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Was brauchen unsere Kinder für die Arbeitswelt von morgen?

Was brauchen unsere Kinder für die Arbeitswelt von morgen?

Wie sieht die Schule der Zukunft aus? Welche Skills werden wir und unsere Kinder benötigen, um die 4. Industrielle Revolution zu meistern? Das fragt sich unsere Autorin in ihrem zweiten Beitrag zum Thema «Digital Mom». 

Hohes Wachstum, niedrige Arbeitslosigkeit und starke Innovationsfähigkeit – die Schweizer Wirtschaft läuft auf Hochtouren. Rosige Aussichten für die Zukunft, könnte man meinen. Ich möchte Ihren Optimismus nicht trüben, im Gegenteil, aber auf uns kommen grosse Veränderungen zu. Die 4. Industrielle Revolution steht vor der Tür, und sie wird nicht nur den Arbeitsmarkt auf den Kopf stellen, sondern auch umfassende gesellschaftliche und soziale Veränderungen mit sich bringen: die künstliche Intelligenz. Diese digitale Revolution betrifft nicht nur uns, sondern vor allem unsere Kinder.

Laut der aktuellen Studie «Future of Jobs» des World Economic Forum (WEF), zeichnet sich bereits für 2022 ein tief greifender Jobwandel ab: 75 Millionen Jobs werden weltweit verschwinden, gleichzeitig werden rund 133 Millionen neue Jobs geschaffen. Vereinfacht gesagt: Jobs, die durch künstliche Intelligenzen, Automatisierungen, Algorithmen und weitere digitale Technologien effizienter, billiger und fehlerfrei ausgeführt werden können, fallen weg.

In der Schweiz gehen die Forscher des McKinsey Global Institute (MGI) für 2030 davon aus, dass über eine Million Jobs wegfallen und gleichzeitig 800 000 neue Jobs geschaffen werden. Dabei zeichnet sich eine Kompetenzverschiebung ab. Kompetenzen, wie einfache kognitive oder körperliche und manuelle Fähigkeiten, werden immer weniger gefragt sein. Dagegen stehen soziale, emotionale und technologische Kompetenzen hoch im Kurs. Die Studie behauptet, dass deshalb der Schwerpunkt der Bildung auf technologische und emotionale Kompetenzen sowie lebenslanges Lernen ausgerichtet werden sollte.

Wird unser aktuelles Bildungssystem diesen neuen Anforderungen gerecht, und werden unsere Kinder optimal auf diese digitale Revolution und die neue Arbeitswelt vorbereitet? Und gehören auswendiglernen und büffeln für eine Prüfung, um dann alles wieder zu vergessen, bald der Vergangenheit an? Aus meiner Sicht wird das Aneignen von kontextlosem Wissen in der Zukunft wohl eher eine untergeordnete Rolle spielen. Ob man Wissen memoriert oder Informationen im Internet abruft, ist nicht wichtig. Ich wünsche mir vielmehr, dass mein Sohn nicht nur zuhause, sondern auch in der Schule lernt, Fragen zu stellen und Informationen kritisch zu hinterfragen. Dass er den Mut hat, eine Idee zu präsentieren oder einen Standpunkt zu vertreten. Statt die Kinder immer mit Noten in Konkurrenz zueinander zu stellen, wünsche ich mir, dass die Schule ihnen zeigt, wie kooperatives Lernen und gemeinsames Problemlösen geht. Statt «Das haben wir schon immer so gemacht» wünsche ich mir, dass er unternehmerisches Denken entwickeln kann, Neues ausprobiert, etwas wagt, auch wenn es eventuell nicht klappen könnte. Dass Scheitern dazugehört und nicht persönliches Versagen bedeutet, sondern zum Lernprozess gehört: aufstehen und weitermachen.

