Ehemann, Kinder und vielleicht noch einen Hund: Ich hatte schon immer den Plan, jung zu heiraten und eine Familie zu gründen. Doch mit Ende zwanzig stolperte ich immer noch von einer kurzweiligen Romanze in die nächste. Ich hatte die Nase voll davon; jedes Mal viel Zeit und Gefühle investieren, ohne zu wissen, ob die Beziehung auch längerfristig hält. Ich war definitiv bereit für den Partner fürs Leben – und bat deshalb meine Eltern, mir einen Ehemann zu suchen.
Diese Bitte, so aussergewöhnlich oder gar unverständlich sie für manche meiner Freundinnen erschien, war für mich ganz normal. Denn obwohl ich in der Agglomeration einer Grossstadt aufgewachsen bin – mit Freunden aus aller Welt – und obwohl ich mir mit meinem Architekturstudium selbstbewusst eine männlich dominierte Branche ausgesucht habe, so waren und sind meine tamilischen Wurzeln stark und zuhause immer sehr präsent. Eine arrangierte Ehe ist in meinem Kulturkreis nichts Ungewöhnliches. Auch meine eigenen Eltern sind einander von ihren jeweiligen Brüdern vorgestellt worden; sie erscheinen mir bis heute sehr glücklich miteinander zu sein. Aus meiner Sicht besteht auch kein grosser Unterschied zwischen mir und Frauen, die über Datingportale im Internet ihren Traummann suchen. Meine Dating-App waren sozusagen einfach meine Eltern, die mich ja sehr viel besser kennen, als dies ein programmierter Computer-Algorithmus jemals könnte.
Zuerst nahm meine Mutter Kontakt mit einem Heiratsvermittler unserer Glaubensgemeinschaft auf und erstellte eine Heiratsanzeige in meinem Namen. Der Vermittler glich mein Profil darauf hin mit dem aller anderen Heiratswilligen unserer Community ab. In den folgenden drei Jahren schlug er meiner Mutter Dutzende potenzielle Ehemänner vor, insgesamt zehn Profile davon leitete sie mir dann per E-Mail weiter. Diese enthielten neben einem Foto der Kandidaten auch Informationen über deren Eltern, das Geburtsdatum und den Beruf. Wie den meisten srilankischen Eltern ist auch meinen Eltern eine erfolgreiche Karriere sehr wichtig. Deshalb war es immer ihr höchstes Ziel, mir selber auch eine gute Ausbildung zu ermöglichen.
Obschon ich in der Entscheidung, wen ich treffen wollte und wen nicht, grundsätzlich unabhängig war, so besprach ich mich vorgängig dennoch jeweils mit meinen Eltern, da mein zukünftiger Ehemann einige gesellschaftliche Bedingungen erfüllen sollte. Eine grosse Rolle spielt zum Beispiel der religiöse und ethnische Hintergrund, da bis vor zehn Jahren Bürgerkrieg zwischen hinduistischen Tamilen und buddhistische Singhalesen herrschte. Und auch die Herkunft und der Ruf der Familie und Schwiegereltern sind sehr wichtig. Das geht teils auch einher mit der Kaste, der jemand angehört. Diese soziale Einordnung verliert zwar immer mehr an Bedeutung, ist für die ältere Generation aber noch wichtig – und dem wollte ich aus Respekt gegenüber meinen Eltern Rechnung tragen.
Wirklich infrage kam dann für mich nur einer, Chetan. Wir trafen uns etwa fünf Mal – gingen zu Abend essen oder ins Kino und lernten uns wie jedes andere Paar auch unabhängig und ohne unsere Eltern kennen. Da es für uns beide stimmte, entschlossen wir uns nach etwa sechs Monaten, unsere Verlobung bekannt zu geben, und wurden sogleich von einem hinduistischen Priester gesegnet. Dieser bestimmte auch aufgrund unserer Sternzeichen und des gemeinsamen Lebenshoroskops den Hochzeitstag. Wie wohl jede andere Braut auch war ich vor meiner Hochzeit etwas nervös – schliesslich sollte es der schönste Tag im Leben werden. Unsere beiden Familien hatten ein rauschendes Hochzeitswochenende mit grosser Party und einer hinduistischen Zeremonie organisiert. Über 500 Gäste aus aller Welt waren eingeladen. Es war ein Traumtag – aber gehalten hat unsere Ehe leider trotzdem nicht. Vielleicht ging alles zu schnell und wir hätten uns noch besser kennenlernen sollen. Vielleicht hat es auch einfach zwischenmenschlich nicht gepasst. Aber dieses Risiko trägt jedes Ehepaar, egal wie es zueinander gefunden hat. Eine Garantie für die ewige Liebe gibt es nie.