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Umbauprojekt: Vom Traum zum Haus

Leben

Umbauprojekt: Vom Traum zum Haus

  • Text: Line Numme; Fotos: Rita Palanikumar

Wenn man ein Haus mit Jahrgang 1903 in ein ganz persönliches Wohnparadies verwandelt, strapaziert das Nerven – (Freuden-)Tränen inklusive.

Betritt man das einseitig angebaute Haus am südlichen Stadtrand von Zürich, kommt einem ganz viel Persönlichkeit entgegen. So viel, dass man sich ein «Wow!» nicht verkneifen kann. Hier hat sich jemand selbst verwirklicht und ja, auch einen Traum wahr gemacht. Kaum ein Detail, an dem das Auge nicht hängen bleibt. Wir setzen uns in die grosse, gemütliche Küche mit Seesicht, trinken Cappuccino, und Britta Düring (42) erzählt, wie ihr Traum Wirklichkeit wurde.

«Ich liebe alte Häuser, sie haben einfach schon eine Geschichte. Trotzdem mussten wir aus dem alten Bauernhaus ausziehen, in dem wir zehn Jahre gewohnt hatten, weil meine heute 15 und 17 Jahre alten Jungs begannen, sich den Kopf an den Balken zu stossen. Zudem waren wir ein wenig zu weit ab vom Schuss und wollten wieder Richtung Stadt ziehen. Zwei Jahre lang suchte ich. Hauptsächlich online. Fündig wurde ich jedoch durch ein Zeitungsinserat, mit dem ein Freund auf mich zukam, in dem dieses Haus angeboten wurde. Es lohnt sich also, auch mal old-school einen Blick in die Zeitung zu werfen! Dieser Freund meinte: Das klingt doch nach einem Haus für dich! Ich las das Inserat – er hatte recht –, rief sofort die angegebene Nummer an und sagte: ‹Ich möchte das Haus bitte so schnell wie möglich sehen!› Das war im Winter 2013, in den Sportferien. Ich lud uns selber zum Übernachten beim Eigentümer ein, denn ich wollte testen, ob wir zehn Meter neben der Bahnlinie überhaupt ein Auge zubekommen würden. Meine Jungs waren sich sofort einig, dass wir unser neues Zuhause gefunden hatten. Auch ich schlief sehr gut, allerdings könnte eine der beiden Flaschen Wein vom netten Vorabend auch dazu beigetragen haben. Ich bekam vom Besitzer eine Woche, mich zu entscheiden, also nicht besonders viel Zeit. Und auch nicht genug, um eine unabhängige Kostenschätzung machen zu lassen. Aber eigentlich kann man sich letztlich nur auf sein Bauchgefühl verlassen. Und das sagte mir: Ja! Kurz vor dem Gang zum Notar bekam ich dann aber doch kalte Füsse und stand heulend unter der Dusche, weil ich befürchtete, meine Söhne mit meinem Vorhaben um ihr finanzielles Erbe zu bringen. Hinzu kam, dass viele Freunde meinten, ich spinne, so ein altes Haus direkt an der Bahnlinie zu kaufen. Das hat mich schon verunsichert. Aber ich blieb bei meinem Entscheid. Heute sind meine Freunde von dem Haus so begeistert wie ich selbst.

In den ersten Monaten nach dem Einzug wurde ich zwar regelmässig durch ein Rütteln geweckt und dachte im Halbschlaf: Erdbeben! Tsunami! Ui, ui, ui … ah, nein, der Zug. Dann schlief ich wieder ein. Sitzt man nun draussen, und der Zug fährt vorbei, so nimmt man einfach einen Schluck Prosecco.

Mir sagte einmal jemand, ein Umbau sei in der Belastungsskala etwa so hoch anzusiedeln wie eine Scheidung oder gar wie der Verlust eines geliebten Menschen. Das hat schon was. Man unterschätzt, wie viele Entscheide zu treffen sind, die dir niemand abnehmen kann; Böden, Wände, Decken, Isolation, Verputz, Farbe. Es ist einfach anstrengend, wenn man während des Umbaus überall und die ganze Zeit Leute ‹in der Hütte hat›. Auf dem Balkon, wenn man aus dem Schlafzimmer kommt, im Garten – immer auf jemanden zu treffen, der noch etwas wissen muss. Na ja, andererseits kann aber auch nur so das eigene Traumhaus entstehen.

