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Warum auch Medienschaffende streiken

Warum auch Medienschaffende streiken

Zum zweiten Mal findet heute seit 1991 in der Schweiz ein Nationaler Frauenstreik statt. Verschiedene Branchen haben sich zusammengetan, um auf mangelnde Gleichberechtigung aufmerksam zu machen. Auch in den Medien wurden Forderungen laut.

Heute werden Frauen und Männer aus ganz verschiedenen Branchen ihre Arbeit niederlegen und auf den Strassen für mehr Gleichberechtigung demonstrieren. Auch eine Gruppe von Frauen in der Medienbranche hat sich in den letzten Wochen formiert und in einem Forderungskatalog festgehalten, was sich in unserer Branche ändern muss. Über 1100 Frauen und Männer haben diesen Forderungskatalog unterschrieben. Der Katalog umfasst die Forderung nach mehr Frauen in Führungspositionen, Lohngleichheit, Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Schutz vor Belästigung und weniger Sexismus in der Berichterstattung. Weitere Forderungen haben die Medienschaffenden selbst verfasst und auf einem Instagram-Kanal publiziert. Über 200 Beiträge wurden bereits im Feed veröffentlicht.

Ein Blick in die Branche zeigt, dass es tatsächlich noch einiges zu tun gibt: Frauen im Journalismus verdienen noch immer weniger als Männer, laut einer Studie des Instituts für angewandte Medienforschung IAM der ZHAW sind es rund 700 Franken im Monat, die Journalistinnen weniger erhalten als ihre Arbeitskollegen. In Kaderpositionen ist es sogar noch mehr. Die Studie zeigt ausserdem auf, dass drei von vier Führungspositionen in der Schweizer Medienbranche von Männern besetzt sind. Die Medien sind also weitgehend in Männerhand.

Das ist dann problematisch, wenn es dazu führt, dass Männer eher andere Männer als Experten einladen, sie öfter zitieren und öfter abbilden. Laut dem Global Media Monitoring Project, das alle fünf Jahre eine Studie zu Gleichberechtigung in den Medien publiziert und zuletzt 2015 erschienen ist, sind in der Schweiz 75 Prozent der in Nachrichten erwähnten Personen Männer. Die Frauen, die zitiert werden, werden vor allem in Stereotypen abgebildet, sie sind Mütter, Rentnerinnen oder in sozialen Berufen tätig – oder sie werden auf ihr Aussehen reduziert. Als Expertinnen und Naturwissenschafterinnen werden sie hingegen nur selten zitiert. Das führt dazu, dass alte Rollenbilder nicht durchbrochen werden, sondern sich immer weiter manifestieren.

Ein weiterer Aspekt, für den viele Medienschaffende heute ein Zeichen setzen wollen, ist der Kampf gegen Sexismus in der Branche. Der «Tages Anzeiger» hat erst vor wenigen Tagen einen Artikel zu einer eigenen Umfrage publiziert, die zeigt, dass Sexismus zum Alltag vieler Medienfrauen gehört. 53 Prozent der knapp 460 Teilnehmerinnen erlebten schon mal sexuelle Übergriffe. Und nicht zuletzt ist natürlich auch die Vereinbarkeit von Familie und Karriere für viele Medienschaffende ein Grund, heute zu streiken. Denn auch in unserer Branche ist diese Vereinbarkeit keine Selbstverständlichkeit. Laut dem IAM sind 54 Prozent der weiblichen Angestellten in der Medienbranche unter 30 Jahre alt, über 50-Jährige – oder Frauen mit mehr als zwölf Jahren Berufserfahrung – sind nur noch zu 30 Prozent vertreten. Das heisst: Es mangelt an familienfreundlichen Arbeitsstrukturen – für Männer und für Frauen. Das ist natürlich nicht ein Problem, das nur die Medien angeht. Die OECD hat nachgerechnet: Wer in der Schweiz sein Kind zu 100 Prozent betreuen lässt, muss im Schnitt die Hälfte seines Lohns hinblättern. Hinzu kommt, dass wir in der Schweiz noch immer keine schlaue Lösung in Sachen Vaterschaftsurlaub haben. Und Gleichstellung hat nun mal auch sehr viel mit Familienpolitik zu tun.

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