Der Women's March in Washington war eine der grössten Protestaktionen in der US-Geschichte. Junior Online Editor Miriam Suter hofft auf eine nachhaltige Wirkung – auch in der Schweiz.
Ich habe das vergangene Wochenende damit verbracht, Tränen aus meinen Augenwinkeln zu wischen. Zuerst aus Verzweiflung und dann aus Rührung. Am Freitagabend habe ich mir die Live-Übertragung von Donald Trumps Vereidigung zum 45. US-Präsidenten angeschaut und wieder einmal realisiert, wer in den kommenden vier Jahren die USA regieren wird: ein reicher, weisser Mann, der Sexismus und Rassismus nicht nur befürwortet, sondern auch lebt. Das macht mich wütend und hilflos.
Der Women’s March in Washington und die über 600 Sister Marches weltweit (annabelle.ch berichtete) am Tag darauf kamen deshalb genau zum richtigen Zeitpunkt. Ich habe via Livestream zugeschaut, wie gut eine halbe Million Menschen in der US-Hauptstadt ihrer Wut – und ihrer Hoffnung – Ausdruck verliehen. Mit Transparenten, Protestgesängen und inspirierenden Ansprachen. Etwa die Schauspielerin Ashley Judd, die auf der Bühne ein Anti-Trump-Gedicht der 19-jährigen Poetry-Slammerin Nina Donovan rezitierte. Oder Alicia Keys, die in ihrer Rede die Geschichte afroamerikanischer Frauen thematisierte.
Nun könnte man natürlich argumentieren, dass eine politische Entscheidung in einem Land, das Tausende von Kilometern entfernt liegt, uns nur geringfügig beeinflusst. Das stimmt so aber nicht. Trumps Wahl ist bezeichnend für den globalen politischen Rechtsrutsch, den auch Europa erlebt. Und mit ihm werden konservative Werte gestärkt, die konträr zu dem stehen, wofür ich mich einsetze. Aber als Frau, als Journalistin und als Feministin habe ich mehr und mehr das Gefühl, Teil eines grösseren Ganzen zu sein. Teil einer Bewegung, die zwar einen Weckruf brauchte, sich jetzt aber auf die Hinterbeine stellt und einsteht für die Werte, die uns als Gesellschaft stark machen: Gleichberechtigung, soziale Inklusion und der Kampf gegen Diskriminierung.
Ich habe mich bisher immer ein bisschen allein gefühlt mit meinem Kampfgeist. Zwar nicht hier in der annabelle-Redaktion, wo wir uns seit Jahren stetig für genau diese Anliegen einsetzen. Und auch nicht in meiner gemütlichen Filterblase. Aber dafür an so manchem Bartresen, wenn die Diskussionen nach dem dritten Gin Tonic etwas hitzig werden. Oder an Wahlsonntagen, an denen ich einmal mehr feststellen muss, dass so viele Millennials nicht an die Urne gehen – sich aber danach über die Resultate beschweren. Damit machen wir uns selber zu einer politischen Minderheit.
Ich hoffe, dass der Women’s March – übrigens eine der grössten Protestaktionen in der US-Geschichte – wachrüttelt, auch hier in der Schweiz. Etwa alle diejenigen, die bisher immer eine Ausrede gefunden hatten, nicht abzustimmen oder sich nicht einzusetzen für die eigenen Prinzipien, weils halt ein bisschen anstrengend ist.
Die kommenden Jahre werden uns einen langen Atem abverlangen. Aber wir haben die Möglichkeit zu beeinflussen, was um uns herum geschieht. Und wir sind nicht allein.