Verhütungs-App statt Pille
- Text: Miriam Suter
Die App Natural Cycles wurde als erste Verhütungs-App vom deutschen TÜV zertifiziert. Warum sie aber nicht für jede Frau geeignet ist, erklärte uns die Entwicklerin gleich selbst.
Immer weniger Frauen haben Lust, hormonell zu verhüten. Die Alternativen für langfristige Verhütung sind aber – noch – wenig verlockend: Kupferspiralen bedeuten einen schmerzhaften Eingriff, und Hormonstäbchen oder -ringe lösen das Problem der Reaktionen, die viele Frauen auf künstliche Hormone haben, nicht.
Neben den klassischen Verhütungsmethoden gibt es beispielsweise auch die Möglichkeit, seine Temperatur zu messen und so die fruchtbaren Tage zu berechnen – an denen man dann beispielsweise mit Kondomen verhütet. Diese Methode ist nichts Neues und wird oft von Frauen angewendet, die schwanger werden möchten.
Nun gibt es aber mit Natural Cycles die erste TÜV-zertifizierte App für diese Art der Verhütung auf dem Markt. Das Konzept dahinter ist einfach: Morgens wird die Temperatur gemessen und in die App eingetragen. Nach einigen Zyklen erkennt die App den natürlichen Rhythmus der Frau und berechnet auf dieser Grundlage ihre fruchtbaren und unfruchtbaren Tage. Leuchtet die Anzeige grün, steht ein unfruchtbarer Tag bevor: Grünes Licht für ungeschützten Sex also. Rot steht für «heute verhüten». So weit, so normal. Allerdings: Die App soll einen ähnlich hohen Pearl Index – also Wirksamkeit – aufweisen wie die Pille, schreibt das Team von Natural Cycles auf seiner Website.
Die Schwedin Elina Berglund, die an der nobelpreisgekrönten Entdeckung des Higgs-Teilchens beteiligt war, entwickelte die App zusammen mit ihrem Mann. Sie hat den Algorithmus der App aufgrund ihres eigenen Zyklus entwickelt, erklärt sie gegenüber annabelle.ch. Sie habe aber schnell gemerkt, dass auch viele ihrer Kolleginnen nicht mehr hormonell verhüten möchten und hat sich mit ihnen ausgetauscht: «Sie haben dann auch angefangen, ihre Temperatur zu messen, und mir die Resultate morgens gemailt.» Sie habe ihren Algorịthmus mit den Daten ihrer Kolleginnen ausprobiert und ihnen geantwortet, ob sie heute einen grünen oder roten Tag haben. «So kam ich auf die Idee, eine App daraus zu machen. Das funktioniert auch heute noch so: Ich optimiere die App einige Male pro Jahr und arbeite dafür mit den Daten, die wir von den Anwenderinnen erhalten.»
Nicht für jede Frau geeignet
Dass die App, oder die Temperaturmethode generell, keine optimale Verhütungsmethode ist, davor warnen Frauenärzte, wie die «Berliner Morgenpost» schreibt. «Die Temperaturmethode ist immer abhängig vom Menschen, der sie durchführt», relativiert Berglund. «Die App hingegen lernt den Zyklus der Frau, die sie bedient, immer besser kennen. Ausserdem berücksichtigt sie beispielsweise auch den Zeitraum, in dem Spermien im weiblichen Körper überleben können. Sie ist so um einiges exakter, als wenn man die Temperatur misst und selber in eine Tabelle überträgt.»
Die App sei dennoch nicht für jede Frau geeignet, erklärt Berglund: «Ich empfehle Natural Cycles Frauen zwischen 20 und 40 Jahren, die in einer festen Beziehung sind. Ausserdem ist die App eher für Frauen geeignet, die in nicht allzu ferner Zukunft Kinder haben möchten. Sie kann dazu beitragen, den eigenen Körper und den Zyklus besser kennen zu lernen und auf bestimmte Signale besser eingehen zu können.» Sie selbst benutze die App auch – und das mit Erfolg: «Ich habe sie zuerst zum Verhüten benutzt und später, als ich schwanger werden wollte. Und es hat sofort funktioniert: Wir haben heute eine 2-jährige Tochter und nutzen die App nun wieder zum Verhüten.»
– Natural Cycles kostenlos via iTunes und im Google Play Store
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Die App berücksichtigt unter anderem auch die Zeit, in der Spermien im weiblichen Körper überleben können
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Die Schwedin Elina Berglund hat die App mit ihrem Mann entwickelt und war auch an der nobelpreisgekrönten Entdeckung des Higgs-Teilchens beteiligt