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War alles umsonst? 10 brennende Fragen zu Afghanistan

Politik

War alles umsonst? 10 brennende Fragen zu Afghanistan

Die Machtübernahme der Taliban in Afghanistan hält die Welt in Atem. Wie hat es so weit kommen können? Bei Reporterin und Nahostexpertin Helene Aecherli wirft die aktuelle Situation vor allem Fragen auf – Fragen, die verantwortlichen Politikern, Militärstrategen, Analysten und NGOs gestellt werden sollten.

1. Sie waren alle dabei – die USA, die alliierten NATO-Mächte, dazu Entwicklungsorganisationen, unzählige NGOs, die staatliche Aufbauarbeit leisteten. Zwanzig Jahre lang. Doch das hat die Taliban nicht schwächen können. Im Gegenteil. Am Montag kündigten sie ein neues Islamisches Emirat Afghanistan an. Die grössten Leidtragenden sind die Frauen. Was wurde übersehen? Ist ihr ideologischer Rückhalt in der Bevölkerung letztlich grösser als angenommen? Oder liegt es schlicht und einfach daran, dass die Taliban, wie ich von Informanten in Kabul höre, attraktive Arbeitgeber sind, die ihre Gefolgsleute gut bezahlen und sie ausreichend mit Nahrungsmitteln versorgen?

2. Dass Pakistan den afghanischen Taliban Rückzugsorte sowie finanzielle und militärische Unterstützung bietet, ist bekannt. Welche Interessen haben Russland, China und Iran und allenfalls sogar die Vereinigten Arabischen Emirate am Erstarken der Taliban?

3. Afghanistan dürften unter den Taliban der weltweit grösste illegale Opiatlieferant bleiben. Welche Rolle spielt dies in deren erneuten Machtübernahme?

4. In den vergangenen zwanzig Jahren wurde Afghanistan von der internationalen Gemeinschaft mit weit über 500 Milliarden Dollar unterstützt, 80 Milliarden Dollar flossen allein in Aufbau und Ausbildung der Afghanischen Sicherheitskräfte. Wäre das Geld eingesetzt worden, wie beabsichtigt, hätte eine wirtschaftliche und soziale Infrastruktur aufgebaut werden können, wodurch die Zivilgesellschaft nachhaltig gestärkt worden wäre. Wohin sind diese Milliarden geflossen?

5. US-Kontrollinstanzen wie die «Special Inspector General for Afghanistan Reconstruction», SIGAR, weist seit Jahren auf Inkompetenzen und Korruption hin, ihre Warnungen wurden aber ignoriert. Warum? Warum haben die Geberländer ihre Zahlungen trotzdem weitergeführt und auf korrupte Politiker und Warlords gesetzt?

6. Mit grossem Getöse wurden im vergangenen September in Doha die Friedensgespräche zwischen der afghanischen Regierung und den Taliban aufgenommen. Die Gespräche waren von den USA angebahnt worden und galten als Meilenstein. Was ist aus ihnen geworden?

7. Weshalb konnten die USA und die europäischen Mächte gerade derart von den Taliban überrumpelt werden? Haben sich alle involvierten Geheimdienste einfach so täuschen lassen?

8. Der Rückzug der westlichen Truppen war schon vor einem Jahr verkündet worden. Dass die afghanischen Streitkräfte mehr oder weniger nur noch auf dem Papier existierten, war bekannt. Weshalb gab es kein weitsichtiges, ordentliches Hand Over und einen klugen Masterplan für die Weiterführung des gesellschaftlichen Aufbaus? Einen Masterplan, der auch die jeweiligen Stammeszugehörigkeiten und regionalen Loyalitäten berücksichtigt?

9. Die Hauptkritik richtet sich an die westlichen Mächte. Doch trägt die afghanische Regierung eine entscheidende Mitschuld an der Machtübernahme der Taliban. Mehr noch: Sie hat grandios versagt. Werden ihre Mitglieder zur Verantwortung gezogen?

10. Spätestens seit der Einführung der UNO-Resolution 1325 zu Frauen, Frieden und Sicherheit vor 21 Jahren, weiss man, dass eine Gesellschaft erst dann florieren kann, wenn Frauen in alle gesellschaftlichen Bereiche vertreten sind und ihre Stimmen miteinbezogen werden. Trotzdem wurde dies von der UNO in Afghanistan nicht konsequent gefordert. Warum nicht?

Helene Aecherli befasst sich seit Jahren mit gesellschaftspolitischen Entwicklungen in Ländern des Nahen Ostens und spricht Arabisch. Ihre Reportagen führten sie unter anderem in den Jemen, nach Ägypten, Jordanien, Oman, Marokko und Afghanistan.

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Marcel Aschmann

Sind die Taliban wirklich so “schlimm” wie diese in der westlichen Welt immer dargestellt werden? Haben sich die Taliban nicht auch verändert in den letzten 20 Jahren?
Das ganze Geld, welches in den letzten Jahren in das Land gebuttert wurde hat am Ende einzig und alleine den Taliban und der korrupten Regierung, welche meines Erachtens schon immer den Taliban zugetan waren geholfen. Afghanistan hat die hilfsbereite westliche Welt klar hintergangen und ausgenutzt.
Ich würde vorschlagen jetzt erst mal abzuwarten wie sich die “neue” Regierung äussert und was genau deren Anspruch ist. Es hat zu viele wenn und aber’s um schon über nächste Schritte zu entscheiden.
Friedensgespräche sind sicher der beste Wege und diese sollten umgehend aufgenommen werden.

Kerstin Hasse

Guten Tag Herr Aschmann, Friedensgespräche sind sicher der beste Weg, das ist richtig. Dass Tausende Menschen nun fürchten, dass sie ihr Leben lassen müssen, weil die Taliban an der Macht sind, sendet aber wohl doch ein sehr eindeutiges Zeichen. Sie sind in der Tat “sehr schlimm”.

Corinne Fasana

Ich bin sicher, dass sich die Taliban in den letzten 20 Jahren nicht geändert haben. Im Gegenteil, wenn man das Geschehen in der Islamischen Welt seit 2010 etwas verfolgt, zeigt sich, dass die Religion mit immer härteren Regeln durchgesetzt wird. Und hier sind die Frauen die Leidtragenden. Deshalb wird sich für die Frauen nicht sehr viel ändern. Es würde mich sehr wundern. Vorgestern hieß es vom Sprecher der Taliban die Frauen würden ihre hart erkämpften Freiheiten behalten. Gestern hieß es schon sie würden ihre Freiheiten behalten, aber alles innerhalb der Schranken der Sharia. Das sagt doch schon viel.

Last edited 3 years ago by Corinne Fasana