Doch selbst wenn man jedem Detail Beachtung schenkt – und trotz Architekt und Bauleiter –, kommt nicht alles so, wie man es sich vorgestellt hat. Das von mir in Holz gewünschte Garagentor etwa liesse sich angeblich auch sehr naturgetreu aus Alu fertigen, hiess es damals, draus geworden ist ein hässliches Industrietor, das rein gar nichts mit Holz zu tun hat. Ebenfalls nicht vertrauenswürdig sind Farbmuster von 30 x 30 Zentimetern – die Farbe wirkt in anderen Lichtverhältnissen und auf etlichen Quadratmetern oft ganz anders. Manchmal ist das Ergebnis aber auch fast zu perfekt, vor allem wenn man es wie ich liebt, wenn Dinge so aussehen, als wären sie schon immer da gewesen. Die Sandsteinmauern im Garten zum Beispiel, die hätte ich am liebsten vom Lehrling im ersten Jahr errichten lassen. Der hätte das bestimmt genau so gemacht, wie ich es mir wünschte. Stattdessen scheinen mir die Mauern jetzt fast zu gestylt. Aber der Garten wird das wieder ausgleichen, der wird nämlich urwüchsig und wild werden. Bei mir hat er gar keine andere Wahl.»

Eigentlich wusste Britta Düring ja, was alles auf sie zukommen könnte, weil es schon ihr viertes Bauprojekt war. Beim ersten Umbau hatte sie selber Hand angelegt, das zweite Mal wars eine Renovation des Dachstocks mit Denkmalschutzauflagen. Als Drittes folgte ein Neubau in den Bergen, wo sie mit ihren Ideen für Kopfschütteln sorgte, weil sie für das neue Gebäude Altholz von Kuhställen verwenden wollte.

Überhaupt fehlte es ihr nie an eigenen Ideen. Für deren Umsetzung musste ein Architekt und Sparringspartner gefunden werden, der damit umgehen konnte, hauptsächlich ausführend tätig zu sein. Und mit den Handwerkern Pläne zu erstellen und auftretende Probleme zu lösen. Zu guter Letzt braucht es aber – besonders als Bauherrin – eine gute Portion Selbstvertrauen, um seine Vorstellungen durchzusetzen.

«Dieses Haus ist jetzt so richtig ich. Von unten bis oben. Es war mir wichtig, sein Wesen, seinen Charakter beizubehalten und es mit meinen Wünschen und Vorstellungen zu ergänzen. Auch gegen den einen oder anderen Widerstand. Die Backsteine in der Küche empfanden die meisten beispielsweise als Stilbruch, aber es sollte noch weitere geben. Darin war ich wenigstens konsequent. Ich hatte eigentlich bei allen meinen Projekten ein genaues Bild davon, wie ein Haus aussehen sollte. Aber erst hier habe ich alles verwirklicht, was ich in der einen oder anderen Form schon in früheren Bauten realisieren wollte, das aber dort nicht gepasst hat. Wie etwa die Farbe Petrol im ganzen Treppenhaus als Hintergrund für meine Fotos und Bilder zu verwenden. Oder in der Küche, meinem liebsten Raum: eine ganze Wand mit türkisen Wandplatten in Kombination mit dem Backstein. Oder das Gold im Schlafzimmer. Kitsch? Vielleicht – aber frisch im Sommer und gemütlich im Winter.

Eines der schwerwiegenderen Probleme beim Bauen sind Fehler, die eine Kettenreaktion auslösen. Wird ein Plan fehlerhaft erstellt und darum ein Bauteil falsch geliefert, dann muss eventuell das Gerüst länger stehen bleiben, wodurch sich die weiteren Arbeiten verzögern. Das verursacht Folgekosten, die immens sein können und im Budget nicht vorgesehen sind. Oder es kann Unerwartetes dazukommen. Wie der Bauarbeiter, der im Keller bis zu den Knien im Fundament stand, weil der Boden vom falsch geleiteten Regenwasser unterspült worden und eingebrochen war. Immerhin entdeckten wir so, dass alle Leitungen marode waren. Das bedeutete zwar hohe Zusatzkosten, wäre das Problem aber unentdeckt geblieben, hätte noch viel Schlimmeres auf mich zukommen können. Ein Umbau hat etwas von einer Schönheitsoperation, fängt man an, die Falten genauer zu betrachten, wird noch viel mehr fällig. Und legt man irgendwo Hand an, passt es plötzlich nicht mehr zum Rest. Deshalb muss man irgendwann einfach sagen: Fertig. Alles in allem hatte ich aber mit allen am Umbau Beteiligten eine wunderbare und intensive Zeit. Und ich glaube, sie teilen meine Freude am Haus, gerade weil es sehr individuell und nicht so 08/15 ist.»

Auf die Frage, ob sie je wieder umbauen würde, meint Britta Düring: «Ich habe meinen Freunden zwar gesagt, dass sie mir ganz fest auf den Hinterkopf hauen sollen, falls ich mal sagen würde, ich hätte da ein schönes altes Haus gesehen – und meine Mutter meinte, mein Vater würde sich da sicherlich auch hinten anstellen –, aber: Sag niemals nie!»

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