Leben
Was kann man gegen das Delfinmassaker tun?
- Interview: Larissa Haas; Fotos: Robert Marc Lehmann, Mundo Azul
In den Gewässern Perus werden jährlich bis zu 15 000 Delfine getötet und als Haifischköder eingesetzt – illegal. Die Schweizer seien für deren Tod mitverantwortlich, sagt Fabienne McLellan, wichtig sei deshalb Aufklärung.
annabelle: Weshalb werden ausgerechnet in Peru so viele Delfine getötet wie nirgendwo sonst?
Fabienne McLellan: Rund 10 Prozent der Fische des globalen Konsums kommen aus Peru. Deshalb ist die Küstenfischerei von hoher Bedeutung, zumal sie der wohl wichtigste Industriezweig des Landes ist. Er bietet sowohl Arbeitslosen als auch finanziell Benachteiligten weitere Beschäftigungsmöglichkeiten. Die Delfinjagd allerdings, ist in Peru seit 1997 verboten. Weil aber die Regierung in den Siebzigerjahren aus ökonomischen Interessen die Lizenzen für das Nutzen etlicher Fanggründe an japanische Fischereiunternehmen abgegeben hatte, bleiben für die lokalen Fischer und deren Familien kaum noch Tiere übrig. Deshalb weichen sie auf alternative Arten aus. Das lukrativste Geschäft erhoffen sie sich mit dem Haifischfang. Und um diese Tiere zu kriegen, werden die Delphine getötet und als Köder missbraucht.
Warum ist der Haifischfang so lukrativ?
Haifisch ist in der peruanischen Esskultur verankert. Das beliebte Fischgericht Ceviche beispielsweise wird noch immer mit dessen Fleisch zubereitet. Zudem lassen sich mit Haifisch auch international gute Geschäfte machen. Etwa mit der Flosse, die ist auf dem asiatischen Markt ein Renner! Auch wir in der Schweiz gehören zu den häufigen Abnehmern, ohne uns dessen bewusst zu sein. So enthalten etliche Arzneimittel zur Linderung von Gelenkschmerzen Haifischknorpel.
Wir sind also indirekt mitverantwortlich für das Töten der Delfine in Peru?
Ja. Und die Pharmabranche ist nur die Spitze des Eisbergs. So werden in hiesigen Delikatessenläden auch Bauchlappen von Dornhaien verkauft – unter dem Fantasienamen «Schillerlocken». Auch wenn wir Zuchtfisch konsumieren, Crevetten zum Beispiel, tragen wir dazu bei, dass die Verhältnisse in Peru so bleiben, wie sie sind. Peru hat eigentlich die reichsten Sardellenbestände der Welt, aber nur rund 2 Prozent davon bleiben im Land. Die restlichen 98 Prozent werden von Grossunternehmen zu Fischöl und Fischmehl verarbeitet und exportiert. Letzteres wird in Fischzuchten als Futter eingesetzt, Fischöl wiederum konsumieren wir in Form von Nahrungsergänzungsmitteln wie Omega-3-Fettsäuren-Tabletten.
Wird der Haifischfang in Peru nicht geregelt?
Laut einer Bestimmung der peruanischen Regierung dürfen nicht mehr als 10 Prozent der gefangenen Haie unterjährig sein. Unterjährig sind jene Tiere, die zum Zeitpunkt des Fangs eine vorgegebene Mindestgrösse oder ihre Geschlechtsreife noch nicht erreicht haben. Nur so könnten sich die Bestände auf natürliche Weise regenerieren. Die Realität jedoch sieht anders aus: Laut einer britischen Studie sind rund 85 Prozent der Tiere unterjährig, Umweltschützer gehen gar von 95 Prozent aus. Dies führt früher oder später zum Zusammenbruch der Bestände. Der Haifisch gehört laut WWF schon jetzt zu den bedrohtesten Tierarten der Welt.
Bei einer Küstenlänge von 3000 Kilometern ist die Kontrolle des Fischfangs in Peru schwierig.
Ja, zumal wir von rund 60 000 beschäftigten Fischern reden, die ihre Boote bis zu den internationalen Gewässern steuern, die bis zu 400 Kilometer vom Festland entfernt sind. Kommt hinzu, dass es neben der erwähnten Grossunternehmen noch etliche Fischereien gibt, die ohne Genehmigung auf hoher See ihr Unwesen treiben. Ein neues Übereinkommen soll gegen solche Verbrechen vorgehen und den illegalen Fischern verbieten, mit ihrer Ausbeute Häfen anzulaufen. 23 Länder haben das Übereinkommen bereits unterzeichnet, leider gehört Peru noch nicht dazu. Aber Ocean Care ist aktiv an der Umsetzung dieses Übereinkommens in Peru beteiligt.
Mit welchen Lösungsansätzen will Ocean Care gegen das Delfinmassaker in Peru vorgehen?
Es geht primär darum, das Bewusstsein der meist unwissenden Bevölkerung zu steigern. Nehmen Sie zum Beispiel die Delfinjagd in Japan: Die blutigen Bilder getöteter Delfine im japanischen Küstendorf Taiji haben sich in die Köpfe vieler Menschen eingebrannt. Dank des oscarprämierten Dokumentarfilms «Die Bucht» von Louie Psihoyos aus dem Jahr 2009 hat sich diese Thematik binnen weniger Tage ins öffentliche Bewusstsein katapultiert. Der Film war mitverantwortlich, dass sich die Jagd auf Delfine um rund 60 Prozent reduziert hat. Deshalb wollen wir mit einem Dokumentarfilm über die Delfinjagd in Peru Ähnliches bewirken wie in Japan. Ein Zusammenschnitt zum Film wurde bereits auf YouTube veröffentlicht und hat bis dato rund 146000 Klicks generiert. Über 20 Prozent davon stammen aus Peru. Das ist ein Riesenerfolg. Für uns ist ausserdem wichtig, dass die Fischer nicht wie Täter behandelt werden. Sie sind sich der Auswirkungen ihrer Taten nicht bewusst und agieren meist aus blosser Existenzangst. Nun wollen wir der lokalen Bevölkerung zeigen, dass es in ihrer Region auch andere Beschäftigungsmöglichkeiten gibt und, gemeinsam mit unserer Partnerorganisation vor Ort, nach zukunftsträchtigen Lösungen suchen. In diversen Workshops sollen sie auf alternative Einnahmequellen abseits der Fischerei sensibilisiert werden, etwa auf den Ökotourismus, in dem wir durchaus Potenzial sehen. Perus Flora und Fauna ist artenreich und faszinierend, deshalb wären Naturexpeditionen oder Delphin-Watching Möglichkeiten.
1.
Tödliche Waffe: Spitze einer Handharpune für die Delfinjagd
2.
Tote Haie am Strand von Ancòn, Lima
3.
Auf den Fischerbooten an den Küsten Perus fliesst täglich viel Blut