Werbung
Wenn die eigene Spermaqualität ungenügend ist

Leben

Wenn die eigene Spermaqualität ungenügend ist

  • Aufgezeichnet von Kerstin Hasse; Foto: iStock/Julia Simina, Olga Zarytska

Adrian * (34) stellt deswegen zwar nicht gerade seine Männlichkeit in Frage, aber er will Papa werden – und es tut ihm leid, dass seine Frau das Problem ausbaden muss.

Wahrscheinlich ist es ein Klischee, aber ich hätte wirklich nie vermutet, dass ausgerechnet ich ein Problem in diesem Bereich habe. Es gab ja auch keinen Anlass dazu. Ich habe gern und viel Sex, hatte nie Schwierigkeiten, eine Erektion zu haben, nie irgendwelche Potenzsorgen und sehe mich eigentlich auch als ganz guten Liebhaber. Dass ausgerechnet ich nicht einfach so ein Kind zeugen kann, wäre mir nie in den Sinn gekommen.

Deshalb machte ich mir auch keine Gedanken, als meine Frau nach sechs Monaten mehr oder weniger strategisch geplantem Sex noch nicht schwanger wurde. Ich war überzeugt, dass es einfach noch ein bisschen mehr Zeit braucht. Doch sie hatte das Gefühl, dass etwas nicht stimmt. Also liessen wir uns untersuchen. All ihre Testresultate waren positiv. Bei mir aber sah es anders aus.

Schon mein erstes Spermiogramm war nicht ideal. Ich solle nochmal vorbeikommen, riet der Arzt. Das ist keine sehr angenehme Atmosphäre in diesem Spitalzimmer, das genau für solche Zwecke eingerichtet ist. Eine sterile Liege, ein Fernseher mit entsprechendem Programm, nebenan der Pausenraum der Angestellten, die man lachen und schnattern hört.

Das zweite Spermiogramm war sogar noch schlechter als das erste. Ich schickte es zur Sicherheit auch noch meinem Bruder. Er ist Arzt, und ich wollte seine Meinung haben. Er bestätigte die Aussagen meines behandelnden Doktors: Ich produziere bedeutend weniger Spermien als andere Männer, dazu kommt, dass ein Grossteil der Spermien eine Kopfdeformation hat. Prozentzahlen, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass es trotzdem klappt mit dem Kinderwunsch, werden einem nicht gegeben. Das fand ich besonders anstrengend. Aber übersetzt hiess mein Befund, dass es für mich sehr schwierig werden würde, auf natürliche Weise ein Kind zu zeugen.

Der Arzt zeigte uns Behandlungsmöglichkeiten einer künstlichen Befruchtung auf und versicherte, dass es bei uns wohl nur eine Frage der Zeit sein würde, bis es mit dieser Behandlung klappen werde. Denn auch wenn ich qualitativ weniger gute Spermien produzierte, gäbe es immer noch genug gesunde, die man für die Befruchtung eines Eis nutzen konnte. Also haben wir uns für die künstliche Variante entschieden.

Es gab nie einen Moment, in dem mich diese Diagnose irgendwie in eine Krise stürzte. Ich zweifelte auch, wider das Klischee, nie an meiner Männlichkeit. Eine der grössten Herausforderungen für mich war jedoch zu realisieren, dass meine Frau mein Problem ausbaden musste. Denn sie war es, die sich Hormone verabreichen lassen musste. Sie war es, die morgens vor der Arbeit ins Spital zur Kontrolle musste. Sie war es, die sich einem Eingriff unterziehen musste.

Ich hingegen konnte nicht sehr viel machen. Ausser zu versuchen, die Risikofaktoren, die das Sperma verschlechtern können, zu reduzieren. Nikotin und Alkohol, enge Boxershorts, heisse Bäder – die ich liebe – oder Schmerztabletten, die ich immer mal wieder wegen starker Rückenbeschwerden einnehme – das sind alles Dinge, die rein theoretisch die Spermien verschlechtern können und auf die ich deshalb entweder ganz oder fast ganz verzichtete. Es ist aber nicht so, dass ich wegen irgendwelcher Laster in dieser Situation war – ich hatte einfach nur Pech, wie der Arzt mir erklärte.

Ich fühlte mich schon ab und zu ein wenig unter Beobachtung gestellt und fand es eher mitteltoll, wenn die Temperatur meines Vollbads – das ich nur noch alle zwei Wochen geniessen durfte – von meiner Frau kontrolliert wurde. Sie hat mir nie irgendwelche Vorwürfe gemacht, und dafür bin ich ihr sehr dankbar. Aber sie stellte klar, dass wir beide unsern Beitrag leisten müssen, und für mich hiess das halt öfter duschen und weniger Wein trinken.

