Warum die Worte «für immer» mir manchmal Angst einjagen
- Text: Kerstin Hasse, Foto: Pexels
Junior Editor Kerstin Hasse ist seit mehreren Jahren glücklich verliebt. Dennoch fragt sie sich manchmal: Was, wenn ich mich nie mehr neu verliebe?
An diesen einen Moment kann man sich noch Jahre später erinnern. Dieser Moment, in dem es Klick macht. Funken sprühen. Schmetterlinge flattern. Das Herz pocht. Diese Sekunden, in denen wirklich alles rundherum nicht mehr wichtig scheint. Wenn alle Geigenorchester der Welt gleichzeitig spielen und sich jede Berührung wie ein Blitzschlag anfühlt, wenn alles permanent super aufregend und sehr, sehr rosa ist, dann weiss man: Das ist es also. Das ist verliebt sein.
Sich zu verlieben, ist etwas ganz Tolles. Ich liebe es, mich zu verlieben. Könnte ich, ich würde mich immer wieder in tolle Menschen vergucken. Einfach der Aufregung wegen. Irgendwann ist man jedoch wirklich so fest verliebt, dass das Gefühl bleibt und einen wohlig umschliesst. Meist ist dieser Moment der Anfang einer Beziehung.
In so einer bin ich seit mehreren Jahren, und ich habe viele Freundinnen und Freunde, die ebenfalls glücklich vergeben sind. Manche Paare planen Kinder oder ihre Hochzeit, wieder andere kaufen sich eine Katze oder einen schönen Kaktus: Das alles sind kleinere und grössere Zeichen von Commitment. Sie sagen sich: Ja, ich mag dich, und ich will mit dir zusammen sein, deshalb gebe ich dir den Schlüssel zu meiner Wohnung und das Passwort meines Netflix-Accounts. Das ist Liebe. Ein eigentlich ganz wunderbares Konzept.
Man hat einen Partner in Crime, jemanden zum Pferde stehlen und Monopoly spielen. Jemanden, der das Abflussieb in der Spüle aus dem Abwaschwasser fischt, weil man es selbst so eklig findet, wenn schlaffe Nudeln neben aufgeweichten Hackfleischkügelchen umher schwimmen. Jemanden, der nachts, wenn es an der Haustür klingelt, mutig die Tür öffnet. Jemanden, der all den Sellerie und Koriander, den man selbst nicht mag, auf den eigenen Teller häuft. Jemanden, ohne den man nicht mehr einschlafen will.
Wenn man aber schon lang in einer Beziehung ist und auch nicht vorhat, das zu ändern, dann wird einem bewusst: Vielleicht wird man sich nie wieder neu verlieben. Kein erster scheuer Blick mehr über die schummrige Bar hinweg. Kein erstes Date, an dem man vor lauter Aufregung in viel zu hoher Tonlage spricht. Kein erstes Beschnuppern. Kein erster Kuss, bei dem man sich überlegt, ob einem gefällt, wie das Gegenüber schmeckt. Kein erstes, vorsichtiges und scheinbar zufälliges Berühren. Kein erstes Mal einander nackt sehen – und kein erstes, verlegenes Kichern. Keine erste gemeinsame Nacht. Kein erstes nebeneinander Aufwachen. Das klingt irgendwie deprimierend, oder?
Total Millennial!, werden jetzt manche schreien. Nie zufrieden, nie mutig oder entscheidungsfreudig, immer zweifelnd, diese Generation Y. Das kann schon sein – denn meine gleichaltrigen Freunde haben mir bestätigt, dass sie sich schon die gleichen Gedanken gemacht haben. Nicht, weil sie ihren Partner oder ihre Partnerin nicht lieben, sondern einfach, weil die Worte «vielleicht für immer» sich verdammt bedrohlich anhören können.
Das Schöne aber ist, dass in all den Gesprächen, die ich führe, irgendwann immer die gleichen Sätze fallen: Dafür habe ich sie. Dafür habe ich ihn. Dafür haben wir uns.
Denn auch wenn man 4, 7, 15 oder 40 Jahre zusammen ist, ist es möglich, sich immer wieder neu in seinen Partner oder seine Partnerin zu verlieben. Etwa wenn man von seinem Freund in der Öffentlichkeit so fest umarmt wird, dass man fast ein bisschen peinlich berührt ist. Oder wenn die Freundin extra viel Speck in die Pastasauce gibt, weil man den so mag. Wenn der Freund voller Verve von seinen neuen Platten schwärmt oder wenn der Liebste einfach seine Brille abnimmt und sich verträumt die Augen reibt.
Dann – wenn man es gar nicht erwartet – hört man wieder die Geigenklänge. Vielleicht nicht mehr ganz so laut. Aber man hört sie. Und dann sprühen wieder die Funken. Flattern wieder die Schmetterlinge. Pocht wieder das Herz.