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Weihnachten for One

Leben

Weihnachten for One

  • Text: Julia Heim; Foto: Maxim Kabb/iStock/Getty Images (1)

Kaum ein Tag schürt so viele familiäre Erwartungen wie der 24. Dezember. Da sieht man sogar darüber hinweg, dass man sich unter dem Jahr nur wenig zu sagen hat. Schluss damit!, findet unsere Online-Chefin Julia Heim. Man kann doch den Heiligabend auch mal allein verbringen, ganz entspannt mit Kerzen, Schoggi und Champagner.

Es duftet nach Lebkuchen, Glühwein und Bienenwachs, aber eben auch nach Stress, Billigparfum und verbranntem Christstollen. Weihnachten ist in der Realität nicht so ruhig und besinnlich, wie man es sich gern ausmalt. Das hält einen aber nicht davon ab, die folgenden elf Monate wieder an ebendieses Märchen zu glauben. Fakt ist: Die ersten Einladungen flattern mir bereits im Oktober ins Haus. Dabei stecke ich doch noch mitten im Herbst. Und der Druck, wieder ein passendes Geschenk für die Verwandtschaft zu finden, wächst spätestens eine Woche vor Weihnachten ins Unerträgliche. Dabei mag ich Weihnachten, backe Guetsli, schlürfe Zimttee und summe enthusiastisch zu jedem Weihnachtsklassiker im Radio. Wäre da nicht die Sache mit den Erwartungen.

Es ginge doch so einfach. Ohne Geschenklidruck, ohne grosses Weihnachtsessen und ohne die Ansprüche der gesamten Familie, die oftmals so gar nicht zusammenpassen wollen. Zudem herrscht in vielen Familien unter dem Jahr dicke Luft. Da fragt man sich schon, weshalb gerade der 24. Dezember dafür herhalten soll, den Zwist mit Tannengrün zu bedecken und ihn mit der Weihnachtsgans herunterzuwürgen. Da freuen sich die Grosseltern auf den Gottesdienst, die Eltern wünschen sich ein gemeinsames Abendessen, der Partner möchte es unkompliziert, die Schwester möglichst alternativ, und die Kinder (ob die eigenen oder die der Verwandtschaft) haben sowieso immer Vorrang. Aber was wünscht man sich selbst?

Haben Sie schon einmal daran gedacht, den Heiligabend allein zu verbringen? Vielleicht im Pyjama, mit einer Flasche Wein und einem Fondue for One? Haben Sie den Gedanken schnell wieder verworfen, weil Sie nicht wussten, wie das Grosi es aufnehmen würde?

Mein Liebster und ich haben uns vor einigen Jahren freigestrampelt. Das war nicht einfach – das kann ich Ihnen sagen. Wir waren es leid, lediglich andere glücklich zu machen und den Spagat zwischen vier geschiedenen Elternteilen und dem Rest der Familie zu meistern. Wir schlugen sämtliche Weihnachtseinladungen aus und verbrachten den Heiligabend im Pyjama vor dem Fernseher. Auch wenn anfangs nicht überall Begeisterung herrschte, haben sich alle damit arrangiert. Mittlerweile erhalten wir keine Weihnachtseinladungen mehr. Und wissen Sie was: Ich liebe es.

Dafür öffnen wir unsere Tür. Freunde und Familie, die keine Lust auf einen Abend voller Erwartungen haben und hungrig sind, kommen vorbei. Spontan. Essen ist immer im Haus. Und Geschenke muss niemand bringen, darf aber, wer will. Übrigens bin ich nicht die Einzige, die sich vom Weihnachtsprotokoll verabschiedet hat. So feierte meine Tante vor zwei Jahren mit Schoggi und Schampus ganz allein. Bereits um neun wurde die letzte Kerze ausgepustet, und sie legte sich glücklich besäuselt vom Prickelwein in die Federn. Auch meine Schwester bevorzugt es, am 24. Dezember unaufgeregt in Berlin zu verweilen. Mit Hund und ohne Druck. Meist ohne Gesellschaft. Und das vollkommen zufrieden. Glück hat, wer sich diese entspannte Einstellung auch bis zum 31. Dezember bewahren kann. Ein weiterer Abend, den man, wie viele behaupten, keinesfalls allein verbringen sollte. Dabei ist doch noch Champagner und Schokolade im Haus.