Rudolf Minsch, Leiter allgemeine Wirtschaftspolitik & Bildung und Chefökonom von Economiesuisse erklärt: «Die zentrale Fähigkeit ist wohl die Freude am Lernen und am Entdecken. Die Welt verändert sich ständig. Entsprechend neugierig sollten unsere Kinder – und wir selbst – bleiben. Neugierig heisst auch, die Dinge verstehen zu wollen und sich nicht bloss mit oberflächlichem Wissen zu begnügen. In einer Welt voller Ablenkungsmöglichkeiten erfordert das ein erhebliches Mass an Selbstdisziplin. Wir gehen davon aus, dass die Selbst- und Sozialkompetenzen noch wichtiger werden. Kritisches Denken, Durchhaltewillen, Motivation, Teamfähigkeit, Urteilsvermögen oder Kreativität sind also genauso wichtig wie Fachwissen.» Liegt der Heilige Gral der Bildung im digitalen Zeitalter vor allem in den Bereichen der MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik)? Schaut man die Prognosen des WEF an, versprechen diese Kompetenzen bessere Jobchancen. Ich gehe sogar noch weiter: Genau in diesen Bereichen brauchen wir mehr weibliche Vorbilder für die Schülerinnen: Wir sollten Frauen aus diesen Berufen in die Schulen bringen und sie von ihrem Job erzählen lassen, damit Mädchen sich mehr mit diesen Berufen identifizieren und sich dafür begeistern können.

Während wir hierzulande über die Digitalisierung in der Schule und die Frage, ob digitale Geräte in den Unterricht gehören, debattieren, zeichnet sich in der Tech-Hochburg Silicon Valley ein ganz anderer Trend ab: Die Mitarbeiter von Google, Apple und Co. schicken ihre Kinder in Rudolf-Steiner-Schulen, die in ihrem pädagogischen Konzept ganz auf digitale Inhalte verzichten. Setzen wir also womöglich auf die falschen Prioritäten, wenn es um die Bildung unsere Kinder geht?

Wenn ich das höre, frage ich mich unweigerlich: Was wissen diese Tech-Leute über ihre eigenen Produkte, was wir als Konsumenten nicht wissen? Schliesslich verdienen sie viel Geld mit ihren digitalen Produkten, Geräten und Plattformen und arbeiten fleissig daran, den Digitalhype immer weiter zu treiben, in jeden Haushalt zu bringen, kanalisieren unsere Aufmerksamkeit mit geheimen Algorithmen und sitzen auf dem Gold des digitalen Zeitalters: unseren Daten.

Rudolf Minsch plädiert für eine pragmatische Haltung: «Ich glaube, die meisten Gefahren kennen wir schon heute: Cybermobbing, Sexting, Spielsucht, Abhängigkeit von Social Media und anderen Inhalten im Internet oder die Meinungsbeeinflussung durch Fake News. Auch die Gefahr der staatlichen Überwachung und die Cyberkriminalität sind bekannt. Ich halte es für keine zweckmässige Lösung, sich all diesen Dingen durch Internet-Abstinenz zu entziehen. Wir müssen uns vielmehr kritisch damit auseinandersetzen. Das fängt schon im Kindesalter an.» Unternehmer, Investor und Visionär Elon Musk (Tesla, Space X), selber Vater von fünf Söhnen, hat vor vier Jahren selbst eine Schule gegründet. Die Ad Astra befindet sich im Firmensitz von Space X und ist eher ein pädagogisches Experiment als eine konventionelle Schule: Die Kinder zwischen 7 und 14 Jahren arbeiten in Teams zusammen und werden primär in den Kompetenzen der MINT-Bereiche unterrichtet. Im Fokus stehen Robotik und künstliche Intelligenz sowie die ethischen, politischen Aspekte und Gefahren dieser Technologien. Musik, Sport und Sprachen werden nicht unterrichtet. Obwohl erst Insider auf die Schule aufmerksam wurden, bewerben sich jährlich etwa 400 Familien für die zwölf Plätze.

Ist das die Schule der Zukunft, was denken Sie?