinem Auto an einer Kreuzung in LA und sah diese obdachlose Frau mit ihrer blutgetränkten Hose. Sie war dem so ausgesetzt, es war mitten am Tag», so Chelsea Von Chaz gegenüber Refinery29. Und: «Wenn Frauen keinen Zugang zu Hygieneprodukten haben, ist das Risiko für sie viel höher, eine Infektion zu erleiden.»
Nicht nur werden Tampons und Binden selten an solche Organisationen gespendet, in den USA sind sie auch oft nicht im Budget vorgesehen – und das, obwohl in L. A. ein Drittel der Obdachlosen Frauen sind. Die Organisation #HappyPeriod unterstützt auch Menschen, die nicht in Obdachlosenheimen leben: «Unsere Initiative unterstützt alle, die obdachlos sind, ein niedriges Einkommen haben und/oder in Armut leben. Inklusive LGBT-Menschen, nicht-binäre Menschen, Teenager, Veteranen und Behinderte», schreibt Von Chaz auf ihrer Website. Mittlerweile gibt es Ableger der Initiative in New York, Atlanta, Miami, San Diego, Chicago und Washington.
In der Schweiz geben viele Notschlafstellen und soziale Organisationen, die sich um mittellose oder obdachlose Frauen kümmern, Binden und Tampons gratis ab. Laut Elfie Walter, Leiterin der Frauenoase Basel, sind es zwar weniger Frauen als Männer, die in der Schweiz obdachlos sind, dennoch werde oft unterschätzt, wie viele Frauen auch in Schweizer Städten ohne ein Dach über dem Kopf leben. «Es kommt natürlich darauf an, wie man Obdachlosigkeit definiert. Manche Frauen haben vielleicht noch einen Unterschlupf bei einer Freundin oder einem Mann, bei dem sie immer wieder unterkommen, und sind deshalb nicht ganz ohne ein Zuhause. Andere schlafen regelmässig in der Notschlafstelle. Es gibt aber einige Frauen, die in Not geraten sind und komplett auf der Strasse leben müssen.»
Die Frauenoase ist eine Anlaufstelle für eben genau diese Frauen, die auf der Strasse leben oder arbeiten. Die Besucherinnen befinden sich in Notsituationen, sind abhängig, viele Frauen arbeiten zudem als Prostituierte. Im vergangenen Jahr haben 182 Frauen die Frauenoase Basel besucht, etwa 100 davon regelmässig. «Ich würde schätzen, dass davon etwa 15 bis 20 Frauen komplett obdachlos sind», so Walter. Die Organisation bietet kostenlose Verpflegung, Dusch- und Waschmmöglichkeiten, Kleiderbörsen und ärztliche Beratung an. Die Frauen erhalten bei jedem Besuch Feuchttücher, Intimtücher und Nastücher, und wenn sie Tampons, Binden, Kondome oder auch Spritzenmaterial brauchen, bekommen sie dies ebenfalls gratis. «Wenn die Frauen unter ihrer Periode leiden, können wir ihnen auch ein Schmerzmittel geben oder ihnen die Möglichkeit bieten, sich hinzulegen. Meist hilft das schon sehr.»
Auch andere soziale Institutionen in Basel geben Tampons und Binden ab, wie zum Beispiel die Suppenküche Soup & Chill. Laut Claudia Adrario, Leiterin der Wärmestube, sind etwa 15 bis 20 Prozent ihrer Besucher weiblich. Viele obdachlose Frauen hätten aber bereits die Menopause hinter sich und seien deshalb nicht auf Tampons und Binden angewiesen. Adrario versucht, Frauen auf der Strasse besonders intensiv zu unterstützen. «Wir beobachten die Frauen, die regelmässig zu uns kommen. Wenn wir merken, dass es ihnen gerade sehr schlecht geht oder die Strasse ihnen sehr zusetzt, versuchen wir, für sie eine Schlafstelle für ein paar Nächte zu suchen, damit sie sich entspannen können und zur Ruhe kommen.»
In Zürich haben im vergangenen Jahr zwischen 130 und 140 Frauen in der städtischen Notschlafstelle übernachtet. «Neben allgemeinen Hygieneartikeln wie Duschmittel, Shampoo oder Zahnpasta werden bei uns auch Binden und Tampons abgegeben», sagt Susanne Heckendorn, Kommunikationsverantwortliche der Sozialen Einrichtungen und Betriebe der Stadt Zürich. Bei den Sozialwerken Pfarrer Sieber in Zürich sind etwa 20 Prozent der zu betreuenden Personen Frauen, wie Kommunikationsleiter Walter von Arburg erklärt. In den niederschwelligen Anlaufstellen wie der Sunestube oder dem Brot-Egge sind laut von Arburg stets Hygieneartikel für Frauen vorrätig, die gratis abgegeben werden. In den Wohnreinrichtungen der Sozialwerke hingegen, werden die Bewohnerinnen dazu aufgefordert, sich wichtige Dinge wie Duschmittel oder Tampons selbst zu besorgen. «Als Teil des Sozialtrainings versuchen wir den Frauen zu helfen, ihr Geld besser einzuteilen, sodass sie lernen, sich lieber Hygienartikel statt Drogen oder Alkohol zu kaufen.»
Von Arburg betont, dass Frauen, die auf der Strasse leben, doppelt benachteiligt sind. «Die Frauen müssen nicht nur mit der sozialen Isolierung und den Herausforderungen der Strasse klarkommen, sondern werden sehr oft auch noch sexuell ausgebeutet.» Deshalb würde bei vielen Frauen körperliche Hygiene – auch während der Periode – in den Hintergrund rücken, viel mehr seien es Krankheiten oder Ängste, die das Leben der Obdachlosen dominieren. «Hygiene ist aber ein sehr wichtiger Teil des eigenen Selbstwertgefühls. Nur wenn wir uns gepflegt fühlen, können wir uns auch wertschätzen», sagt von Arburg. Deshalb sei es besonders wichtig, die obdachlosen Frauen darin zu unterstützen, sich selbst zu pflegen.