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Vom Landei zum Hollywoodstar

Leben

Vom Landei zum Hollywoodstar

  • Interview: Gabriela Tscharner Patao; Foto: Getty Images 

Dass sie zu Recht als Filmstar bezeichnet wird, beweist Emma Stone (28) gerade im Filmmusical «La La Land». Im Interview spricht sie über ihre Eltern, Träume und Ryan Gosling.

annabelle: Emma Stone, das La La Land beschreibt landläufig den Ort, an den Menschen entfliehen, die in ihrer eigenen Welt leben. Es ist auch der Übername für Hollywood. Ist Hollywood Ihr persönliches La La Land?
EMMA STONE: Ich bin ein Landei, das in Phoenix, Arizona, aufgewachsen ist. Seit ich ein kleines Kind war, hegte ich den Traum, Schauspielerin zu werden und Filme zu machen, die andere Menschen inspirieren. Insofern ist es schon verrückt, dass ich heute hier sitze und über ein Projekt rede, das im Grunde meine eigene Geschichte erzählt.

Ist die Handlung des Musicals also autobiografisch?
Grossteils ja. Was Mias Herkunft betrifft und ihre Entschlossenheit, alles auf eine Karte zu setzen, jedenfalls ganz bestimmt. Aber ihr Talent als Autorin beispielsweise, das bin nicht ich, Mia wurde von Damien Chazelle («Whiplash») kreiert, und viele ihrer Eigenschaften, wie zum Beispiel ihr Talent als Autorin, stammen von ihm. Ich schreibe keine Geschichten, das war nie mein Ding.

Ihr Kindertraum ist also wahr geworden?
Ja, das kann man sagen, obschon …

Obschon was?
Auch wenn man erreicht, wovon man immer geträumt hat, so ist es ja dann doch nie so, wie man es sich im Voraus vorgestellt hat.

Inwiefern nicht?
Alle Schauspieler beschweren sich immer über den Verlust ihrer Privatsphäre – und das kann nerven. Aber das ist eben der eine Aspekt, auf den du dich nicht vorbereiten kannst. Niemand weiss zum Voraus, wie es sich anfühlen wird, wenn man überall erkannt wird und einem die Paparazzi auf Schritt und Tritt folgen.

Ihr Ex-Freund Andrew Garfield und Sie haben sich die Paparazzi clever zunutze gemacht, indem Sie sich handgeschriebene Schilder mit den Websites von wohltätigen Organisationen vor das Gesicht hielten.
Ich nutze jede Gelegenheit, um auf meine Lieblingsorganisation Gildasclubnyc.org zu verweisen, die Krebskranke unterstützt.

Mit 15 Jahren zogen Sie von Phoenix nach Hollywood. Laut Wikipedia weil Sie Ihre Eltern mit einer Powerpoint-Präsentation davon überzeugt haben. Stimmt das?
Stimmt. Ich habe in Phoenix viel Kinder- und Jugendtheater gespielt, bin vor allem in Musicals aufgetreten. Ich habe die Schauspielerei schon von klein auf geliebt. Meine Eltern waren also nicht überrascht, als ich mit 15 Jahren fand, die Zeit wäre gekommen, es in Hollywood zu versuchen. Ich hatte Glück, dass meine Eltern meine verrückten Träume unterstützt haben. Ich würde meinem Kind ja ganz schön die Leviten lesen, wenn es mit solch hochgestochenen Wünschen daherkäme (lacht).

Sie könnten auch ganz einfach Nein sagen.
Genau: «Mach doch erst mal die Schule fertig. Warte, bis du 18 bist.» Meine Eltern hätten damit nicht unrecht gehabt.

Wieso haben sich Ihre Eltern trotzdem nicht quergestellt?
Ihnen war wohl bewusst, wie ernst mir damit war. Als Kind in Musicals aufzutreten, war meine absolute Lieblingsbeschäftigung. Und rückblickend muss man sagen, haben meine Eltern recht bekommen. Schliesslich bin ich nach über zehn Jahren noch immer hier – und das ziemlich erfolgreich.

Welches sind Ihre Lieblingsmusicals?
Das erste Musical, das ich am Broadway gesehen habe, war «Les misérables». Da war ich acht Jahre alt. Meine Mutter hat mir vorab ausführlich erklärt, was passieren wird, und wir hatten uns den Soundtrack schon so oft angehört, dass ich genau wusste, welches Lied als nächstes gesungen würde. Es war ein grossartiges Gefühl. Und dann sah ich «Rent» unzählige Male.

«Rent» behandelt sehr erwachsene Themen und ist nur bedingt kindertauglich.
Als ich «Rent» entdeckte, war ich ja auch schon ein bisschen älter, 12 oder 13 Jahre alt. Und ich war davon besessen.

Wie kommt es dann, dass Sie vor «La La Land» noch nie ein Filmmusical gemacht haben?
Ich bin nicht das, was man traditionell als grossartige Sängerin und Tänzerin bezeichnen würde.

Letztes Jahr waren Sie aber als Sally Bowles in «Cabaret» am Broadway zu sehen…
Sally Bowles ist keine grossartige Sängerin. Sie ist eine zweitklassige Sängerin in einem drittklassigen Nachtclub. Liza Minnelli hat das zwar in der Filmversion geändert, aber ich bin keine Liza Minnelli. Ich hatte am Ende des Films «Easy A» auch eine kleine musikalische Einlage. Aber ich habe die Stimmkapazität nicht, um eine Hauptrolle in einem Broadway-Musical zu singen.