Die ersten beiden Versuche waren erfolglos. Das ist schon sehr ernüchternd, wenn man nach dem ganzen medizinischen – und auch finanziellen – Aufwand einen Anruf erhält und einem ganz trocken mitgeteilt wird, dass es halt leider nicht geklappt hat. Überhaupt war die ganze Prozedur sehr anstrengend für uns als Paar. Man beginnt diese Reise als Team, aber es gibt immer wieder Momente, in denen man sich voneinander entfernt und auch gegenseitig bekämpft, sich Vorwürfe macht oder die Schuld beim anderen sucht. Du willst ja unbedingt ein Kind, sagte ich dann vorwurfsvoll. Dabei wollte ich ja auch eines. Sie wiederum stellte in den Raum, dass ein anonymer Samenspender vielleicht auch eine Lösung wäre, was mich verletzte. Das passiert einfach. Man steht unter Druck, dazu kommt vielleicht noch Stress bei der Arbeit – da kann schnell ein Streit entstehen.

Ich habe das meiner Frau damals nicht gesagt, aber ich habe mir innerlich überlegt, wie lang wir diesen Zustand wohl aushalten könnten, wie viele dieser Versuche wir überstehen würden. Sie war gereizt durch die ganzen Hormone, ich war auch dünnhäutiger, und unsere Beziehung wurde in diesen Monaten so stark auf die Probe gestellt wie nie zuvor. Gleichzeitig wusste ich, dass ihr Kinderwunsch da ist, und das machte mir auch Angst. Was, wenn ich ihr das nicht geben konnte, was sie sich wünscht?

Die Erleichterung, als nach dem dritten Versuch endlich der erlösende Anfruf kam, war enorm. Wir waren euphorisch – zumindest im ersten Moment. Dann machte unser Arzt uns schnell klar, dass wir noch lang nicht am Ziel angekommen sind. Das war eine schmerzliche Einsicht. Für Paare, die auf natürliche Weise schwanger werden, beginnt das Abenteuer Kind mit dem positiven Schwangerschaftstest. Doch wir hatten an diesem Punkt bereits einen ganzen Marathon hinter uns. Und nun mussten wir nochmal drei Monate bangen, hoffen und warten. Denn die Chancen, in dieser Zeit das Kind zu verlieren, waren so gross wie bei jeder anderen Schwangerschaft auch – wenn nicht sogar noch ein wenig grösser. Ich weiss nicht, was mit unserer Beziehung passiert wäre, wenn wir diese drei Monate nicht geschafft hätten und sich das Ei nicht eingenistet hätte. Zum Glück hat alles geklappt, und wenn hoffentlich alles weiterhin so gut läuft, werden wir dieses Jahr endlich Eltern. 

Ich denke, dass ich heute, mit all den Erfahrungen, die ich in den letzten zwei Jahren gesammelt habe, vor allem für mehr Offenheit bei diesem Thema plädiere. Ich finde es erstaunlich, wie tabuisiert das alles ist. Wir haben fast bei jedem Termin im Spital Leute getroffen, die wir gut oder zumindest entfernt kennen – aber nie hätte irgendjemand bei einem nächsten Treffen darüber gesprochen, wo wir uns zuletzt begegnet sind oder was wir gerade durchmachen. Mir hätte das nichts ausgemacht. Man merkt jedoch bei seinen Gegenübern, dass das nicht angebracht ist. Ich bin mir sicher, dass viele Paare entspannter mit ihren Problemen umgehen würden, wenn sie wüssten, wie viele andere ihre Sorgen teilen. Wenn es zudem ums Kinderkriegen geht, reden die meisten Leute nur davon, dass die Frau sich Gedanken machen sollte, wann sie Kinder möchte und dass die Frau sich Voruntersuchungen unterziehen sollte. Doch für Männer gilt das auch. Es ist nur vernünftig, bei einem Kinderwunsch einfach mal ein Spermiogramm machen zu lassen, um zu wissen, wie die Situation aussieht. Der Faktor Zeit ist es nämlich, den man unterschätzt. Wenn wir gewusst hätten, wie lang dieser Weg wird, hätten wir vielleicht schon früher begonnen.

Adrian * (34), aus Basel

* Name der Redaktion bekannt