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Tschüss, David Bowie!

Tschüss, David Bowie!

  • Text: Miriam Suter; Foto: Getty Images

Der grossartige David Bowie ist nach eineinhalb Jahren Kampf gegen den Krebs verstorben, er wurde 69 Jahre alt. Unsere Junior Online Redaktorin Miriam Suter nimmt Abschied.

Es gibt nur wenige Musiker, die ich wirklich nahe an mich heran lasse. So nahe, dass mich ihr Schaffen so stark beeinflusst, dass ich am Morgen meine Kleider passend zu meinem Lieblingssong auswähle. So stark, dass sich meine Laune nach den ersten Klängen vom Montagmorgenblues erholt – egal wie die Welt um mich herum gerade aussieht. So stark, dass sich etwas in mir transformiert. Einer, der das geschafft hat und selber zu den Grössten im Transformieren gehörte, ist von uns gegangen.

January 10 2016 – David Bowie died peacefully today surrounded by his family after a courageous 18 month battle with…

Posted by David Bowie on Sonntag, 10. Januar 2016

Lieber David, ich möchte dir Danke sagen. Ohne deine Musik hätte ich meine furchtbar anstrengende Adoleszenz kaum unbeschadet über die Bühne gebracht. Danke im Speziellen für die Platte «Heroes». Ja ja, ich weiss, es ist klischiert, dieses Album am liebsten zu mögen. Aber dank ihm bin ich nicht nur von der mauligen 16-Jährigen zum einigermassen gefestigten Twenty-Something geworden. Dank dieses Albums habe ich auch Berlin für mich entdeckt. Habe mich in verrauchten Bars und abgerockten Clubs in die Bilder von dir verliebt, wie du im gleichen Alter wie ich damals in winzigen Zimmern in Berlin die grössten Träume hattest. Ich bin durch die Strassen Berlins gezogen, meine ungewisse Zukunft kurz nach dem Lehrabschluss vor Augen. Die Welt ist in diesem Alter sowieso immer irgendwie gegen einen aber du hast gesungen: «We can beat them, for ever and ever» und ich wusste, dass ich eine Heldin sein kann. 

Du bist für mich Inspiration in allen Bereichen. Du warst immer der etwas seltsame Aussenseiter, ein Alien irgendwie. Aber du hast der Welt gezeigt, dass es keine Rolle spielt, welchem Geschlecht jemandem zugeordnet ist (und hast das Thema Gender hervorragend in dein Musikvideo für «The Stars Are Out Tonight» einfliessen lassen). Du hast uns klar gemacht, dass man nicht sein ganzes Leben in einer Schublade verbringen muss, sondern sich immer neu erfinden kann und sich dadurch nicht verrät sondern weiter kommt. Dir selbst war nur eine einzige Rolle auch nicht genug, nur Musik machen hat dir nicht gereicht. Und so brilliertest du auch als Künstler, als Mode-Ikone, als Filmemacher und Schauspieler. Das hat mich beeindruckt und nachdem ich deine Glamrock-Kunstfigur Ziggy Stardust kennengelernt habe, fand ich es dann auch voll okay, mit Glitzer im Gesicht an Konzerte und in Clubs zu gehen und tags darauf wieder einigermassen seriös in einem Büro zu sitzen. 

Und natürlich bin ich deinen Texten verfallen, schon damals als blutjunge Journalistin, als ich noch vor allem über Musik geschrieben habe. Ich denke, darum mag ich auch das Album «Hunky Dory» so gern, auch heute noch gehört es zu meinen liebsten. Es begleitet mich immer wieder durch die Phasen, in denen die Ch-Ch-Ch-Ch-Changes am schwierigsten zu überwinden sind und ich mich frage, ob ich auf den Mars auswandern könnte, wenn ich die Welt hier mal wieder nur schwer aushalte. 

Danke, lieber David. Es schmerzte heute morgen schon sehr, als ich die Nachricht von deinem Tod las. Aber ich würde sagen, du hast mich mit genügend Badass-Attitüde für mein restliches Leben versorgt. Und für dich geht die Party hoffentlich irgendwo weiter, denn wie du selber einmal gesagt hast: «I don’t know where I’m going from here, but I promise it won’t be boring.»