Und trotzdem haben Sie keine Angst, in aller Öffentlichkeit zu singen.
Das war nicht immer so. Als Kind habe ich oft meine Stimme verloren. Ich wollte in all diesen Musicals auftreten – und dann versagte am Eröffnungsabend die Stimme. Ich hatte nie das Gefühl, ich wäre eine gute Sängerin. Deshalb war ich so dankbar für die Gelegenheit, in «Cabaret» am Broadway auftreten zu können.

Hätten Sie nicht lieber in einer Kleinstadt anfangen wollen statt gleich auf dieser ganz grossen Bühne?
Es war eine riesige Herausforderung, ganz klar. Aber es ist gerade eine der besten Eigenschaften dieses Berufs, dass man ständig Dinge macht, vor denen man sich eigentlich fürchtet. Ich hatte jedoch einen guten Singlehrer, der mich lehrte, die Emotionen mit meiner Stimme auszudrücken. Eines Tages realisierte ich, dass das Singen im Grunde dasselbe ist wie die Schauspielerei – nur in einer anderen Form. Das hat mir geholfen und die Angst genommen.

Nicht alle Broadway-Kritiker haben Sie mit Samthandschuhen angefasst. Kümmert Sie das?
Ich wünschte, ich könnte sagen, dass es mich völlig kaltlässt. Das tut es aber nicht. Im Fall von «Cabaret» nahm ich mir die Kritiken jedoch nicht sonderlich zu Herzen. Sally sollte in meinen Augen keine Virtuosin sein, sondern unsicher und verletzlich – und so singt sie eben auch. Am Theater fasziniert mich am meisten, dass ich jeden Abend das Gefühl habe, ich könnte abstürzen. Und in dieser Angst liegt etwas total Lebendiges. Macht das Sinn?

Inwiefern hat sich die Arbeit am Filmmusical «La La Land» von Ihrem Broadway-Abenteuer unterschieden?
Der Regisseur Damien Chazelle wollte, dass ich Mia, die weibliche Protagonistin, spiele wie die Figur von Debbie Reynolds in «Singin’ in the Rain». Damien liebte es, wenn sich ein kleiner Fehler in einen Tanzschritt einschlich oder wenn wir ein wenig falsch gesungen haben. Wir haben die meisten Nummern im Film live eingespielt, er wollte nicht, dass Ryan (Gosling, Anm. der Redaktion) und ich wie Profis daherkommen.

Mia kommt im Musical irgendwann an den Punkt, wo sie die Schauspielerei an den Nagel hängen will. Hatten Sie auch einmal einen solchen Moment?
Sicher gab es Momente… Aber im Grossen und Ganzen hatte ich Glück. Ich ergatterte die erste richtige Hauptrolle in «Superbad», da war ich noch keine 18!

Sie waren nie der Verzweiflung nahe, dass sich Ihr Traum womöglich nicht erfüllen könnte?
Ich war wohl noch zu jung, um meinen Traum schon aufgeben zu wollen. Ich war ein Teenager, als ich nach Hollywood kam, und habe drei Jahre lang für unendlich viele Rollen vorgesprochen. Das Beste, was ich bekam, waren Gastrollen in TV-Serien.

Haben Sie gleichzeitig die Schulbank gedrückt?
Nein, ich wurde zuhause unterrichtet. Ich habe meinen Highschool-Abschlusstest im Shoppingcenter, gleich neben dem Food Court, gemacht.

Haben Sie die Footballspiele und Abschlussbälle mit Ihren Altersgenossen nicht vermisst?
Was du nicht kennst, kannst du nicht vermissen.

Los Angeles wird gern als die Stadt der zerbrochenen Träume beschrieben. Haben Sie die Stadt auch schon so erlebt?
Das Interessante an L. A. ist, dass die meisten Leute hier ein gemeinsames Ziel haben: Sie wollen in die Entertainment-Industrie. Die Stadt ist deshalb voller Träumer und hoffnungsvoller Menschen. Solche Orte gibt es nicht viele auf der Welt. Aber natürlich werden nicht alle diese Menschen ihren Traum auch verwirklichen können. Das kann eine Seele töten. Zumal es kein Rezept dafür gibt, wie man es in Hollywood zu etwas bringt. Los Angeles ist eine Stadt der Gegensätze.

«La La Land» ist bereits der dritte Film, den Sie mit Ryan Gosling machen. Was steckt da dahinter?
Nichts Spezielles. Wir haben Spass zusammen. Wir sind Freunde. Wir respektieren einander. Es ist einfach, mit ihm zu arbeiten. Vor allem die Arbeit an einem Film wie diesem, wo du singen, tanzen und dich öffnen musst, da ist es gut, wenn du nicht erst deinen Partner kennen lernen musst. Es hilft, dass du mit ihm eine Art Kurzschrift hast.

Ihr Jugendtraum hat sich erfüllt. Wovon träumen Sie jetzt, wo Sie ein Filmstar sind?
Filmstar, wow …! Ich sehe mich eigentlich eher als Schauspielerin denn als Star. Heute sind meine Träume eher bodenständig. Ich möchte ein abgeschiedenes und komfortables Haus haben, wo mich meine Freunde besuchen können. Und ich möchte irgendwann eine eigene Familie haben.

Ab 12. Januar 2017: «La La Land» von Damien Chazelle mit Emma Stone und Ryan Gosling

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