Warum Courtney Barnett einen Grammy gewinnen sollte
- Text: Miriam Suter; Foto: Mia Mala McDonald
Die australische Singer-Songwriterin Courtney Barnett macht feinste Gitarrenmusik und ist für den Grammy 2016 in der Kategorie «Best New Artist» nominiert. Online-Jungredaktorin Miriam Suter findet: den hat sie mit ihren Texten über tote Seehunde und Kaffeekocher mehr als verdient.
In Courtney Barnetts rotzige Stimme habe ich mich auf einen Schlag verliebt, als ich sie in diesem Sommer zum ersten Mal hörte. Die 28-Jährige fasst in ihren Songs die kleinen und grossen Sorgen meiner viel besprochenen «Generation Y» zusammen. Aber nicht nur deshalb finde ich, dass sie es verdient hat, den Grammy 2016 abzuräumen, für den sie in der Kategorie «Best New Artist» nominiert ist. Der Grammy gilt als wichtigster US-amerikanische Musikpreis und wird jeweils im Staples Center von Los Angeles verliehen – im Feruar 2016 zum 58. Mal.
Texte nach Dylan-Manier
Ich bin ein Lyrics-Freak. Mir sind Songtexte mindestens genauso wichtig wie die Melodie eines Musikstücks. Deshalb habe ich mich vor Jahren auch in Nick Cave verknallt, bevor ich überhaupt wusste, wie er aussieht. Aber das ist eine andere Geschichte. In Courtney Barnetts Songs geht es ums Schwimmen und Joggen, darum, dass man mit Hilfe eines Kaffeekochers weniger Geld in teuren Cafés ausgibt, um Begegnungen im Lift, billiges Gemüse im Supermarkt, um Abende, an denen man gleichzeitig ausgehen und zuhause bleiben will, und natürlich ums Verliebtsein. Es geht um Neurosen, um postpubertäre Identitätskrisen und das Leben als junge Erwachsene.
Courtney Barnett sorgt sich auf ihrem Album aber auch um die Umwelt und wirft einen kritischen Blick auf unser Verhalten: Im Song «Kims Caravan» liegen tote Seehunde am Strand, die schon dreimal gerettet wurden und trotzdem nicht leben wollten, weil die Menschen das Meer mit Öl verschmutzen. Und das Great Barrier Reef ist auch nicht mehr so «great» wie es einmal war. Die Künstlerin ist dabei nie pathetisch, sondern immer clever und wohldosiert wütend. Sie spielt so gekonnt mit Worten, ihren Bedeutungen und ihrem Klang, dass sie glatt als Reinkarnation des jungen Bob Dylan durchgehen könnte. Aber Bob Dylan lebt ja noch.
Sie zeigt Gefühle
Courtney Barnett macht keinen Hehl daraus, dass sie mit einer Frau zusammenlebt: Ihre Freundin, die Songwriterin Jen Cloher, kommt in ihren Songtexten namentlich vor und zusammen führt das Liebespaar das Plattenlabel «Milk! Records». Barnett wird in der Gay-Community für ihren offenen Umgang gefeiert. Sie betont ausserdem in Interviews immer wieder, sie schreibe nur Songs darüber, was ihr auch wirklich passiert sei: «Als würde man meine Tagebucheinträge in Songs verwandeln.» Offenheit berührt mich. Ich bewundere, wenn man seine Gefühle und Ängste offen zeigen kann und als Künstlerin etwas so Wundervolles zustande bringt damit.
Sie ist keine Werbefläche
Courtney Barnett ist Vegetarierin. Das wusste das Team der amerikanischen Fast-Food-Kette Kentucky Fried Chicken offensichtlich nicht, denn das Unternehmen gratulierte der Songwriterin via Twitter zur Grammy-Nominierung mit einem werblichen Tweet. Eine aufstrebende Künstlerin anzutweeten und so die Aufmerksamkeit der Internetgemeinde auf sich zu ziehen, ist ein beliebtes Vorgehen um die eigene Reichweite zu steigern. Der Versuch von KFC ging allerdings gründlich in die Hose, denn Barnett konterte wenige Tage später auf ihrem Instagram-Account: «Ich habe seit meinem 18. Lebensjahr keinen Chickenburger mehr gegessen, und selbst als ich Hühnchen gegessen habe, habe ich nie bei KFC gegessen.»
Die Sängerin lässt sich nicht für Werbezwecke instrumentalisieren. Schon gar nicht für ein Unternehmen, hinter dem sie nicht stehen kann. Finde ich super! Den Tweet hat KFC übrigens mittlerweile gelöscht.
Neben Courtney Barnett kämpfen im Februar 2016 auch Meghan Trainor, Sam Hunt, Tori Kelly und James Bay um den Grammy in der Kategorie «Best New Artist». Ich drücke meinem Gitarrenmädchen die Daumen – für mich hat sie sowieso schon gewonnen.