Glücklicher dank Technik? Das ist keine Sciencefiction, denn eine App, die das können soll, gibt es schon. Online-Praktikantin Olivia Sasse hat den Happimeter ausprobiert.
In der untersten Schublade meiner Kommode liegen drei Fitness-Tracker. Vor ein paar Jahren war ich fasziniert von den ganzen Daten und Statistiken, die sie mir lieferten. Ich fühlte mich gut, wenn ich meine 10000 Schritte lief – es verschaffte mir ein kleines Erfolgserlebnis und ein Gefühl von Kontrolle. Doch der motivierende Effekt liess nach, ich blickte immer seltener auf die App – der Reiz war weg. Und nur vom Tragen der Uhr wird man ja auch nicht fitter. Vollends verleidet sind mir die Tracker, als ich zeitweise unter Schlafstörungen litt und mir die App am nächsten Morgen noch anzeigte, wie schlecht ich geschlafen hatte – danke, das habe ich auch selbst bemerkt.
Ich pflege eine gewisse Hassliebe zu technischen Geräten. Als ich hörte, dass es eine App gibt, die glücklicher machen soll, waren meine Gefühle zwiespältig. Meine Neugier war zwar geweckt, zugleich fragte ich mich: Kann man Glück messen? Kann ein Gadget wirklich besser wissen, was mich glücklich macht, als ich selbst?
Der Happimeter ist eine App, die am Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Boston entwickelt wurde. Sie wird auf einer Smartwatch bedient und ist mit dem Handy gekoppelt. Die Sensoren der Uhr messen Puls und Aktivität – im ersten Moment also ganz ähnlich wie ein Fitnessarmband. Neben den körperlichen Messungen werden aber noch weitere, externe Daten berücksichtigt: das Wetter (Temperatur, Feuchtigkeit, Luftdruck), Lichteinfall, Datum und Uhrzeit sowie GPS-Daten. Ausgestattet mit einem Mikrofon, hört die Uhr auch zu – laut Entwicklern geht es dabei natürlich nicht um Inhalt, sondern darum, wie laut, energisch und wie oft der Träger spricht. 4-mal am Tag gibt man mittels Emojis auf einer Skala von eins bis drei an, wie zufrieden und wie aktiv man sich gerade fühlt. Mit diesen Daten soll die App dann lernen, welche Situationen, Orte und sogar Menschen uns besonders positiv oder besonders negativ beeinflussen. Aber nicht nur das, der Algorithmus soll sogar den Glückslevel des Trägers voraussagen können (Mood Predictions).
Ende August traf ich den Aargauer Forscher Peter Gloor, einen der Entwickler des Happimeter, beim Hauptbahnhof Zürich. Er begrüsste mich mit einem breiten Lächeln, das auch während unseres Gesprächs kaum einmal aus seinem Gesicht wich – bei ihm schien die App also zu funktionieren. Tatsächlich versicherte Gloor mir, er sei viel glücklicher geworden, seit er die Uhr trage. Dafür gab er mir auch gleich ein Beispiel: Die Uhr habe ihn darauf aufmerksam gemacht, dass er sich nach einem langen Flug unwohl fühlte – also habe er sich ausgeruht, anstatt direkt zu einem Stadtspaziergang aufzubrechen. Ich nickte. Diese Anekdote hatte ich bereits in mehreren Berichten über den Happimeter gelesen. Ausserdem habe die App ihm gezeigt, dass er einen seiner Studenten nicht möge, so Gloor. Jetzt ginge er der betreffenden Person einfach aus dem Weg. Doch ist das das Ziel? Dass wir grundsätzlich einfach allen Menschen aus dem Weg gehen, die wir laut Algorithmus nicht mögen.
Gloor übergab mir eine Smartwatch samt installiertem Happimeter zum Testen.
Die ersten Tage war ich noch freudig aufgeregt, als die Uhr vibrierte und mich bat, meine aktuelle Zufriedenheit und meine Aktivität mittels Emojis anzugeben. Nach etwa einem Monat hatte die App noch immer keine der versprochenen Stimmungsvorhersagen und Erkenntnisse von sich gegeben. Ich gab dem Happimeter noch maximal zwei Wochen. Als ich dann einige Tage später nach einem spannenden Interviewtermin durch die Herbstsonne spazierte und mich spontan mit einem guten Freund zum Essen verabredete – er kochte für mich – bekam ich tatsächlich meine erste Mood Prediction. Die Uhr zeigte mir ein wütendes Smile an. Laut Algortihmus sollte ich also sehr aktiv und sehr unzufrieden sein. Die falsche Prognose frustrierte mich. Auch bei der zweiten Stimmungsvorhersage lag die App daneben. Tiefere Erkenntnisse darüber, was mich besonders glücklich oder unglücklich stimmt, blieben aus. Damit war das Experiment vorbei.
Ebenso wenig wie mir ein Fitness-Tracker ohne jegliches Zutun helfen kann, sportlicher zu werden, lässt sich auch mein Glück nicht über eine App steuern. Zwar war ich enttäuscht über so wenig verwertbaren Output, aber doch auch ein wenig erleichtert: Noch kennt mich die Technik also nicht besser als ich mich selbst. Die Vorstellung Orte oder Personen zu meiden, nur weil mir eine App dazu rät, ist mir zuwieder. Grundsätzlich bin ich ein Angsthase. Ich fürchte mich davor, Dinge nicht gut genug zu machen, oder zu scheitern. Wenn ich nun also bereits vorher wüsste, was mich unglücklich machen oder mich negativ beeinflussen wird, würde ich es gar nicht mehr probieren. Dabei war ich schon oft unglücklich: über eine Beziehung, die nicht geklappt hat, über einen Streit mit einer Kollegin, über Regen, der unerwartet über mich hereinbrach – über kleine und grosse Dinge. Viele der kleineren Unglücke vergehen schnell und sind im Nachhinein nicht so schlimm. Und die grösseren Unglücke – auch das sind Erfahrungen, die mich prägen. Genauso wie all die glücklichen Moment, von denen es in meinem Leben bisher reichlich gab.
Ich möchte kein Glück-optimiertes Leben führen. Ich möchte meine Zufriedenheit nicht auf einer Skala von eins bis drei messen und meine Launen nicht von Emojis ablesen. Viel lieber spreche ich mit Freunden darüber, wie es mir geht, und schreibe meine Gedanken und Erlebnisse auf – das reicht mir an Selbstreflexion.